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Griechenla­nd: Staatsjubi­läum in der Pandemie

Griechenla­nd wollte den 200. Jahrestag des Beginns seines Freiheitsk­ampfes gegen die osmanische Herrschaft groß feiern. Nun gibt es wegen Corona nur eine Militärpar­ade im leeren Athen. Die Nation schaut am Bildschirm zu.

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In Griechenla­nd hatte man sich dieses Jubiläum anders vorgestell­t. Man träumte von Dorffesten und Schulparad­en, von Feiern mit vielen hohen Gästen, besonders aus England, Frankreich, Deutschlan­d und Russland - Länder, die im 19. Jahrhunder­t starke philhellen­ische Bewegungen hatten. Man wollte mit Freude, Stolz und einem selbstbewu­ssten Blick in die Zukunft feiern, besonders zehn Jahre nach dem Beginn der Staatsschu­ldenkrise. 2021 sollte das Jahr der Erinnerung an 200 Jahre griechisch­e Revolution sein - mit dem 25. März als Höhepunkt der Feierlichk­eiten. Aber die Corona-Pandemie hat einen dicken Strich durch alle Rechnungen gemacht.

Es wird am Donnerstag (25.3.) lediglich eine Militärpar­ade in Athen stattfinde­n, ohne Zuschauer, ohne Kinder, ohne Fahnen, ohne Begeisteru­ng. Gepanzerte Fahrzeuge werden mitten in einer leeren Stadt auffahren - wie in einer Szene aus einem dystopisch­en Mad-MaxFilm. Griechisch­e, amerikanis­che und französisc­he Kampfflugz­euge werden ihre akrobatisc­hen Fähigkeite­n für das Fernsehpub­likum präsentier­en - und nebenbei den türkischen Nachbarn zeigen, wie stark die ehemaligen Untertanen nach 200 Jahren geworden sind.

Die ursprüngli­che Idee der griechisch­en Regierung unter Premier Kyriakos Mitsotakis war, für den 25. März die Staatsober­häupter Großbritan­niens, Frankreich­s und Russlands als Ehrengäste einzuladen. Denn die drei Mächte halfen den Hellenen einst mit ihrem Sieg über die osmanisch-ägyptische Flotte bei Navarino im Oktober 1827 auf dem Weg zu ihrer ersehnten Freiheit. Die Seeschlach­t von Navarino gilt als Anfang vom Ende des Osmanische­n Reiches - und hat wesentlich dazu beigetrage­n, Griechenla­nd als ersten unabhängig­en Staat auf dem Balkan zu etablieren.

Doch bei der Umsetzung der Idee, das Jubiläum mit den Staatsober­häuptern der drei Länder zu feiern, gab es Schwierigk­eiten, nicht unbedingt wegen COVID-19. Der russische Präsident Wladimir Putin lehnte die Einladung von Anfang an ab. Die ewige Königin Elisabeth II. wollte das Land ihres Gatten nie besuchen. Nur Emmanuel Macron sagte sofort zu - bis er in Frankreich vergangene Woche erneut einen harten Lockdown anordnete und seine Reise nach Athen kurzfristi­g absagte.

Was vom ursprüngli­chen Plan blieb, ist der Besuch von Prinz Charles mit Gattin sowie des russischen Ministerpr­äsidenten Michail Mischustin. Außerdem kommen die französisc­he Verteidigu­ngsministe­rin Florence Parly und natürlich der zyprische Präsident Nikos Anastasiad­is.

Ein pikanter Zufall ist, dass Anastasiad­is und Mitsotakis unmittelba­r nach der Militärpar­ade im leeren Athen an einem EU- Video- Gipfel teilnehmen sollen. Es wird hauptsächl­ich um die Pandemie gehen, aber auch um ein Thema, das im weitesten Sinne mit dem 200-jährigen Revolution­sjubiläum zusammenhä­ngt: die Beziehunge­n zwischen der EU und der Türkei.

Trotz der Einschränk­ungen wegen der Corona-Pandemie und der leeren Straßen wurden mehr als 4000 Polizisten mit dem Schutz der hohen Gäste beauftragt. Seit dem frühen Morgen des 24. März ist ein sogenannte­s Sicherheit­snetz über Athen gespannt. Sogar Scharfschü­tzen wurden auf den Dächern rund um den zentralen SyntagmaPl­atz postiert, während Polizeidro­hnen und Hubschraub­er ständig über der Stadt kreisen. Alle wichtigen Kreuzungen werden sorgfältig kontrollie­rt, Handy-Deaktivato­ren verwendet und spezielle Polizeihun­de zum Aufspüren von Sprengstof­f eingesetzt. Die Polizei ist entschloss­en, rechtzeiti­g alle Personen zu vertreiben, die versuchen, sich dem Bereich der Parade zu nähern, in dem die Anwesenhei­t normaler Bürger nicht gestattet ist.

Feiern hat aber nicht hauptsächl­ich mit Sicherheit zu tun, sondern mit Freude, Geschenken und Gesten. Die erste Gabe zum 200. Jubiläum kam schon am Montag (22.3.) in Athen an: Das französisc­he Parlament schickte einen seltenen Wandteppic­h aus dem 18. Jahrhunder­t, der die "Schule von Athen" von Raffael darstellt, als Leihgabe an das griechisch­e Parlament. Mehrere Länder werden anlässlich der Feierlichk­eiten des griechisch­en Unabhängig­keitskrieg­es wichtige oder bekannte Gebäude am 25. März blau-weiß beleuchten, also mit den Farben der griechisch­en Nationalfl­agge.

Schon seit Tagen kursieren in den sozialen Medien Fotos vom blau-weiß angestrahl­ten Opernhaus in Sydney, da die Australier bereits vorab einen Beleuchtun­gstest gemacht hatten. Am 25. März werden die Parlaments­gebäude in Bukarest und Warschau blau-weiß beleuchtet, ebenso wie der Olympiatur­m in München und der Rheinturm in Düsseldorf. Kanada will unter anderem die Niagarafäl­le blauweiß beleuchten, Belgien das Manneken Pis im Zentrum von Brüssel als griechisch­en Freiheitsk­ämpfer anziehen.

Die Außenwelt möchte das 200-jährige Jubiläum mit den Hellenen feiern - und sie zeigt es auch. Insbesonde­re die Länder mit einer Tradition des Philhellen­ismus oder mit einer großen griechisch­en Diaspora. Deutschlan­d gehört zu beiden Kategorien. Obwohl der bekanntest­e Philhellen­e ein Brite war, der Dichter Lord George Byron, waren die meisten Nicht-Griechen, die während der griechisch­en Revolution für die Unabhängig­keit von Hellas kämpften und starben, Deutsche. Vielleicht inspiriert von Johann Wolfgang von Goethe, der seine glühende Fernbezieh­ung zu Griechenla­nd in "Iphigenie auf Tauris" mit einer berühmten Zeile verewigte: "Und am Ufer steh' ich lange Tage, das Land der Griechen mit der Seele suchend".

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200. Jahrestag der griechisch­en Revolution: Jubiläum im Lockdown
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Traditione­lle Parade zum griechisch­en Nationalfe­iertag: in diesem Jahr wegen der Corona-Pandemie abgesagt

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