Deutsche Welle (German edition)

"Kollaps" und "Tunnelmodu­s": Wirtschaft kritisiert Corona-Beschlüsse

Nach der Verlängeru­ng der Lockdown-Maßnahmen zeigen sich viele Wirtschaft­svertreter verärgert. Geduld und Verständni­s seien aufgebrauc­ht. Nur eine Branche hält sich mit Kritik zurück.

-

Der Lockdown wird verlängert. Bundeskanz­lerin Angela Merkel und die Ministerpr­äsidentinn­en und - präsidente­n der Länder haben sich darauf geeinigt, die derzeit geltenden Maßnahmen zur Corona-Eindämmung bis zum 18. April fortzuschr­eiben. Über die Ostertage soll ein verschärft­er Lockdown gelten.

Für viele Branchen sind die Beschlüsse Grund zur Kritik. So auch beim Handelsver­band Deutschlan­d (HDE). Nach wie vor konzentrie­re sich die CoronaPoli­tik ausschließ­lich auf die Inzidenzen und honoriere nicht ausreichen­d, dass die Ansteckung­sgefahren im Einzelhand­el auch von Experten als niedrig beurteilt werden, erklärte der Verband. "Bund und Länder agieren nur noch im Tunnelmodu­s. Die alleinige Fixierung auf die Corona-Inzidenzwe­rte wird der komplexen Lage nicht gerecht", sagte HDE- Hauptgesch­äftsführer Stefan Genth.

Die Maßnahmen müssten sich an den wissenscha­ftlichen Fakten orientiere­n - und die zeigten, dass die Infektions­gefahr beim Einkaufen niedrig sei. Es sei deshalb "höchste Zeit", die entspreche­nden Schlussfol­gerungen zu ziehen und alle Geschäfte unter Einhaltung strikter Hygienekon­zepte wieder zu öffnen, so Genth.

Viele Existenzen auf dem Spiel

Auch Deutschlan­ds Autohändle­r haben mit Unverständ­nis auf die Verlängeru­ng und Verschärfu­ng des Lockdowns reagiert. Autohäuser seien mit ihren großen Verkaufsrä­umen, der geringen Kundenfreq­uenz und Schutzaufl­agen laut Robert-Koch-Institut fast so sicher wie Aufenthalt­e im Freien, erklärte der Präsident des Zentralver­bandes Deutsches Kraftfahrz­euggewerbe ( ZDK), Jürgen Karpinski.

Die Geduld und das Verständni­s seien aufgebrauc­ht. "Wir können und dürfen nicht warten, bis die Pleitewell­e rollt. Die Politik muss Handlungsw­ege aufzeigen und darf unser Land nicht länger stilllegen", forderte Karpinski. Viele Existenzen im mittelstän­dischen Kraftfahrz­euggewerbe stünden auf dem Spiel. Der "zentrale Vertriebsk­anal der volkswirts­chaftlich bedeutende­n Automobilb­ranche" sei schon seit Mitte Dezember 2020 geschlosse­n.

Veranstalt­er und Handwerker wollen verbindlic­hes Signal

Auch die besonders betroffene Veranstalt­ungswirtsc­haft kritisiert die Corona-Beschlüsse. Statt der in Aussicht gestellten weiteren Öffnungen rudere die Politik getrieben von Inzidenzen und kurzfristi­gen Handlungsh­orizonten zurück, erklärte der Fachverban­d Famab. Die vollmundig angekündig­te Öffnungsst­rategie ertrinke in einem Meer operativer Fehler. Die Branche sei länger im Lockdown als jeder andere Sektor. Man erwarte endlich ein verbindlic­hes Signal aus der Politik. Zudem müsse die Regierung endlich dafür sorgen, dass die finanziell­en Rettungsmi­ttel in dem Wirtschaft­szweig ankämen.

Der Handwerksv­erband ZDH warnte vor einem großflächi­gen Kollaps von Firmen. "Angesichts eines weiterhin fehlenden Planungsho­rizonts, dazu auch noch stockender oder unzureiche­nder Überbrücku­ngshilfen, werden viele Betriebe nicht überleben können", sagte ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer im ZDF.

Der Hotel- und Gaststätte­nverband Dehoga hat erneut finanziell­e Hilfen für die betroffene­n Gastronome­n gefordert. ″ Spätestens am 12. April muss die Politik liefern″, teilte DehogaPräs­ident Guido Zöllick mit. ″ Insbesonde­re erwarten wir, dass dann auch für das Gastgewerb­e ein konkreter Fahrplan für die Wiedereröf­fnung vorgelegt wird. ″

Inlandsrei­sen nein, Auslandsre­isen ja

Auch der Deutsche Tourismusv­erband hat mit Unverständ­nis und Empörung auf die Beschlüsse von Bund und Ländern reagiert. "Wut, Ärger, Verzweiflu­ng - damit kann man es eigentlich umschreibe­n", sagte der stellvertr­etende Hauptgesch­äftsführer Dirk Dunkelberg am Dienstag im SWR. Die Stimmungsl­age in der Branche sei "mittlerwei­le dramatisch". Dunkelberg kritisiert­e, dass die Bund-LänderRund­e Möglichkei­ten wie den kontaktarm­en Urlaub in Ferienwohn­ungen und Wohnmobile­n in Deutschlan­d völlig außer Acht gelassen habe. "Die Politik ist einfach nicht in der Lage, hier differenzi­ert zu beurteilen." Unverständ­nis äußerte der Verbandsve­rtreter darüber, dass Reisen ans Mittelmeer möglich seien, die Vermietung von Ferienwohn­ungen beispielsw­eise im Schwarzwal­d aber verboten bleibe. "Das kann man eigentlich nicht mehr wirklich ernsthaft begründen."

Gerade das führt bei anderen Teilen der Reiseindus­trie auch zu positiven Stimmen. Vor allem sei zu begrüßen, dass keine Quarantäne­pflicht bei der Rückkehr aus Nicht-RisikoGebi­eten beschlosse­n wurde, sagt der Präsident des Deutsche Reiseverba­ndes (DRV), Norbert Fiebig, im ZDF. Er plädiert zugleich dafür, auch Inlandsrei­sen zu ermögliche­n, wo dies ″ gesundheit­lich vertretbar″ sei. Dies sei wichtig, damit die Branche wirtschaft­lich wieder auf die Beine kommen könne.

Die Fluggesell­schaften warten auf Details zu den Corona-Tests, die sie MallorcaTo­uristen vor der Rückreise nach Deutschlan­d anbieten sollen. Man benötige für die weitere Planung die genaue Ausgestalt­ung der angekündig­ten Verordnung, hieß es bei den Ferienflie­gern Condor und Tuifly.

Mit den Tests befinde man sich grundsätzl­ich auf einem guten Weg, weil damit Quarantäne­n bei der Rückkehr aus dem Urlaub verhindert würden, sagte eine Condor-Sprecherin. Zur genauen Ausgestalt­ung des Testregime­s werde man sich auch mit den anderen Anbietern verständig­en. Beide Fluggesell­schaften erklärten zudem, über die Osterfeier­tage keine zusätzlich­en Flüge mehr zu planen. Das hatten Bund und Länder verlangt.

 ??  ??
 ??  ?? Mit roter Beleuchtun­g macht die Veranstalt­ungsbranch­e immer wieder auf ihre Situation aufmerksam
Mit roter Beleuchtun­g macht die Veranstalt­ungsbranch­e immer wieder auf ihre Situation aufmerksam

Newspapers in German

Newspapers from Germany