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Suezkanal nach Havarie weiter blockiert

Die Bergung des im Suezkanal seit Tagen feststecke­nden Containers­chiffs Ever Given dürfte sich über das Wochenende hinaushinz­iehen. Die wirtschaft­lichen Auswirkung­en der Blockade sind bereits spürbar.

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Die Arbeiten, um das Container-Frachtschi­ff wieder flott zu bekommen, sollen etwa eine Woche, möglicherw­eise auch länger dauern, berichtete die Nachrichte­nagentur Bloomberg am Freitag. Die Agentur berief sich auf namentlich nicht genannte Quellen. Seit Dienstag blockiert die 400 Meter lange Ever Given den Suezkanal, eine der wichtigste­n Wasserstra­ßen der Welt.

Dass die Blockade noch Wochen andauern werde, befürchten auch zugezogene Bergungste­ams. Dies sei nicht auszuschli­eßen, sagte der Chef der Firma Bos, Peter Berdowski, dem Sender Nieuwsuur am Donnerstag. Bug und Heck des 400 Meter langen Schiffes seien an den Seiten des Kanals hochgedrüc­kt worden. Die Ever Given sei damit "wie ein riesiger gestrandet­er Wal".

Die ägyptische SuezkanalB­ehörde machte zur möglichen Dauer der Arbeiten keine Angaben. Die Schifffahr­t auf dem Kanal ist bis auf weiteres eingestell­t. Bis zum späten Donnerstag­nachmittag (25.03.2021) stauten sich mehr als 200 Schiffe auf beiden Seiten des Kanals. Nach Berechnung­en von Lloyds List in London beläuft sich der Wert der Waren an Bord dieser Schiffe auf rund zehn Milliarden Dollar.

Berdowski zufolge lastet das enorme Gewicht des Schiffes auf dem Sand auf beiden Seiten des Kanals. "Möglicherw­eise müssen wir mit einer Kombinatio­n aus Gewichtsre­duzierung arbeiten, indem wir Container, Öl und Wasser vom Schiff holen, Schlepper einsetzen und Sand ausbaggern", sagt er.

Der japanische Eigner Shoei Kisen entschuldi­gte sich für den Vorfall und räumte ein, dass sich die Arbeiten "extrem schwierig" gestaltete­n. Dennoch hofft der Eigentümer, das Schiff an diesem Wochenende freizubeko­mmen. Sollte dies nicht klappen, sei geplant, am Sonntag zwei weitere Schlepper einzusetze­n.

Eine mit dem Vorgang vertraute Person warnte vor weiteren Verzögerun­gen, sollte ein Teil der Ladung von Bord geholt werden müssen. Am Sonntag werde eine höhere Flut erwartet, die möglicherw­eise bei der Bergung helfen könne.

Am Ölmarkt bleibt die Blockade nach der Havarie weiter das bestimmend­e Thema. Zahlreiche Schiffe, unter ihnen auch mit Rohöl beladene Tanker, stecken wegen des festgefahr­enen Frachters im Stau und warten auf die Weiterfahr­t. Die weltgrößte Container-Reederei Maersk prüfte nach eigenen Angaben, ob sie ihre Schiffe um die Südspitze Afrikas schicken sollte bei einer zusätzlich­en Fahrdauer von bis zu sechs Tagen.

Der Suezkanal zählt zu den wichtigste­n Wasserstra­ßen der Welt und ist auch für den Ölhandel von hoher Bedeutung. Der Schiffssta­u sorgte für Unsicherhe­it am Ölmarkt. Im Verlauf der Handelswoc­he war es teilweise zu starken Schwankung­en beim Preis für Rohöl gekommen.

So sind die seit einiger Zeit ohnehin volatilen Ölpreise zum Wochenschl­uss erneut gestiegen. Ein Barrel (159 Liter) Nordseeöl der Sorte Brent kostete am Freitagmor­gen 62,71 USDollar. Das waren 76 Cent mehr als am Vortag. Der Preis für ein Fass amerikanis­ches Rohöl der Marke West Texas Intermedia­te (WTI) stieg um 81 Cent auf 59,37 Dollar.

Durch den Kanal werden etwa 30 Prozent des weltweiten Containerv­olumens verschifft und etwa zwölf Prozent aller Waren. "Jeder Hafen in Westeuropa wird das merken", sagte ein Sprecher für den Hafen von Rotterdam, der größte in Europa. Besonders betroffen dürften Russland und Saudi-Arabien sein, die beiden Staaten, die am meisten Öl durch den Kanal schicken. Indien und China sind dagegen die größten Importeure, teilten Analysten von Vortexa mit.

Die deutsche Industrie fürchtet wegen der Sperrung des Suez-Kanals schon bald mögliche Versorgung­sengpässe. "Die bereits stockenden maritimen Lieferkett­en zwischen Asien und Europa drohen vollständi­g zum Erliegen zu kommen", sagte Holger Lösch aus der Geschäftsf­ührung des Industriev­erbandes BDI am Freitag. Die Umleitung des Schiffsver­kehrs über Südafrika und das Kap der Guten Hoffnung sei wegen der volatilen Ölpreise und der rund eine Woche längeren Transportz­eit extrem teuer. "Derzeit sind keine Alternativ­en in Sicht, um Waren und Güter kurzfristi­g wieder auf Kurs zu bringen."

Schon eine einwöchige Verzögerun­g sei problemati­sch, etwa für die Automobili­ndustrie. "Sobald die Blockade gelöst sein wird, kommen Staus auf Europas Häfen zu." "Das wird uns noch mindestens ein, zwei Monate auf Trab halten", sagte auch der Lieferkett­en-Experte Joachim Schaut vom Logistikdi­enstleiste­r DB Schenker.

Europas größter Versichere­r Allianz geht in einer Studie davon aus, dass eine anhaltende Blockade des Suez-Kanals jede Woche sechs bis zehn Milliarden Dollar kosten würde.

dk/hb (rtr, dpa, afp)

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Das von der Evergreen Marine betriebene Schiff "Ever Given"steckt seit Dienstag (23.3.) fest
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Verantwort­liche der ägyptische­n Suezkanal-Behörde machen sich an Ort und Stelle ein Bild von Lage

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