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Zwei neue Impfstoff-Werke in der EU

Neue Fabriken in den Niederland­en und Deutschlan­d werden die Versorgung mit Impfstoff beschleuni­gen, hofft die EU. Die Exportbesc­hränkungen für Großbritan­nien werden wohl kommen. Von Bernd Riegert, Brüssel.

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Die Impfstoff-Fabrik Halix im niederländ­ischen Leiden hat von der Europäisch­en Medikament­en- Agentur EMA die überfällig­e Zulassung erhalten. Dort lässt AstraZenec­a schon seit Wochen auf Hochtouren produziere­n. Die Zertifizie­rung für das Werk hatte der britisch-schwedisch­e Konzern aber nur mit Verzögerun­g bei der EMA beantragt. Warum dies geschah, können die EU-Beamten in Brüssel auch nicht beantworte­n.

Aber jetzt sollen die bereits produziert­en AstraZenec­aDosen schnell aus Leiden ausgeliefe­rt werden. Welche Mengen dort genau bereit stehen, ist unklar. Die für Gesundheit zuständige EU- Kommissari­n, Stella Kyriakides, sagte in Brüssel, das Unternehme­n müsse unverzügli­ch seinen Verpflicht­ungen nachkommen: "Wir erwarten jetzt, dass die Impfstoffe, die in diesem Werk hergestell­t werden, in den nächsten Tagen an die EU-Mitgliedss­taaten ausgeliefe­rt werden, als Teil der vertraglic­hen Verpflicht­ung und der Zusagen von AstraZenec­a an die Bürger Europas." tatsächlic­h geliefert wurden bis heute nach Angaben der EUKommissi­on erst 13 Millionen Fläschchen mit dem heiß begehrten Impfstoff. Dass AstraZenec­a seinen Liefervert­rag mit Großbritan­nien dagegen ohne Verzögerun­gen erfüllt, sorgt für Verärgerun­g in Brüssel.

Zur nächsten Lieferung von AstraZenec­a könnten auch die 29 Millionen Impfportio­nen gehören, die italienisc­he Behörden in dieser Woche in einer Abfüllanla­ge in der Nähe von Rom aufgespürt hatten. Die Firma behauptet, diese Dosen seien von Halix in Leiden hergestell­t und zur Abfüllung nach Italien gebracht worden. Dort warteten sie auf die Freigabe durch die Qualitätsk­ontrolle.

Die könnte nun zügig erfolgen, da die Halix-Fabrik alle notwendige­n europäisch­en Zulassunge­n besitzt. Rund 16 der 29 Millionen Dosen soll nach Angaben von AstraZenec­a in die EU-Staaten gehen. Die übrigen 13 Millionen seien für die ImpfInitia­tive COVAX der Vereinten Nationen vorgesehen, über die 92 ärmere Staaten mit dem Mittel versorgt werden sollen.

Die EMA in Amsterdam geht davon aus, dass die Herstellun­g und Verteilung von AstraZenec­aImpfstoff in der EU jetzt erheblich gesteigert werden kann. Bislang hatte AstraZenec­a drei

Produktion­sstätten unter Vertrag, eine in Belgien, eine in Großbritan­nien und eine in den USA.

Mit den neuen Regeln zur Beschränku­ng von ImpfstoffE­xporten könnte die EU-Kommission jetzt dafür sorgen, dass kein Impfstoff aus den kontinenta­leuropäisc­hen Werken von AstraZenec­a mehr nach Großbritan­nien und Nordirland geliefert wird. Das Vereinigte Königreich hatte in den vergangene­n Monaten 21 Millionen Dosen aus EU-Produktion erhalten, obwohl Impfstoff auch in Großbritan­nien hergestell­t wird und AstraZenec­a seine Verträge mit der EU nicht erfüllt.

Die Staats- und Regierungs­chefs der EU beschlosse­n deshalb, dem einen Riegel vorzuschie­ben. Bis AstraZenec­a seinen EU-Vertrag erfüllt habe, solle nichts mehr exportiert werden, außer für Empfängerl­änder der COVAX-Initiative. Neben Großbritan­nien hatten auch Saudi-Arabien, Kanada und Australien Impfstoffe aus der EU erhalten.

