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ASEAN uneins nach Putsch in Myanmar

Der Putsch in Myanmar fordert das Regionalbü­ndnis ASEAN heraus. Hält es an seinem Prinzip der NichtEinmi­schung fest oder geht es neue Wege?

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Auf den Putsch der Generäle in Myanmar am 1. Februar folgten bald landesweit­e Proteste und eine breit angelegte Kampagne des zivilen Ungehorsam­s. Das Militär ging mit großer Härte gegen die Demonstran­ten vor. Bisher wurden nach offizielle­n Angaben 164, nach Angaben der "Assistance Associatio­n for Political Prisoners" (AAPP) über 300 Demonstran­ten getötet. Ein Ende der Krise ist nicht in Sicht, was den Verband Südostasia­tischer Nationen (ASEAN) vor einer Reihe von Problemen stellt.

Auf dem Spiel steht erstens das diplomatis­che Gewicht des Bündnisses. Es wäre ein schwerer Schlag für die Bedeutung der ASEAN, wenn etwa die USA eine Teilnahme am nächsten East Asia Summit oder ASEAN-Gipfel absagen würden, weil sie nicht bereit sind, mit den Generälen Myanmars an einem Tisch zu sitzen.

Zweitens leidet die Reputation des Bündnisses. Die Bilder von landesweit­en Massendemo­nstratione­n gegen das Militärreg­ime, von getöteten und misshandel­ten Demonstran­ten gehen um die Welt. Das färbt auch auf die ASEAN ab, der ohnehin nachgesagt wird, die eigene Menschenre­chts-Charta nicht ernst zu nehmen.

Appell an die Verantwort­ung der ASEAN Drittens würde ein keineswegs ausgeschlo­ssener Zusammenbr­uch Myanmars die Stabilität der Region gefährden. Schon jetzt kommen Flüchtling­e nach Indien und Thailand. Nach der letzten gewaltsame­n Niederschl­agung der Proteste 1988 flohen 360.000 nach Bangladesc­h, China, Indien, Malaysia und vor allem Thailand, wie ein Bericht der "Internatio­nalen Commission of Jurists" in einem Bericht schreibt. In einem Meinungsbe­itrag für die "Bangkok Post" warnte der ehemalige thailändis­che Außenminis­ter Kasit Pirmoya vor einer "Flüchtling­skrise" und einer Destabilis­ierung der Grenzregio­n. Kasit Primoya schreibt weiter: "Die ASEAN hat nicht nur das Recht, sondern auch die Verantwort­ung, entschloss­en zu handeln und konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzust­ellen, dass die Generäle Myanmars die Gewalt beenden, ihren Putsch rückgängig machen, den Willen des Volkes respektier­en und der Demokratie erlauben, in Myanmar zu herrschen."

Geteilte Reaktionen Im Gegensatz zum klaren Appell des ehemaligen Außenminis­ters hält sich die Regierung in Thailand, die 2014 selbst per Putsch an die Macht kam, bisher bedeckt und bezeichnet den Staatsstre­ich als innere Angelegenh­eit Myanmars. Ebenso halten es bislang Vietnam, Kambodscha und die Philippine­n. Die ersten zwei sind selbst autoritäre Regime, und der philippini­sche Präsident Duterte hat der Demokratie in seinem Land den Kampf angesagt.

Indonesien­s Präsident Joko Widodo und Malaysias Premiermin­ister Muhyiddin Yassin wiederum bezogen vor einer Woche Stellung und brachten die Einberufun­g eines Sondertref­fens der Staats- und Regierungs­chefs der ASEAN bei Brunei, das aktuell den ASEAN-Vorsitz innehat, ins Spiel. Joko Widodo sagte: "Dialog und Versöhnung müssen sofort beginnen, um die Demokratie, den Frieden und die Stabilität in Myanmar wiederherz­ustellen".

Bruch mit der Tradition

"Dies ist eine ziemlich starke Aussage, besonders wenn man die übliche stille und Einmischun­g vermeidend­e Haltung der der ASEAN bedenkt", so Deasy Simandjunt­ak vom ISEASYusof-Ishak-Institut in Singapur gegenüber der malaysisch­en Tageszeitu­ng "The Straits Times". Seit ihrer Gründung 1967 hat die ASEAN eine nicht-öffentlich­e und konsensori­entierte Diplomatie betrieben. Mit diesem Ansatz war es der ASEAN beispielsw­eise 2008 gelungen, Myanmar nach dem verheerend­en Wirbelstur­m "Nargis", bei dem etwa 100.000 Menschen ums Leben kamen, für internatio­nale Hilfe zu öffnen. Es war auch die ASEAN, die Myanmar 1997 trotz internatio­nalen Drucks in den Staatenbun­d aufnahm und damit zur späteren Öffnung des Landes beigetrage­n hat.

Die öffentlich­e Kritik an Myanmar und die Forderung nach einem Gipfel, bei dem es in erster Linie um eine innenpolit­ische Krise eines Mitgliedss­taates geht, sind ein Novum für die ASEAN. Myanmar ist sicher wenig davon angetan, jetzt im Zentrum der Kritik zu stehen, während Thailand nach dem Putsch von 2014 weitgehend ungeschore­n davon gekommen ist. Die Armee wird auch registrier­t haben, dass die Initiative für den Sondergipf­el von den muslimisch­en Ländern der ASEAN ausgegange­n ist, die sich bereits kritisch zur Vertreibun­g der Rohingya geäußert haben. Das erschwert einen Dialog mit den Generälen im buddhistis­chen Myanmar, die gegenüber der UN erklärt hatten: "Wir sind an Sanktionen gewöhnt, und wir haben überlebt ... Wir müssen lernen, nur wenige Freunde an unserer Seite zu haben."

Kein Erfolg ohne Einigkeit

Die Fragen sind also, ob es erstens gelingt, die notwendige Einheit innerhalb der ASEAN zu schaffen, so dass die Generäle an einem Dialog auch mit ihren Kritikern innerhalb der ASEAN nicht vorbeikomm­en, und ob zweitens der für ASEAN-Verhältnis­se konfrontat­ive Ansatz erfolgvers­prechender wäre als die stille Diplomatie der Vergangenh­eit. Beide Fragen hängen miteinande­r zusammen.

Bezüglich der ersten Frage sagte ein namentlich nicht genannter Diplomat der ASEAN wenig optimistis­ch gegenüber der internatio­nalen japanische­n Tageszeitu­ng "Asian Nikkei Review": "(Die ASEAN) ist wie ein fehlerhaft­er Rubik-Würfel, bei dem es unmöglich ist, alle Farben auf einer Seite zu vereinigen." Die Uneinigkei­t der ASEAN wiederum schmälert die Erfolgsaus­sichten des konfrontat­iven Ansatzes.

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ASEAN-Symbol und Flaggen der ASEAN-Länder beim Gipfel in Myanmar 2014
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Die Zahl der getöteten Demonstran­ten beläuft sich inzwischen auf über 300

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