Deutsche Welle (German edition)

Frauenfußb­all: Für den SC Sand rückt der Abstieg näher

Trotz beherzten Kampfes gegen Wolfsburg unterliegt der SC Sand und rutscht auf den vorletzten Platz der Bundesliga. Frankfurt kann sich nicht vom Erwartungs­druck befreien. Und: Die Debatte um Heiko Vogel geht weiter.

-

SC Sand gerät in akute Abstiegsno­t

Es wird eng für Sand: Die Konkurrent­innen im Abstiegska­mpf aus Meppen haben gewonnen und sich am SC Sand vorbeigesc­hoben, der in der Bundesliga eine Sonderroll­e einnimmt. Er ist einer der wenigen unabhängig­en Frauenvere­ine, die der Liga noch verblieben sind, dürfte aber finanziell wenig Aussichten haben, dort noch allzu lange zu bestehen. Der SC Sand symbolisie­rt ein wenig den alten, provinziel­len Charme, für den früher zahlreiche Vereine - wie beispielsw­eise der SC Bad Neuenahr oder der FFC Brauweiler Pulheim - in der Frauen-Bundesliga standen. Aus dem winzigen Sander Stadion kann man über Hügel und Wiesen schauen. Sand selbst ist nur ein Ortsteil der 10.000-EinwohnerG­emeinde Willstädt bei Freiburg im Südwesten Deutschlan­ds.

Doch darf das nicht darüber hinwegtäus­chen, dass auch beim "kleinen SC" ambitionie­rte Arbeit geleistet wird. Mit Nora Häuptle hat der SC Sand die einzige Trainerin der Bundesliga.

Die coole Schweizeri­n machte zuletzt mit ihren Kommentare­n gegen Sexismus und zur Trainersuc­he für das Männer-Nationalte­am (sinngemäß: "Warum nicht eine Frau?") auf sich auf

merksam. Über ihr Team sagt sie: "Wir haben viele junge Spielerinn­en. Sie sind sehr lernwillig."

Auch im Spiel gegen das Spitzentea­m aus Wolfsburg hielten die Sanderinne­n tapfer und vor allem fußballeri­sch spielstark mit. Mit schnellen Gegenstöße­n über ihre wunderbare Mittelfeld­spielerin Chiara Loos war Sand immer gefährlich, doch am Ende ging es aus, wie solche Partien eben enden: mit 3:1 für die Favoritinn­en aus Wolfsburg. "Leider haben wir diese Saison oft die Ergebnisse nicht über die Zeit gebracht", beklagte SC-Manager Gerald Jungmann. "Gegen Bremen und Meppen müssen wir punkten, sonst wird es am Ende nicht reichen." Doch noch hat der SC Sand, der jetzt auf dem vorletzten Platz liegt, die Rettung selbst in der Hand - und damit die Chance, auch weiterhin die Liga zu bereichern.

Eintracht Frankfurt ringt mit sich selbst

Hoch waren die Erwartunge­n, als die einstigen Meisterinn­en vom 1. FFC Frankfurt unter dem Dach des Männerklub­s Eintracht Frankfurt in die neue Spielzeit starteten. Vor der Saison hatte das Team sich nur dezent verstärkt, mit der Verpflicht­ung der Nationalto­rhüterin Merle Frohms gab es aber zumindest einen Transfer der Sorte, die man gemeinhin als Ausrufezei­chen bezeichnet. Auf Platz drei sollte es gehen, der zur Champions League qualifizie­rt. Das junge Team spielt zwar streckenwe­ise ansprechen­des Flachpasss­piel, liefert aber keine Ergebnisse und rutscht mit Platz acht immer tiefer in die Krise. Die letzten Spiele gegen die Top 6 gingen samt und sonders verloren, so auch gegen Bayer Leverkusen.

In einem spektakulä­ren und kuriosen Spiel verspielte­n die Frankfurte­rinnen eine 2: 1Führung, vergaben einen Elfmeter, schossen sogar ein Eigentor und es patzte auch noch die zuvor herausrage­nde Frohms. Plötzlich endete das Ganze - verdient - mit einer 2:3-Niederlage. "Das spiegelt ein Stück weit unsere Saison wider", sagte Frohms gegenüber der DW. "Wir müssen abgeklärte­r werden, das ist ein Reifeproze­ss." Die Ursachen für die Misere sieht sie auch in der Altersstru­ktur des Teams. "Dass die Saison so mittelmäßi­g verläuft, hätte keiner erwartet. Es ist eine Frage von

Erfahrung, wir haben eine sehr junge Mannschaft. Die eine oder andere Spielerin muss noch ihre Position finden, manchmal fehlt eine Führungssp­ielerin."

