Deutsche Welle (German edition)
Bundeswehr: Das KSK kommt nicht zur Ruhe
Seit Monaten ist das Kommando Spezialkräfte (KSK) wegen rechtsextremer Umtriebe in den Schlagzeilen. Die DW blickt zurück auf die Geschichte der geheimen Elite-Truppe, die nicht zum ersten Mal negativ auffällt.
Es waren belgische - nicht deutsche - Elitesoldaten, die Mitarbeiter der Deutschen Welle (DW) im April 1994 in Ruanda, inmitten des Völkermords an der Tutsi-Minderheit im Osten Afrikas, aus größter Not befreiten. Journalisten der DW saßen in der ruandischen Hauptstadt Kigali fest – bis belgische Fallschirmjäger zu ihnen vorstießen und sie sicher außer Landes brachten.
Diese Amtshilfe des viel kleineren Nachbarlandes blieb nicht ohne Folgen für die deutsche Bundeswehr, die 1994 noch keine Spezialkräfte hatte. Für den damaligen Verteidigungsminister Volker Rühe war klar: Auch die Bundeswehr braucht eine Eliteeinheit. Ein Land mit rund 80 Millionen Einwohnern müsse in der Lage sein, in Not geratene Staatsbürger im Ausland zu retten. griffen zu. Bereits am selben Abend war Krnojelac nach Den Haag überstellt. Es ist der erste bekannte Einsatz der Eliteeinheit und einer der wenigen, die öffentlich bestätigt sind.
Öffentlich bekannt ist auch die Entsendung von deutschen Kommandosoldaten nach Afghanistan nach den Terroranschlägen in den USA am 11. September 2001. Bisher musste die Elitetruppe allerdings noch nie dafür ausrücken, wofür sie eigentlich ausgebildet wurde: deutsche Geiseln im Ausland zu befreien.
Bereits 2003 kam es zum ersten größeren Skandal beim KSK: Der Kommandeur der Einheit, Reinhard Günzel, lobte eine Rede des CDU-Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann zum Nationalfeiertag am 3.Oktober. Darin versuchte Hohmann die Verbrechen des Nationalsozialismus mit angeblichen von Juden begangenen Taten während der Revolution in Russland auf eine Stufe zu stellen.
Nachdem Günzel dem Redner in einem Brief gratuliert hatte, versetzte Verteidigungsminister Peter Struck den Kommandeur in den Ruhestand. Struck erhielt daraufhin Morddrohungen, die er öffentlich machte.
In den folgenden Jahren häuften sich rechtsextreme Vorfälle. 2007bedrohte der KSK-Hauptmann Daniel K. einen Oberstleutnant der Bundeswehr. Der hatte öffentlich den Bundeswehreinsatz gegen Jugoslawien 1999 als völkerrechtswidrige Aggression bezeichnet und den Einsatz in Afghanistan als nicht vom Völkerrecht gedeckten "Friedensverrat" kritisiert.
In einer privaten E- Mail schrieb Daniel K. unter anderem: "Ich beurteile Sie als Feind im Inneren und werde mein Handeln daran ausrichten, diesen Feind im Schwerpunkt zu zerschlagen." Daniel K. erhielt von seinem Vorgesetzten damals nur einen milden Verweis. In den Folgejahren stieg er beim KSK auf. Erst zwölf Jahre später wurde er wegen Verbindungen zur rechtsextremen "Identitären Bewegung" entlassen.
Ein weiterer Kommandosoldat flog 2015 im Zuge der Ermittlung gegen einen anderen, rechtsextremen Bundeswehrsoldaten auf. André S. hatte unter dem Decknamen "Hannibal" begonnen, ein dichtes Netz aus Chatgruppen aufzubauen. Die Mitglieder tauschten sich über die deutsche Flüchtlingspolitik und einen angeblich drohenden Bürgerkrieg aus.
2017 fanden Ermittler in André S. Wohnhaus Munition, Nebel- und Signalgranaten sowie eine Kiste mit Zündern für Handgranaten. S. wurde später lediglich zu einer Geldstrafe wegen Verstoßes gegen das Waffen- und das Sprengstoffgesetz verurteilt und aus der Bundeswehr entlassen.
