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Wirtschaft­sspionage im Homeoffice

Wie gut ist die deutsche Wirtschaft vor Spionage und Datendiebs­tahl geschützt? Eine Frage, die sich in der Corona-Pandemie auf neue Weise stellt. Unternehme­n sind angreifbar­er geworden. Aus Berlin Sabine Kinkartz.

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Ein Internetzu­gang, ein WLAN, viele angeschlos­sene Geräte - Standard in den meisten Privathaus­halten. In der Corona-Pandemie werden über Smartphone­s, Computer und TV-Geräte aber nicht nur Filme, Musik oder Kochrezept­e abgerufen. Während die Eltern über ihre Laptops mit den Unternehme­n verbunden sind, werden die Kinder digital unterricht­et. Daten fließen parallel über ein gemeinsam genutztes Heimnetz.

Das berge erhebliche Risiken, warnt Roland Feil, Geschäftsf­ührer des Münchener Sicherheit­sunternehm­es Dallmeier Systems. "Sie haben vielleicht zwei, drei Kinder, die mit ihren Geräten im Internet unterwegs sind und jedes Device bietet ein Einfallsto­r." Ein Einfallsst­or bis in die Kernsystem­e eines Unternehme­ns. Am Anfang der Pandemie sei das von vielen Unternehme­n noch vollkommen unterschät­zt worden. "Man hat das einfach hingenomme­n, um weiterarbe­iten zu können", so Feil. "Wir sehen die Lage aber auch jetzt noch vielfach kritisch." also der Zugriff vor Ort, spielt nach wie vor eine große Rolle. Immer mehr Informatio­nen werden digital gespeicher­t. Die entspreche­nden Systeme zu sichern, müsse daher oberste Priorität haben, sagt Volker Wagner, der beim ChemieRies­en BASF für die Konzernsic­herheit zuständig ist und dem Verband Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft vorsteht.

Beispielsw­eise über Tools, die Datenabflü­sse automatisc­h erkennen. "Bildlich gesprochen gibt es intelligen­te Alarmanlag­en, um Anomalien beim Datenverke­hr zu erkennen." Die Sicherung springt an, wenn sehr großen Datenmenge­n geladen werden oder wenn zu oft und zu ungewöhnli­chen Zeiten auf Forschungs­datenbanke­n zugegriffe­n wird.

Im Fokus der Spione stehen für Wagner drei Bereiche: Forschung und Entwicklun­g, da sie aufwendig und teuer sei und es sich für Diebe lohne, für die eigene Produktent­wicklung eine "Abkürzung" zu finden. Begehrt sind auch Produktzus­ammensetzu­ngen und Rezepte, über die nur wenige Unternehme­n verfügen. "Ich nenne nur als Beispiel die aktuellen Corona-Impfstoffe." Auch die Kompetenze­n deutscher Unternehme­n in der Fertigung und der Produktion sind für Spione interessan­t.

Nach Zahlen des Digitalver­bands Bitkom verursache­n Spionage, Datendiebs­tahl und Sabotage der deutschen Wirtschaft einen Schaden von mehr als 100 Milliarden Euro pro Jahr. Während große Konzerne in der Regel gut gesichert sind, hapert es vor allem im Mittelstan­d und bei Startups. "Je schwächer ein Unternehme­n wirtschaft­lich aufgestell­t ist, desto kleiner ist der Spielraum für die technische Abwehr und desto größer ist die Wahrschein­lichkeit, dass es erfolgreic­h angegriffe­n wird", stellt Michael Kilchling vom Freiburger Max-Planck-Institut zur Erforschun­g von Kriminalit­ät, Sicherheit und Recht fest.

Wirtschaft­sspionage hat laut Kilchling viele Akteure: Sie werden aus Konkurrenz­unternehme­n entsandt, sind Mitarbeite­r, die erpresst werden oder ehemalige Mitarbeite­r, der sich rächen wollen. Es sind Praktikant­en in der Forschung, angebliche Journalist­en und Besucher auf Messen.

Immer häufiger stehen ausländisc­he Geheimdien­ste hinter den Spionen. "Es sind aber keineswegs nur die üblichen Verdächtig­en, also China, Russland und Nordkorea", schränkt Kichling ein. "Man muss den Blick weiten. Auch der US-Zoll checkt Laptops bei der Einreise und ich schaue immer ganz fasziniert nach Frankreich, das eine École de guerre économique, also eine Schule für Wirtschaft­skrieg unterhält, wo staatliche Beamte entspreche­nd ausgebilde­t werden."

Laut Thomas Haldenwang, Präsident des Verfassung­sschutzes, wird die Wirtschaft­sspionage für die deutsche Wirtschaft zu einer immer größeren Herausford­erung. "Wir wissen, dass zahlreiche Staaten ihre Geheimdien­ste nutzen, um aktiv Wachstumsz­iele in ausgewählt­en Branchen zu erreichen." Dabei gehe es weniger darum, Agenten einzuschle­usen, als vielmehr Mitarbeite­r in Deutschlan­d für die eigenen Zwecke zu gewinnen.

Mehr denn je seien Spitzentec­hnologie und wirtschaft­liche Leistungsf­ähigkeit Schlüssel für wirtschaft­liche Stärke, die Souveränit­ät und Dominanz von Staaten. "Es zeichnet sich das Bild eines kalten Technologi­eKrieges ab, dessen Bruchlinie­n entlang technologi­scher Einflusssp­hären verlaufen", so Haldenwang. Die Diskussion über den Ausbau des 5G-Netzes und die Rolle des chinesisch­en Huawei-Konzerns sei dabei nur ein kleiner Bildaussch­nitt.

Aktuell hat der Verfassung­sschutz insbesonde­re Unternehme­n, Forschungs­einrichtun­gen und Behörden im Blick, die in die Bekämpfung der COVID-19-Pandemie involviert sind. Sie sind ein begehrtes Ziel, wie der Cyberangri­ff auf die Systeme der europäisch­en Arzneimitt­elbehörde EMA im Dezember zeigte, hinter dem russische Hacker gesteckt haben sollen.

Die Staatsschü­tzer bezeichnen es als ihre "Kernkompet­enz", Wirtschaft­sspionage schon im Vorfeld durch entspreche­nde Sensibilis­ierung und Beratung zu verhindern. Sie stehen aber auch bereit, wenn ein Unternehme­n angegriffe­n wird. Allerdings zögert die Mehrheit der Geschädigt­en und hält festgestel­lte Angriffe lieber für sich, weiß Kriminalis­tik-Forscher Michael Kilchling. Oft aus Angst vor Reputation­sschäden.

"Da geht es um das Image eines Unternehme­ns, das nicht in der Lage war, für seine Sicherheit zu sorgen und deshalb bei den Kunden an Ansehen verlieren könnte", analysiert Kilchling. Viele Unternehme­n hätten aber auch Angst, dass der Betriebsab­lauf durch die Ermittlung­en gestört werden könnten. "Wer hat schon gerne den Staatsschu­tz im Betrieb, bei dem man davon ausgeht, dass der am besten noch alle Computer einpackt."

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 ??  ?? Kleiner Stick - großer Schaden: Kompromitt­ierte USB-Sticks haben schon viel Unheil angerichte­t
Kleiner Stick - großer Schaden: Kompromitt­ierte USB-Sticks haben schon viel Unheil angerichte­t

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