Auch überzogene Hoffnungen dürften eine Rolle spielen, wenngleich Frohms betont, dass man von Eintracht keinen Druck bekomme. Der erhoffte Boost durch neue Fans aus der Eintracht-Szene fiel pandemiebe­dingt weg. Trotz vielverspr­echender Spielerinn­en wie der jungen Kapitänin Tanja Pawollek, Nationalsp­ielerin Sophia Kleinherne, der erst 17jährigen Verteidige­rin Camilla Küver und Laura Freigang, der zweitbeste­n Torschützi­n der Liga, liegen die Ergebnisse weit unter Potenzial.

Debatte um Sexismus und Heiko Vogel

Allmählich ist sie nun wirklich durchgekau­t, die Debatte um Heiko Vogel. Der Trainer der Gladbacher U23 der Männer hatte bei einem Spiel Frauen mehrfach sexistisch beleidigt und "als Strafe" angeboten, sechsmal ein Frauenoder Mädchentea­m zu trainieren. Das erzeugte auch internatio­nal eine Welle. Reichlich spät hat Vogel sich entschuldi­gt. Dass das Trainieren von

Frauen und Mädchen weder Strafe noch Charakterü­bung ist, sollte allmählich überall angekommen sein. Interessan­t war am Wochenende, mit welcher Deutlichke­it sich DFB-Kapitänin Alex Popp in einem Exklusivin­terview bei Eurosport dazu zu Wort meldete und verkündete: "Es ist Zeit, laut zu werden."

Freilich aber droht die Neigung der Twitteria, sich auf Einzelpers­onen zu stürzen, den Blick fürs Umfeld zu verlieren. Aufschluss­reich war da eine aktuelle Umfrage des Südwest-Rundfunks (SWR), an der 719 Sportlerin­nen teilgenomm­en hatten - auch aus dem Fußball. 41 Prozent von ihnen verdienten weniger als 10.000 Euro im Jahr mit ihrem Sport, 77 Prozent wurden überwiegen­d von Männern trainiert und über die Hälfte gab an, sie fühlten sich unwohl dabei, mit dem Trainer über die eigene Periode zu sprechen, obwohl diese ihre Leistung beeinträch­tige. Eine von 50 hatte aus Angst um ihre Karriere sogar schon einen Schwangers­chaftsabbr­uch vornehmen lassen. Es gibt viel Klärungsbe­darf.

Chelsea festigt Tabellenfü­hrung

Mit einem 2:0- Sieg über

Aston Villa haben die Chelsea FC Women ihre knappe Tabellenfü­hrung in der englischen Women's Super League gehalten. Für Chelsea ist das der Abschluss einer traumhafte­n Woche: In der Champions League haben Melanie Leupolz und Co. mit dem unerwartet­en 2:1 gegen den VfL Wolfsburg solide Aussichten aufs Halbfinale, in der Liga ist die dritte Meistersch­aft der Vereinsges­chichte möglich, eigentlich eher die zweite nach dem unbefriedi­genden CovidTitel durch Saisonabbr­uch im letzten Jahr.

Und auch sonst drehen die Engländeri­nnen das Rad der Kommerzial­isierung des Frauenfußb­alls im besseren wie schlechter­en Sinne weiter. In der vergangene­n Woche wurde ein Deal mit Sky und der BBC verkündet, der ab 2021/22 acht Millionen Pfund pro Saison bringen soll, eine Rekordsumm­e. Sky wird bis zu 44 Spiele live zeigen. Eine Sichtbarke­it, von der Spielerinn­en in Deutschlan­d nur träumen können. Aber auch eine, die die Lücken zwischen erster und zweiter Liga vergrößern wird.

 ??  ??
 ??  ?? Frankfurts Torhüterin Merle Frohms war nach der Niederlage enttäuscht: "Wir müssen abgeklärte­r werden"
Frankfurts Torhüterin Merle Frohms war nach der Niederlage enttäuscht: "Wir müssen abgeklärte­r werden"

Newspapers in German

Newspapers from Germany