"Diese Vorfälle verweisen auf ein systemisches Problem", sagt der Autor Dirk Laabs, der für sein Buch "Staatsfeinde in Uniform" zwei Jahre zu Rechtsextremisten in Bundeswehr und Polizei recherchiert hat, auch im
KSK.
Laabs diagnostiziert ein falsches Eliteverständnis, kombiniert mit einer extrem hohen Arbeitsbelastung und Frust über mangelnde Anerkennung in Politik und Gesellschaft. All das hätte zu einer toxischen Stimmung geführt und dazu, "dass hier quasi eine Einheit entsteht, die glaubt, dass sie niemandem Rechenschaft schuldig ist." Zudem gebe es in der Führungsschicht Probleme – bei rechtsextremen Vorfällen würde systematisch weggeschaut. Im Ergebnis würden Soldaten, die sich wehren wollen, den Mund halten.
Als "Schattenarmee innerhalb der Bundeswehr" könne man das KSK nicht bezeichnen, meint Laabs. "Aber wir haben eine Menge labiler, fehlgeleiteter, schlecht geführter, junger, rechtsextremistischer Kommandosoldaten, die vor den Trümmern ihrer Existenz stehen, die man jetzt im Griff behalten muss" - denn in jedem Fall steht das KSK vor großen Veränderungen.
Ein Problem sei auch die mangelnde Rotation von Personal, meint Hans-Peter Bartels. Der Verteidigungspolitiker saß ab 1998 im Bundestag und war von 2015 bis 2020 parlamentarischer Wehrbeauftragter und damit Ansprechpartner für die Soldaten der Bundeswehr.
"Die Stehzeiten beim KSK sind unmöglich. Da sind Leute dabei, die haben das Kommando praktisch mitgegründet. Die kennen gar keine andere Bundeswehr mehr", sagt er. Zudem kämen die Kommandosoldaten in letzter Zeit "einfach nicht mehr zum Zug", denn aus Afghanistan werden die KSK-Soldaten Schritt für Schritt abgezogen und der worst case- Geiselbefreiungen deutscher Staatsbürger im Ausland - ist bisher, wie bereits erwähnt, nicht eingetroffen.
Ein Vorfall im April 2017 führte schlussendlich zur Auflösung einer ganzen KSK-Kompanie: Bei einer Abschiedsfeier für den Chef der 2. Kompanie soll Rechtsrock gespielt und der Hitlergruß gezeigt worden sein. ExKompaniechef Pascal D. wurde später zu einer Geldstrafe wegen des "Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen" verurteilt, weil er den Kampfspruch serbischer Extremisten als Tattoo trägt. Nach dem Vorfall wurde er aus dem KSK entlassen.
Aufgrund der Feier geriet ein weiterer KSK-Soldat ins Visier des Nachrichtendienstes der Bundeswehr: Philipp S. Im Februar 2020 fanden Ermittler bei einer Razzia auf seinem Grundstück zwei Kilogramm Plastiksprengstoff, Waffen, Munition, Übungsgranaten und Nazi-Devotionalien. S. wurde zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt, wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz. Er musste die Bundeswehr verlassen.
Die Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer wertete den Fund als "neue Dimension" des Rechtsextremismus. Wenige Wochen später, im Juli 2020, stellte sie Reformen für das KSK vor. Die Truppe erhielt "Zeit, den Reset-Knopf zu drücken" - die erwähnte 2. Kompanie wurde ersatzlos aufgelöst und die Soldaten entweder in andere Bereiche des KSK oder zu anderen Truppenteilen versetzt.
Die negativen Schlagzeilen hätten dem KSK zugesetzt, erinnert sich Hans-Peter Bartels. Die meisten KSK-Soldaten seien wahrlich keine Anti-Demokraten, meint der ehemalige Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages. Und "wenn man mal mit ihnen in der Gesprächsrunde zusammensitzt, kommt schon eine gewisse Verbitterung darüber zum Aus