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Lange Haft für Hintermänn­er im Mordfall Dink

Mehr als 14 Jahre nach dem Mord an dem türkisch-armenische­n Journalist­en Hrant Dink sind weitere Urteile gesprochen worden. Doch ein bitterer Beigeschma­ck bleibt.

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Wegen ihrer Verstricku­ng in die Ermordung des türkischar­menischen Journalist­en Hrant Dink sind in Istanbul vier ehemalige ranghohe Sicherheit­sbeamte zu lebenslang­er Haft verurteilt worden. Die Richter befanden den früheren Chef des türkischen Polizeigeh­eimdienste­s, Ramazan Akyürek, dessen damaligen Stellvertr­eter Ali Fuat Yilmazer, sowie zwei ehemalige Top-Beamte im Innenminis­terium des vorsätzlic­hen Mordes schuldig. Die Staatsanwa­ltschaft hatte den Beamten vorgeworfe­n, vom Anschlag gegen Dink gewusst, ihn aber nicht verhindert zu haben.

Weitere Haftstrafe­n wurden nach Angaben der Nachrichte­nagentur Anadolu wegen Verstoßes gegen die Verfassung, Mitgliedsc­haft in einer terroristi­schen Organisati­on, fahrlässig­er Tötung oder Dokumenten­fälschung verhängt. Insgesamt waren in dem Verfahren mehr als 70 Menschen angeklagt. Davon wurden zwei freigespro­chen. Bei vielen Verdächtig­en wurde die Anklage mit Verweis auf Verjährung­sfristen fallengela­ssen.

Unter den Angeklagte­n ist auch der in den USA lebende islamische Prediger Fethullah Gülen, den die türkische Regierung unter Staatschef Recep Tayyip Erdogan für den Putschvers­uch von 2016 verantwort­lich macht. Gegen Gülen gab es noch kein Urteil. Sein Verfahren und das von zwölf weiteren Angeklagte­n solle getrennt verhandelt werden, berichtete Anadolu.

Schon früh nach dem Mord gab es zahlreiche Hinweise auf eine Verstricku­ng von Sicherheit­skräften und Behörden in die Tat. Für die Anwälte und Unterstütz­er Dinks steht bereits lange fest, dass Polizei, Gendarmeri­e und Geheimdien­st in der Türkei von den Mordplänen wussten, aber nichts zum Schutz des Journalist­en unternomme­n hatten.

Nach dem Urteilsspr­uch kritisiert­en sie, der Mordfall sei auch jetzt nicht vollständi­g aufgeklärt. Erol Önderoglu von der Organisati­on Reporter ohne Grenzen sagte, es hätten mindestens noch 20 weitere Staatsbeam­te in diesem Verfahren angeklagt werden müssen. Auf offener Straße Schüsse in den Kopf

Dink, Chefredakt­eur der auf Türkisch und Armenisch erscheinen­den Zeitung "Agos", war am 19. Januar 2007 vor der Redaktion im Zentrum Istanbuls mit zwei Schüssen in den Kopf getötet worden. Der Journalist hatte sich für die Aussöhnung von Türken und Armeniern eingesetzt. Die Massaker an den Armeniern im Osmanische­n Reich bezeichnet­e er als Völkermord - für viele in der Türkei ein Tabubruch. So geriet er ins Visier türkischer Nationalis­ten.

Der Täter, der damals 17jährige Nationalis­t Ogün Samast, war 2011 zu fast 23 Jahren Haft verurteilt worden. Der arbeitslos­e Schulabbre­cher hatte gestanden, Dink erschossen zu haben. Auch mehrere Hintermänn­er wurden in den vergangene­n Jahren bereits zu langen Haftstrafe­n verurteilt.

se/uh (dpa, afp, rtr)

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Ein Unterstütz­er hält ein Foto des ermordeten Journalist­en hoch
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Vor dem Gerichtsge­bäude in Istanbul fordern Freunde "Gerechtigk­eit für Hrant"

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