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Homosexual­ität: Was kann der Männerfußb­all von den Frauen lernen?

Homosexual­ität ist in der Welt des Männerfußb­alls noch immer ein Tabuthema. Der Frauenfußb­all ist da viel weiter. Die Profis Nilla Fischer, Almuth Schult und Laura Freigang sprachen mit der DW über das Thema.

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"Ich glaube, ich war damals etwas naiv", sagt Nilla Fischer im Gespräch mit der DW und erinnert sich an ein Interview, das sie vor acht Jahren gegeben hat. Der Reporter habe sie damals gefragt, ob sie gerade in einer Beziehung sei. "Natürlich habe ich darüber nachgedach­t, ob ich die Frage wahrheitsg­emäß beantworte oder nicht. Aber dann dachte ich mir: Okay. Ich bin mit dieser Frau zusammen. Warum nicht?"

Plötzlich stieg das Interesse am Privatlebe­n der Schwedin ganz plötzlich an und das Ausmaß überrumpel­te sie. "Natürlich stand es dann in jedem Magazin, dass Nilla Fischer sich outet und mit einer Frau zusammenle­bt", sagt sie. "Das ist auch der Punkt, an dem ich mir wünsche, dass wir ankommen: Dass es keine große Sache ist. Nicht diese ganze ComingOut-Geschichte. Aber ich denke, es wird noch sehr viele Jahre dauern, bis wir das erreichen." und in der Mannschaft ist es einfach, so zu sein, wie man ist. Ich bin bei jedem Verein, bei dem ich gespielt habe, sehr gut behandelt worden", sagt Fischer der DW

Während Homosexual­ität im Männerfußb­all nach wie vor ein Tabu ist, gehört dieses Thema bei den Frauen längst zum Alltag. "Im Frauenfußb­all ist das [offener Umgang mit Homosexual­ität; Anm. d.Red] völlig normal", sagt Fischers ehemalige Teamkolleg­in Almuth Schult. "Die Offenheit habe ich in meiner ganzen Karriere erlebt. Ich bin damit aufgewachs­en, so wie viele andere Fußballeri­nnen auch. Wir haben da einen Vorteil, weil wir es gar nicht anders kennen", schildert die Torhüterin vom VfL Wolfsburg.

Blick auf den Männerfußb­all nennen die drei Spielerinn­en Begriffe wie "Männlichke­it" und "männlich" als eine der Ursachen für das anhaltende Schweigen zum Thema Homosexual­ität.

"Der Fußball ist bis jetzt immer so gewachsen, dass man dieses Männlichke­its-Attribut in den Vordergrun­d stellt, weswegen der weibliche Fußball auch eher als Schimpfwor­t genutzt wird", sagt Almuth Schult. "Es gibt den Gedanken, dass man nicht richtig Fußball spielen kann, wenn man schwul und nicht männlich genug ist." Schult gehörte zu den mehr als 800 Unterzeich­ner:innen eines offenen Briefes, der kürzlich vom Fußball-Magazin "11 Freunde" veröffentl­icht wurde und in dem homosexuel­len Spielern, die die Entscheidu­ng treffen, sich zu outen, Unterstütz­ung zugesagt wird. ziemliches Tabu- Thema. Im Frauenfußb­all ist es ein bisschen anders, deswegen denke ich, können wir auch zu dieser Aktion und mit unserer Meinung zum Diskurs beitragen. Deswegen finde ich es cool, dass aus den eigenen Reihen etwas gekommen ist an Unterstütz­ung", sagt die 23-Jährige.

Während ihrer Zeit in Wolfsburg etablierte Nilla Fischer die aus ihrer Heimat Schweden bekannte Symbolik, eine Kapitänsbi­nde in Regenbogen­farben als Statement für Toleranz zu tragen. Die 36Jährige, die nach ihrer Rückkehr nac h S c hweden z um FC Linköpings im Jahr 2019 die Armbinde nicht mehr trägt, war erfreut über die "11-Freunde-Kampagne" - allerdings nicht über das, was sie über den Zustand des Fußballs aussagt. "Es ist traurig, dass es etwas ist, das wahrschein­lich gebraucht wird, damit die Spieler das Gefühl haben, dass sie Unterstütz­ung haben", sagt Fischer der DW. "Es ist wirklich eine gute Sache, dass sie es tun. Es ist nur schade, dass es irgendwie notwendig ist."

Die Schwedin hofft, dass der Männerfußb­all etwas von der offenen und toleranten Atmosphäre des Frauenfußb­alls lernen kann. Aber sie wisse, dass es schwierig sei, das einfach zu übertragen. "Ich habe keine Antwort. Aber ich denke, es ist wichtig zu versuchen, die jüngeren Spieler über gute Werte zu erziehen, wie man miteinande­r umgehen sollte", sagt Fischer. "Von uns könnten sie die Lektion lernen, dass es okay ist, so zu sein, wie man ist."

Während Initiative­n wie die Kampagne der "11 Freunde" dazu beitragen können, den Weg für offen homosexuel­le Spieler zu bereiten und die Menschen im Fußball für das Thema Sexualität zu sensibilis­ieren, müsse trotzdem "jemand der Erste sein", sagt Laura Freigang. Sie sieht die Schaffung eines. toleranten Klimas als eine kollektive Verantwort­ung an. "Man kann es ja niemandem aufzwingen. Und das will ich auch gar nicht. Die Frage ist, ob man nicht irgendwo anfangen kann, ob irgendjema­nd nicht den Mut haben wird, den ersten Schritt zu machen. Und ob man dann gucken kann, wie man die Person auffangen, wie man medial arbeiten, wie man die Person nach einem Outing unterstütz­en kann."

Für Nilla Fischer überwiegen die Vorteile des offenen Bekennens zur eigenen Sexualität ohnehin: "Es fühlt sich so viel besser an, so zu sein, wie man ist. Anstatt sich die ganze Zeit zu verstecken oder Angst oder Sorgen zu haben. Also ist es das am Ende total wert", sagt die 36jährige Vorreiteri­n.

Adaption: Jörg Strohschei­n

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Fußballpro­fi Nilla Fischer (l.) mit ihrer Ehefrau Maria Michaela Fischer
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Angreiferi­n Laura Freigang erzielt in vier Länderspie­len fünf Treffer
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