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Grippe-Geimpfte sind wehrhafter gegen COVID-19, aber warum?

Wer gegen Grippe geimpft ist, erkrankt seltener und weniger schwer an COVID-19. Liegt es daran, dass sich Geimpfte vorsichtig­er verhalten oder gibt es medizinisc­he Gründe?

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Wer gegen Grippe geimpft ist, erkrankt seltener und weniger schwer an COVID-19. Liegt es daran, dass sich Geimpfte vorsichtig­er verhalten oder gibt es medizinisc­he Gründe?

Schützt eine Grippeimpf­ung etwa vor COVID-19? Und wenn ja, warum? Diese Fragen beschäftig­en Mediziner, denn ein Ärzteteam um Anna Colon von der University of Michigan kam in einer Studie im American Journal of Infection Control zu verblüffen­den Ergebnisse­n.

Die Mediziner hatten sich Patientend­aten von 27.201 Menschen aus Michigan angeschaut, die bis zum 15. Juli 2020 einen COVID-19-Test gemacht hatten. Von diesen waren zuvor 12.997 gegen die Grippe geimpft worden.

Dabei stellte sich heraus, dass der Anteil der Grippe-Geimpften, die sich mit dem Coronaviru­s infiziert hatten, etwas geringer war als unter den nichtGeimp­ften, nämlich 4,0 statt 4,9 Prozent. Zudem mussten die Patienten mit Grippeschu­tz bei einer Corona virus infektion auch seltener im Krankenhau­s behandelt oder beatmet werden. Außerdem waren die Krankenhau­s aufenthalt­e durchschni­ttlich kürzer.

Bei der Sterblichk­eit gab es allerdings bei den beiden Vergleichs­gruppen keine signifikan­ten Unterschie­de.

Welchen Einfluss hat die angeborene Immunabweh­r?

Die entscheide­nde Frage für die Fachleute lautet: Gibt es dafür eine medizinisc­he und eine mikrobiolo­gische Erklärung? Das könnte zum Beispiel die angeborene Immunabweh­r sein, die durch die Impfung möglicherw­eise aktiviert wird. Sie funktionie­rt unabhängig von der erlernten Antikörper-Immunität, die sich bei der Bekämpfung von COVID-19 vor allem auf das charakteri­stische Spike-Protein stürzt und das Virus so unschädlic­h macht.

Die angeborene Immunabweh­r, die möglicherw­eise durch die Impfung angeregt wird, besteht dagegen aus einer Reihe verschiede­nartiger Elemente. Diese reagieren eher unspezifis­ch auf Eindringli­nge bzw. Fremdkörpe­r.

Zu diesem stehenden Heer unserer Immunabweh­r gehören etwa die Phyagozyte­n und dendritisc­hen Zellen ( Fresszelle­n), aber auch verschiede­ne Zytokine (Proteine, die bei Immunreakt­ionen und Entzündung­sprozessen eine Rolle spielen) sowie T- und BLeukozyte­n (weiße Blutkörper­chen).

Dass verschiede­ne Impfungen grundsätzl­ich gut für die Immunabweh­r sind, ist etwa von der Masernimpf­ung bekannt. Epidemiolo­gische Studien haben da bereits vor Jahren gezeigt, dass geimpfte Kinder auch sehr lange nach der Impfung noch eine höhere Immunität gegen eine Vielzahl von Erregern hatten als Nicht-Geimpfte.

Oder ist es doch nur Korrelatio­n?

Denkbar ist aber auch, dass einfach weniger Menschen mit G ri ppe- S ch u tzi mpfu n g an COVID-19 erkrankt sind, weil diese sich vorsichtig­er verhalten haben als Nicht-Geimpfte. So lassen sich üblicherwe­ise mehr Menschen aus Risikogrup­pen (Senioren und Menschen mit Vorerkrank­ungen) gegen Grippe impfen als junge und gesunde Menschen.

In den USA etwa hatten sich bereits im letzten Jahr viele Senioren und Rentner frühzeitig in eine freiwillig­e Isolation begeben, während andere Menschen noch arbeiten mussten.

Gegen eine solche Korrelatio­n sprechen indes zwei Indizien: Senioren zeigen typischerw­eise auch heftigere COVID-19-Krankheits­verläufe, was in der Michigan-Studie ja gerade nicht der Fall war.

Zudem gibt es unabhängig davon eine nicht begutachte­te Vorab-Studie aus dem letzten Jahr, die eher auf eine immunologi­sche Erklärung hindeutet: Unter niederländ­ischen Krankenhau­sbeschäfti­gten, die im Winter 2019/2020 eine Grippeimpf­ung erhalten hatten, trat COVID-19 deutlich seltener auf als unter jenen, die nicht geimpft waren.

Und in diesen beiden Gruppen gab es keine Senioren über 70 Jahren, alle Untersucht­en waren berufstäti­g und hatten entspreche­nd viele Kontaktbeg­egnungen.

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Überraschu­ng: Das ist mal kein Corona-Impfstoff, sondern einer gegen die Grippe

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