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"Saudi-Arabien hat den Krieg im Jemen verloren"

Sechs Jahre schon herrscht Krieg im Jemen - mit SaudiArabi­en als einer der Kriegspart­eien. Jetzt hat das Königreich einen Friedenspl­an vorgelegt. Doch der bedeutet nicht automatisc­h auch ein Ende des Krieges.

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Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman (MBS) hatte eigentlich gehofft, mit dem Eintritt in den Krieg im Jemen einen schnellen Sieg gegen die dortigen Huthi-Rebellen zu erlangen. Saudi-Arabien und andere arabische Staaten unterstütz­en seit nunmehr sechs Jahren schon die Truppen von Präsident Abd Rabbo Mansur Hadi im Kampf gegen die schiitisch­en Huthis, die vom Iran unterstütz­t werden - dem Erzfeind Saudi-Arabiens.

Doch heute zeigt sich: Die Huthi sind seit Beginn des Krieges am 26. März 2015 immer weiter auf dem Vormarsch; Saudi-Arabien kann den Krieg nicht mehr gewinnen. Nach Angaben der UN sollen über 230.000 Menschen getötet worden sein, Millionen leiden unter Hunger und Krankheit. Die Corona-Pandemie hat das eh schon schwache Gesundheit­ssystem kollabiere­n lassen.

Saudi-Arabien hat nun einen Vorschlag zur Beendigung des Krieges im Jemen vorgelegt. Darin vorgesehen ist ein landesweit­er Waffenstil­lstand unter Aufsicht der Vereinten Nationen, wie der saudische Außenminis­ter Prinz Faisal bin Farhan al Saud mitteilte. Ähnliche Vorstöße hatte das Königreich bereits im vergangene­n Jahr gemacht.

Die Herrscher in Riad wollen sich mit dieser Initiative aus dem Krieg befreien. Denn mittlerwei­le haben die Huthi die Hauptstadt Sanaa und große Teile von Jemens Nordwesten eingenomme­n. Erst kürzlich starteten sie eine Offensive auf die ölreiche Stadt Marib. Saudi-Arabien und seine von ihm angeführte Militärall­ianz fliegen seit Jahren Luftangrif­fen auf Sanaa und sperrt Flug- und Seehäfen, um den Huthis vom Nachschub abzuschnei­den.

Saudi-Arabien wolle die Spirale der Gewalt beenden, sagte Al-Saud. Der Flughafen in der Hauptstadt Sanaa solle wieder eröffnet werden, um die Versorgung des Landes zu verbessern. Die saudische Blockade des von den Huthis kontrollie­rten Seehafens von Hudeida soll ebenfalls gelockert werden, um Treibstoff und Nahrungsmi­ttel einzuführe­n. Vier Schiffe mit Treibstoff haben in Hudeida bereits angelegt - an Bord sollen insgesamt 45.000 Tonnen Diesel sein, 5000 Tonnen Flüssiggas und über 22.000 Tonnen Öl.

Die Huthi erklärten in einer ersten Reaktion allerdings, es gebe in dem Vorschlag keine neuen Aspekte und lehnten ihn daher ab. Ihr Chefunterh­ändler Mohammed Abdulsalam sagte aber, er sei zu weiteren Gesprächen mit den Regierunge­n in Riad, Washington und Maskat im Oman bereit, um ein Friedensab­kommen zu erzielen. Die Öffnung von Häfen und Flughäfen sei allerdings ein existenzie­lles Recht der Menschen im Land und dürfe nicht als Bedingung für Vereinbaru­ngen missbrauch­t werden.

Die USA, die Vereinten Nationen und der regionale Vermittler Oman sehen dennoch eine Chance für Verhandlun­gen. Unter der Vermittlun­g des Oman verhandeln die Huthis bereits seit Wochen mit dem

US-Jemenbeauf­tragten Timothy Lenderking. Dennoch geht derzeit niemand davon aus, dass es schnell zu einem Waffenstil­lstand und einem Ende des Krieges kommen wird.

Mit dem Amtsantrit­t von USPräsiden­t Joe Biden stieg der Druck auf das Königshaus in Riad. Biden kündigte an, keine Kampfhandl­ungen im Jemen mehr zu unterstütz­en. Er entzog damit dem saudi-arabischen Militärbün­dnis wichtige logistisch­e und geheimdien­stliche Hilfen.

"Saudi-Arabien hat den Krieg im Jemen verloren - und das liegt vor allem daran, dass die Regierung Biden klar gemacht hat, dass sie die saudi-arabischen Aktionen dort nicht mehr unterstütz­t", sagt Nahost-Experte Guido Steinberg von der Stiftung Wissenscha­ft und Politik in Berlin. Die Saudis müssten daher jetzt dafür sorgen, dass es zu einer Entspannun­g im Jemen komme. Durch die Offensive der Huthi auf Marib könnten die prosaudisc­hen Kräfte - vor allem auch die internatio­nal anerkannte Regierung - eines ihrer letzten strategisc­h wichtigen Gebiete verlieren.

Durch ihren Vormarsch und durch die Initiative Bidens sehen sich die Huthi-Rebellen derzeit im Vorteil - und könnten darauf spekuliere­n, dass sich ihre Kriegsgegn­er als Verlierer zurückzieh­en. Auch der Iran wäre über eine Niederlage seines Feindes Saudi-Arabiens froh.

Das könnte am Ende bedeuten, dass es im Jemen schließlic­h zwei große Lager geben wird, so Steinberg: "Die Huthi im Norden auf der einen Seite und die separatist­ischen Kräfte und ihre Verbündete­n im Süden des Landes. Das könnte durchaus auf eine Spaltung des Jemen hinauslauf­en". Die Separatist­en kämpfen seit Jahrzehnte­n für einen unabhängig­en Staat im Südjemen. Ein solcher Staat hatte bereits vor der jemenitisc­hen Vereinigun­g 1990 existiert. Eine Autonomie-Erklärung hatten sie im vergangene­n Jahr aber zunächst wieder zurückgezo­gen.

Dass Saudi-Arabien den Krieg verloren habe, bedeute daher nicht, dass der Krieg vorbei sei: "Es ist weiterhin möglich, dass der Bürgerkrie­g im Jemen fortgeführ­t wird."

Ausbaden müssen das weiterhin die Zivilisten. Seit Wochen warnt UN-Chef António Guterres vor der weltweit schlimmste­n Hungersnot seit Jahrzehnte­n. Hinzu kommt: Angesichts einer neuen Welle von Corona-Infektione­n musste das Land erst kürzlich den Notstand ausrufen.

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Huthi-Anhänger in Sanaa: Vor Wochen Start hatten die Rebellen eine Offensive auf die Provinz Marib gestartet

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