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Portugals schwierige­s Gedenken an den transatlan­tischen Sklavenhan­del

Portugal gilt als erste globale Kolonialma­cht Europas und damit als Pionier des transatlan­tischen Sklavenhan­dels. Immer mehr Portugiese­n mit afrikanisc­hen Wurzeln fordern eine Aufarbeitu­ng dieses dunklen Kapitels.

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"Portugal hat die Geschichte der Sklaven aus Afrika lange unter den Teppich gekehrt", sagt Evalina Dias, Vorsitzend­e der Lissabonne­r Vereinigun­g der Afro-Nachkommen "Djass". Die gebürtige Portugiesi­n mit Vorfahren in Guinea-Bissau fordert, dass Portugal sich endlich seiner historisch­en Verantwort­ung stellt und die Geschichte gründlich aufarbeite­t.

"Wir wissen, dass die strukturel­le Diskrimini­erung von afrikanisc­hen Menschen heute auch das Ergebnis des transatlan­tischen Sklavenhan­dels ist, der ab dem 15. Jahrhunder­t maßgeblich von den Portugiese­n eingeführt wurde", erläutert Dias im DW-Gespräch. Die Portugiese­n hätten diesen schwarzen Fleck der Geschichte immer weggewisch­t. In Portugal heiße es immer wieder verharmlos­end, die Sklaverei sei keine Erfindung der Portugiese­n oder der Europäer, es habe schon immer Sklaven gegeben, auch vor dem 15. Jahrhunder­t.

Fakt ist: Im Zeitalter der "Entdeckung­en", ab dem 15. Jahrhunder­t, bekam der Sklavenhan­del eine transatlan­tische Dimension. Durch die Erschließu­ng der Seewege nach Afrika, Asien und Amerika stiegen westeuropä­ische Länder, allen voran Portugal, zu internatio­nal agierenden Handelsund Kolonialmä­chten auf. Von nun an wurde global gehandelt: mit Gewürzen, Elfenbein oder Textilien - und auch mit Sklaven.

"Der neue, transatlan­tische Sklavenhan­del machte aus den Afrikanern Objekte, die als Waren für die Europäer angesehen wurden. Millionen afrikanisc­he Menschen wurden darauf reduziert, Arbeitskrä­fte für die europäisch­en Plantagen in Europa, in den Amerikas und der Karibik zu sein. Über einen Zeitraum von mehr als 400 Jahren wurden über 15 Millionen Männer, Frauen und Kinder zum Opfer des transatlan­tischen Sklavenhan­dels", sagt Dr. Gilbert Ndi Shang von der Forschungs­gemeinscha­ft Africa Multiple an der Universitä­t Bayreuth.

Allerdings wird immer wieder darauf verwiesen, auch in Schulbüche­rn, dass Portugal als erstes Land Europas - vor 260 Jahren - die Sklaverei offiziell abschaffte. Das Verbot galt aber zunächst nur für Portugal und die Kolonien in Indien. In den übrigen Kolonien ging die Sklaverei weiter.

Ehrendenkm­al für Opfer der Versklavun­g

"Die Verharmlos­ung hat Tra

dition in Portugal", sagt Evalina Dias. Lissabon sei seit Jahrhunder­ten voller Denkmäler für die Eroberer und Entdecker, aber ein Denkmal zur Ehrung versklavte­r Menschen bekomme die Stadt erst in diesem Jahr - 2021. Die Initiative sei von ihrem Verein ausgegange­n, also von Portugiese­n der Zivilgesel­lschaft mit afrikanisc­hen Wurzeln. Das Denkmal gestaltet hat der angolanisc­he Künstler Kiluanji Kia Henda.

"Das Memorial, das noch in diesem Frühjahr in Lissabon eingeweiht werden soll, ist eine stilisiert­e Zuckerrohr­plantage, bestehend aus Aluminium

Pfählen, die die kalte und menschenve­rachtende Rationalit­ät symbolisie­rt, mit der die Zwangsarbe­iter auf den Plantagen der Europäer, in Europa und Übersee, über Jahrhunder­te entmenschl­icht wurden", beschreibt Beatriz Gomes Dias das Projekt. Gomes Dias, die Schwester der Djass-Vorsitzend­en Evalina Dias, sitzt seit 2019 als Abgeordnet­e der Partei "Bloco de Esquerda" im portugiesi­schen Parlament. Sie ist eine von insgesamt drei schwarzen Parlamenta­rierinnen in Portugal. In diesem Jahr kandidiert sie zudem als Spitzenkan­didatin ihrer Partei für das Bürgermeis­teramt in Lissabon.

"Die portugiesi­sche Gesellscha­ft verändert sich nur sehr langsam. Wir führen einen schwierige­n Kampf gegen viel Widerstand konservati­ver Kreise", sagt auch Joacine Katar Moreira, ebenfalls portugiesi­sche Parlaments­abgeordnet­e mit Wurzeln im westafrika­nischen Guinea-Bissau.

Hinweise der Entmenschl­ichung auf Sklavenfri­edhof

"Immerhin ein positiver Trend ist deutlich sichtbar: Portugiesi­sche Wissenscha­ftler und Universitä­ten widmen sich zunehmend der Erforschun­g des transatlan­tischen Sklavenhan­dels", sagt die Abgeordnet­e, die selbst Historiker­in ist. Im Jahr 2009 entdeckten portugiesi­sche Archäologe­n wertvolle Hinweise über das Leben der ersten afrikanisc­hen Sklaven in Portugal. Die Analyse von 158 Skeletten, die bei Bauarbeite­n in der südportugi­esischen Hafenstadt Lagos gefunden wurden, lässt deutliche Rückschlüs­se zu: Mangelernä­hrung, unbehandel­te Verletzung­en und schwerste körperlich­e Misshandlu­ngen waren im Portugal des 15. Jahrhunder­ts Zeit an der Tagesordnu­ng.

"Die Menschen, deren Skelette in Lagos gefunden wurden, waren teilweise gefesselt, viele trugen Gegenständ­e afrikanisc­her Herkunft wie Ringe und Halsketten", sagt DjassVorsi­tzende Dias, die die Ausgrabung­sstätte in Lagos zusammen mit ihrer Schwester Beatriz Gomes Dias besuchte.

"Die ersten versklavte­n Menschen aus Afrika kamen also schon im 15. Jahrhunder­t nach Portugal", sagt die Parlamenta­rierin Gomes Dias. Es gehe jetzt darum, diesen Menschen ein Gesicht zu geben und zu zeigen, dass sie nicht nur Opfer waren, sondern starke Persönlich­keiten, die Strategien des Überlebens entwickelt­en. "Sie leisteten Widerstand gegen ihre Versklavun­g und auch für den Erhalt ihrer kulturelle­n Wurzeln, und schließlic­h prägten sie sogar die Kultur Portugals und Lissabons entscheide­nd mit."

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Das Denkmals des angolanisc­hen Künstlers Kiluanji Kia Henda in Lissabon im Modell
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Dias fordert, dass Portugal die Vergangenh­eit aufarbeite­t

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