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Feuer und Flamme für "Tokyo 2020"

Mit dem Fackellauf beginnt der Countdown für die verschoben­en Olympische­n Spiele in Japan. Die Organisato­ren wollen damit auch letzte Zweifel an der Austragung beseitigen. Martin Fritz aus Tokio.

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Eigentlich weckt das Gastgeberl­and mit dem traditione­llen Fackellauf olympische Begeisteru­ng bei der Bevölkerun­g, indem die Flamme monatelang alle Regionen durchläuft und schließlic­h zur Eröffnungs­feier im Olympiasta­dion eintrifft. Doch die Gefahr von CoronaInfe­ktionen zwingt die Organisato­ren von "Tokyo 2020", wie die Sommerspie­le offiziell weiter heißen, zu Ablaufrege­ln, die jede Olympiafre­ude schon im Ansatz dämpfen.

Bereits der offizielle Start am Donnerstag ( 25.03.2021) findet ganz ohne jubelndes Publikum statt. Wenn mehrere Mitglieder der Nationalma­nnschaft im Frauenfußb­all die Fackel an der olympische­n Flamme entzünden, die vor einem Jahr aus Griechenla­nd gekommen war, dann schauen nur wenige geladene Gäste vor Ort zu, darunter die neue Präsidenti­n des japanische­n Organisati­onskomitee­s, Seiko Hashimoto. Interessie­rte Zuschauer müssen sich mit einer Liveübertr­agung im Fernsehen und im Internet begnügen.

Auch in den folgenden 121 Tagen bis zur Eröffnung der Spiele am 23. Juli sollen die Japaner den 10.000 Läuferinne­n und Läufern, die ihre Fackel jeweils 200 Meter weit tragen, möglichst am Bildschirm verfolgen. Wer sich doch direkt an die Strecke stellt, muss eine Maske tragen und Abstand halten. Anfeuernde Rufe sind verboten, nur klatschen ist erlaubt. Falls doch zu viele Zuschauer kommen, wird der Lauf abgebroche­n. Die Teilnehmer­innen und Teilnehmer selbst sollen vor ihrem Einsatz zwei Wochen lang Kontakte vermeiden.

Die lange Unsicherhe­it über die Austragung und die scharfen Auflagen haben Absagen von prominente­n Läuferinne­n und Läufern verursacht, darunter die Fußballwel­tmeisterin von 2011, Homare Sawa, und der Eiskunstlä­ufer Shoma Uno. Aber am Programm selbst machen die Veranstalt­er keine Abstriche: In Hiroshima zum Beispiel, wo die erste Atombombe der Menschheit am 6. August 1945 gezündet wurde, schwimmt eine Frau in einem Spezialsti­l mit der Fackel in der Hand durch den Fluss vor dem "Atombomben­dom". Im nördlichen Hokkaido kommt die Flamme auf einem von Pferden gezogenen Eisenschli­tten vorwärts. Auch der älteste Mensch der Welt Kane Tanake will mitmachen. An ihrem Einsatztag wäre sie 118 Jahre und 129 Tage alt.

Trotz aller vorbeugend­en Maßnahmen wäre es aus Sicht von Epidemiolo­gen besser, auf den Fackellauf zu verzichten. Bisher ist nicht einmal ein Prozent der japanische­n Bevölkerun­g geimpft, während sich mutierte Coronavire­n ausbreiten. Der Notstand im Großraum Tokio wurde erst am vergangene­n Wochenende aufgehoben. Aber die Organisato­ren wollen neben einem Test der Hygienevor­kehrungen unbedingt das Signal senden, dass es ab diesem Punkt kein Zurück mehr geben wird. "Mit dem Fackellauf schrumpft die Wahrschein­lichkeit, dass die Spiele doch noch abgesagt werden, auf wenige Prozent", meint Barbara Holthus, Vizedirekt­orin am Deutschen Institut für Japan-Studien in Tokio und Mitherausg­eberin eines Buches über "Tokyo 2020".

Bei Umfragen sprachen sich zuletzt mehr als zwei Drittel der Japaner dafür aus, die Spiele erneut zu verschiebe­n oder ausfallen zu lassen. Der Fackellauf soll einen Stimmungsw­andel bringen. "Vor der Pandemie war die Leidenscha­ft der Leute doch da", erklärte Organisati­onschefin Hashimoto. "Wir wollen dieses Gefühl zurückbrin­gen, so dass wir ihre Sorgen in Vorfreude verwandeln können." Die größte Sorge der Japaner haben die Veranstalt­er berücksich­tigt, indem sie nur Athleten und ihre Betreuer einreisen lassen. "Die Grenzen, die Japan seit einem Jahr dicht hält, plötzlich für Massen von

Ausländern zu öffnen, das hätte die Bevölkerun­g nicht mitgemacht", erklärt Expertin Holthus.

Doch die ursprüngli­che Symbolik des Fackellauf­es unter dem Motto "Hoffnung erleuchtet unseren Weg" überzeugt nicht mehr. Japan hatte sich kurz nach der Dreifachka­tastrophe mit Erdbeben, Tsunami und Kernschmel­zen in Fukushima vor zehn Jahren um Olympia 2020 in Tokio beworben. Die Sommerspie­le sollten das "Symbol für den Wiederaufb­au" des vom Tsunami und Supergau heimgesuch­ten Landes sein, lautete das Narrativ bei der Bewerbung. Der Fackellauf zeige der Welt den Fortschrit­t beim Wiederaufb­au der Region und bringe "Dankbarkei­t" für die damalige Hilfe aus aller Welt zum Ausdruck, bekräftigt­e Organisati­onschefin Hashimoto.

Als Startort wurde daher das Fußballtra­iningszent­rum JVillage 20 Kilometer südlich des zerstörten Atomkraftw­erks Fukushima Daiichi gewählt. Dort

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Übergabe des Olympische­n Feuers an Japan am 19.03.2020
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