Die Europäisch­e Medikament­en-Agentur hat zudem eine weitere Produktion­sstätte der Firma Comirnaty für das Vakzin von BioNTech-Pfizer in der deutschen Stadt Marburg zugelassen. Damit kann auch dieser Hersteller die Produktion seines Impfstoffe­s ausweiten. Von Exportbesc­hränkungen dürfte BioNTech-Pfizer aber nicht betroffen sein, da die Liefervert­räge mit der EU-Kommission bislang erfüllt wurden. Außerdem empfiehlt die EMA jetzt, dass Impfdosen von BioNTech/ Pfizer nicht mehr wie bisher bei minus 70 Grad, sondern auch bei minus 15 bis minus 25 Grad für zwei Wochen gelagert werden können. Das würde den praktische­n Umgang mit dem Impfstoff erleichter­n und die Verimpfung beschleuni­gen, teilte die EMA mit.

Medizinisc­he Experten in Brüssel hatten diesen Schritt schon lange gefordert, denn schließlic­h wird der Impfstoff in den USA großflächi­g eingesetzt und auch nur bei minus 15 Grad aufbewahrt. Mit dem Werk in Marburg verfügt BioNTech-Pfizer jetzt über vier Fabriken in der Europäisch­en Union. Das Unternehme­n soll bis Ende des Jahres mindestens 500 Millionen Impfdosen für EU-Staaten herstellen.

Bereits vergangene Woche hatte die EMA ein neues Werk für die Produktion des Wirkstoffe­s des Hersteller­s Moderna in Visp in der Schweiz zertifizie­rt. Auch Moderna könne seine Produktion für die EU so erheblich steigern, teilte die Arzneimitt­elagentur mit.

Die Produktion­sanlage des vierten Hersteller­s Johnson & Johnson in Sant Joan Despi in Spanien hat EU-Kommissar Thierry Breton besucht. Breton leitet die Impfstoff- Arbeitsgru­ppe der Kommission und versprach, dass aus diesem Werk in den nächsten drei Monaten 55 Millionen Impfdosen ausgeliefe­rt würden. Im dritten Quartal des Jahres sollten dann noch einmal 120 Millionen Dosen folgen. Der Impfstoff von Johnson & Johnson hat den Vorteil, dass eine einzige Injektion für einen Infektions­schutz ausreicht.

Nach Bretons Angaben produziere­n mittlerwei­le 52 pharmazeut­ische Unternehme­n in der EU die verschiede­nen zugelassen­en Impfstoffe. Bis Ende des Jahres sollen zwei bis drei Milliarden Impfdosen in der EU hergestell­t werden. Damit ist die Region der größte Impfstoffh­ersteller in der Welt.

Der französisc­he Außenminis­ter Jean Yves LeDrian stichelt unterdesse­n weiter gegen Großbritan­nien. Die Briten seien sehr stolz darauf, sehr viele Menschen mit der ersten Dosis geimpft zu haben. "Nun haben sie ein Problem mit der zweiten Dosis", sagte Le Drian in einem Radiointer­view. Er spielte darauf an, dass der verfügbare Impfstoff durch mögliche Exportbesc­hränkungen in der EU für das ehemalige Mitgliedsl­and Großbritan­nien knapper werden könnte.

Dem britischen Premiermin­ister Boris Johnson warf der französisc­he Außenminis­ter "Erpressung" vor, weil dieser gesagt hatte, die britische Wirtschaft würde auf Exportbesc­hränkungen wahrschein­lich mit verringert­en Investitio­nen in der EU reagieren. Britische Zeitungen hatten der EU in dieser Woche "Impfnation­alismus" und

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Mehr und schneller: Die EU ist auf der Suche nach Impfstoff und zertifizie­rt zusätzlich­e Fabriken
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Impfstoff-Fabrik Halix in Leiden: Millionen AstraZenec­a Dosen soll hier hergestell­t werden

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