Deutsche Welle (German edition)
Dänemark: Wir haben einen Öffnungsplan!
In vielen europäischen Ländern steigen die Infektionszahlen wieder deutlich an. Trotzdem gibt es mancherorts umfassende Öffnungsstrategien - zum Beispiel in Dänemark. Kann das gut gehen?
Einen ausgeklügelten Langzeitplan - vor allem mit Blick auf Lockerungen der geltenden Coro n a - M a ß n a h m e n : D a v o n können die Deutschen im Moment nur träumen. Stattdessen: Stundenlange BundLänder-Beratungen mit nicht durchdachten Ergebnissen, die kurze Zeit später wieder rückgängig gemacht werden müssen. Eine bundesweite Perspektive? Fehlanzeige. Stattdessen: Einzelne Bundesländer, Städte oder Kommunen, die modellhaft Lockerungen ausprobieren wollen - trotz steigender
Inzidenzwerte.
Anders sieht das im Nachbarland Dänemark aus. Hier hat sich die sozialdemokratische Regierung unter Ministerpräsidentin Mette Frederiksen mit fast allen übrigen Parlamentsparteien auf einen langfristigen Plan zur schrittweisen Abkehr von den Corona-Beschränkungen geeinigt. In den kommenden Wochen sollen nach und nach immer mehr Bereiche geöffnet werden.
Nach Ostern dürfen Friseure und ähnliche Dienstleister landesweit wieder öffnen. Grundschulklassen durften den Präsenzunterricht schon länger wieder aufnehmen, Schritt für Schritt sollen nun auch die höheren Klassen zum Wechselunterricht in die Schulen zurückkehren. Und dann soll es alle 14
Tage neue Lockerungen geben: Die Außenbereiche von Restaurants und Cafés sollen ebenso wie Museen und Büchereien ab dem 21. April öffnen dürfen. Ab dem 6. Mai wären dann die Innenbereiche von Lokalen sowie Theater und Kinos an der Reihe.
Was die Rahmenvereinbarung außerdem vorsieht:
Sobald alle Menschen über 50 Jahren die Möglichkeit hatten, sich impfen zu lassen, soll das öffentliche Leben mit einigen Ausnahmen weitgehend beschränkungsfrei sein. Wenn der Impfplan der Regierung aufgeht, könnte das Ende Mai der Fall sein. Eine weitgehende Rückkehr zur Normalität in gut zwei Monaten also - wird Dänemark damit bald zum Vorbild in Europa?
Kritik an den dänischen Öffnungsplänen kommt unter anderem vom deutschen SPDGesundheitspolitiker Karl Lauterbach, der dafür bekannt ist, frühzeitige Lockerungen abzulehnen. Auf Twitter wirft er der Regierung in Kopenhagen vor, einen "spektakulären Fehler" zu begehen und eine "Durchseuchung" zuzulassen, wenn das Land seine CoronaBeschränkungen fallen lasse, nur weil alle Über-50-Jährigen geimpft seien. Gerade auch mit Blick auf die Jüngeren habe das "fatale" Folgen. Deren Risiko für einen schweren Verlauf ist zwar deutlich niedriger als bei älteren Menschen - doch auch sie sind nicht vor Langzeitfolgen durch eine Coronaerkrankung gefeit. des Gesundheitssystems praktisch ausschließen, glaubt der Forscher. Selbst wenn es in der Folge mehr Ausbrüche bei Jüngeren geben sollte. "Deshalb muss die Öffnung sehr maßvoll passieren."
Auch Viggo Andreasen glaubt: "Die Regierung geht ein Risiko ein, aber kein wahnsinniges Risiko." Und er sieht Dänemark dank seiner umfassenden Teststrategie auch hier im Vorteil. "Weil wir eine so hohe Testintensität haben, erwarten wir, steigende Zahlen und Ausbrüche innerhalb von zwei Wochen ausfindig machen zu können." Ein konsequentes Vorgehen bei kleineren Ausbrüchen in Kombination mit einer an Fahrt aufnehmenden Impfkampagne und saisonalen Effekten durch wärmeres Wetter könne dazu beitragen, mögliche Anstiege frühzeitig zu stoppen.
Doch Jens Lundgren mahnt trotz allem zu Bescheidenheit: "Niemand kann behaupten, dass er die richtige Strategie hat. Ich denke, wir versuchen alle, das Beste zu tun, um die sozialen Auswirkungen dieser Pandemie zu verringern."