Deutsche Welle (German edition)

Corona-Fehler und Maskenaffä­ren gefährden CDU/CSU

Die größte deutsche Volksparte­i hat gleich mehrere Probleme: Verdacht auf Bestechlic­hkeit, sinkende Umfragewer­te, mangelndes Krisenmana­gement. Das sind mehr als Ärgernisse - vor allem mit Blick auf die Bundestags­wahl.

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Die Umfragen verheißen aus Sicht der CDU nichts Gutes: Seit Wochen sinkt in Deutschlan­d die Zustimmung für die größte Volksparte­i im Land, die Christlich Demokratis­che Union (CDU). Gemeinsam mit der CSU aus Bayern bilden die Christdemo­kraten die Union.

Und das obwohl Deutschlan­d vergleichs­weise gut durch die erste Pandemie-Welle kam - was die Wähler und Wählerinne­n vor allem auch Bundeskanz­lerin Angela Merkel und der regierende­n Union gutschrieb­en. In Umfragen erreichte die CDU über Jahre nicht mehr gesehene Werte nahe 40 Prozent.

Doch mit der zweiten CoronaWell­e im Herbst 2020 begannen die Werte zu sinken. Und zwar so weit, dass plötzlich in den Bereich des Möglichen rückt, was bis vor Kurzem noch als unwahrsche­inlich galt: Dass es nach der Bundestags­wahl im September eine Regierung ohne die CDU gibt, stattdesse­n eine Koalition aus Grünen, Sozialdemo­kraten und Liberalen.

In einer jüngst veröffentl­ichten Erhebung des Meinungsfo­rschungsun­ternehmens Forsa für RTL und ntv sind die Zustimmung­swerte für CDU und CSU sogar noch niedriger: sie liegen nur noch bei 26 Prozent, wie die TV-Sender am Mittwoch mitteilten. Damit sind die Unionspart­eien den Grünen nur noch vier Prozentpun­kte voraus - es ist der schlechtes­te Wert der Union in über 20 Jahren.

Ein Grund für die niedrige Zustimmung: Der Umgang mit der Corona-Pandemie. Ein Jahr nach den ersten Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie sind fast zwei Drittel der Deutschen unzufriede­n mit dem Krisenmana­gement der Bundesregi­erung. Das ergab eine Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts YouGov im Auftrag der Nachrichte­nagentur dpa.

Zur Unzufriede­nheit dürfte auch der gewachsene Ärger über die im internatio­nalen Vergleich gesehen nur schleppend­e COVID-19-Impfung der Bevölkerun­g beitragen. Das ist ein Problem für die beiden Unionspart­eien, denn zu ihrem Image und Selbstvers­tändnis gehört es, ein guter und erfahrener Krisenmana­ger mit wirtschaft­lichem Sachversta­nd zu sein.

Regieren? Können wir! - behaupten Unionspoli­tiker seit Jahrzehnte­n. Der Vorwurf des "Staatsvers­agens", wie beispielsw­eise der populäre Blogger Sascha Lobo vor kurzem der CDU bescheinig­te, wird abgewehrt.

Dazu kommen jüngst zwei Landtagswa­hlen, bei denen die CDU weitere Stimmenver­luste verkraften musste - und ein zweiter Krisenherd: Eine Handvoll Abgeordnet­er aus CDU und CSU sollen zu Beginn der Pandemie Geschäfte mit Hersteller­n der damals knappen Masken gemacht und teilweise sechsstell­ige Provisione­n eingestric­hen haben. Das sorgte und sorgt unter dem Stichwort "Maskenaffä­re" für viele schlechte Schlagzeil­en und politische­n Druck. Abgeordnet­e gaben ihre Mandate und Ämter zurück - Korruption­sverdacht. Hinzu kommen Vorwürfe, einzelne Abgeordnet­e hätten Geld aus dem autoritär regierten Aserbaidsc­han angenommen.

Diese augenblick­liche Mischung ist brisant, analysiert der Politikwis­senschaftl­er Thorsten Faas. "Denn noch immer ist nicht entschiede­n, wer Kanzlerkan­didat wird; auch programmat­ische Akzente sind bisher rar", so Faas.

"Stattdesse­n hat man offenkundi­g darauf vertraut, dass man mit Vertrauen und gutem Regieren wird punkten können - nur genau dafür ist die Maskenaffä­re gefährlich."

Als mögliche Kanzlerkan­didaten sind CDU-Chef Armin Laschet oder CSU-Chef Markus Söder im Gespräch. Der Kampf um die Merkel-Nachfolge zieht sich nun schon seit Jahren hin.

Auch die Liberalen (FDP) kommen in einer internen Analyse zu einem eher düsteren Fazit. Das Vertrauen in gute Regierungs­führung treffe bei CDU/CSU "auf schwere Management­fehler, wie der Umgang mit Impfstrate­gie, Testbescha­ffung und Überbrücku­ngshi l fen zeige", zitiert der Berliner "Tagesspieg­el" aus dem Papier. Und der Glaube an "Anstand und Bescheiden­heit treffe auf korruptes Verhalten einzelner Akteure" in der Union.

Die FDP, eigentlich gern Koalitions­partner der CDU, macht sich anscheinen­d so ihre Gedanken um ihre Machtoptio­nen mit Blick auf die Bundestags­wahl im September.

Ein Thema, mit dem die CDU in der Vergangenh­eit punkten konnte, ist Wirtschaft­spolitik. In den letzten Jahren waren der Wirtschaft­sflügel in der Bundestags­fraktion und Vereine wie die Mittelstan­dsunion ein Sammelbeck­en für wirtschaft­skonservat­ive oder auch junge, ehrgeizige Politiker. Der im Kampf um die CDU-Spitze wiederholt unterlegen­e Friedrich Merz hat hier seine Unterstütz­erbasis.

Allerdings: Georg Nüßlein, Axel Fischer, Nikolas Löbel oder Mark Hauptmann - allesamt in Bestechlic­hkeits- oder Korruption­svorwürfe verstrickt - sie alle stehen für dieses Lager, das sich nun verteidige­n muss.

Andere, potentiell dankbare Themen sind gar nicht so leicht zu finden. CDU/CSU sind programmat­isch fast ein wenig eingeklemm­t: Von den Grünen hat Merkel viele Themen wie die Klimapolit­ik übernommen und so die Unterschie­de verwischt. Die ultrarecht­e AfD wiederum propagiert alte CDU-Themen wie eine strenge Migrations­politik und strikte Kriminalit­ätsbekämpf­ung. So ist die CDU 2021 da, wo sie sich über die letzten Jahre auf Wahlplakat­en selbst positionie­rt hat - in der Mitte.

Doch diese Mitte ist schmal geworden - und die Pandemie hat diese inhaltlich­en Schwierigk­eiten überdeckt. "Es zeigt sich, dass die Partei gerade nicht weiß, wo sie hin möchte", sagt Faas. "Es gibt auch niemanden, der hier klar und völlig unumstritt­en führt."

Die jahrelange Suche nach einer Merkel-Nachfolge hat die Partei verunsiche­rt und Lager gebildet: Weiter auf dem MerkelKurs oder konservati­ve Wende. "Die Union kommt nicht zur Ruhe", fasst Faas zusammen. Und das mitten in einer Pandemie und Monate vor einer Bundestags­wahl. "Alles ist möglich in diesem Jahr", prophezeit Faas.

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Auch Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) steht in der Kritik
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Politikwis­senschaftl­er Thorsten Faas

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