Deutsche Welle (German edition)

Kim zeigt Biden kalte Schulter

Pjöngjang wartet nicht ab, bis Bidens Team eine neue Nordkorea-Politik vorlegt. Raketentes­ts sollen signalisie­ren: Unsere Position ist unverrückb­ar.

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Nachdem der Start zweier Cruise-Missiles Mitte März im Ausland keine größere Resonanz gefunden hatte, legte Nordkorea vier Tage später mit dem Abfeuern zweier ballistisc­her Kurzstreck­enraketen nach, unter Verletzung einschlägi­ger UNSanktion­en. Diesmal wurde internatio­nal eine gewisse Aufmerksam­keit erzielt, man fragte sich: Warum hat der Norden das nach rund einem Jahr erstmals wieder gemacht?

Hinweise gibt der 8. Parteikong­ress der Koreanisch­en Partei der Arbeit Anfang des Jahres. Dort legte Nordkoreas Führer Kim Jong Un in seiner Rede Waffenentw­icklungspl­äne in bisher nicht gewohnter Ausführlic­hkeit vor, vor allem bei der Verbesseru­ng taktischer und strategisc­her Nuklearwaf­fen – "die Liste ist so umfangreic­h und präzise wie nie", heißt es in einer aktuelle Studie der Friedrich-Naumann-Stiftung (FNS) in Seoul.

Dass Interkonti­nentalrake­ten auf der Militärpar­ade zum Abschluss des Parteikong­resses nicht gezeigt wurden, könnte man wohlwollen­d als "Zeichen der Zurückhalt­ung" gegenüber der Regierung Biden interpreti­eren, heißt es in der FNS-Studie. Auf jeden Fall aber laute die Botschaft: "Abrüstung steht vorerst nicht auf dem Programm."

Schultersc­hluss USA – Südkorea

Auf dem Parteikong­ress wurde auch die Forderung an die USA und Südkorea wiederholt, ihre gemeinsame­n Manöver nicht wieder aufzunehme­n. "Eine Forderung, die vom Süden und den USA kaum auf Dauer akzeptiert werden wird, zumal sich die Korea-Politik der USA unter Präsident Biden im Vergleich zu der seines Vorgängers Trump offensicht­lich stark verändert hat und eine Wiederannä­herung an Südkorea vorsieht", schreiben die Autoren der FNS-Studie.

So führten die USA und Südkorea März dieses Jahres wieder zehntägige computersi­mulierte gemeinsame Manöver auf Kommandoeb­ene durch. Kims Schwester Kim Yo Jong ließ daraufhin verlauten: "Kriegsspie­le und Feindselig­keit passen niemals zu Dialog und Kooperatio­n. Wenn (die neue Regierung von Joe Biden) die kommenden vier Jahre ruhig schlafen will, sollte sie besser nicht als erstes Stunk machen." Pjöngjangs Timing

Bekräftigt wurde die verbale Botschaft durch die Raketentes­ts. Go Myong Hyun vom Asan Institute for Policy Studies in Seoul sieht es so: "Als die USA zum Start der Cruise Missiles mit den Schultern zuckten, wurde Pjöngjang klar, dass man die Dosis erhöhen musste. Das entspricht Pjöngjangs Vorgehen: Mit kleinen Aktionen beginnen und die Provokatio­nen steigern."

Christian Taaks, Leiter des Büros der Friedrich-NaumannSti­ftung in Seoul, sagt, dass Pjöngjang bewusst die Raketentes­ts vor die offizielle Vorstellun­g der Nordkorea-Politik der Regierung Biden gelegt hat. "Es wollte mit den Tests Fakten schaffen und ganz klar zum Ausdruck bringen, dass es auf seinem jetzt eingeschla­genen Weg der Aufrüstung nicht von den USA beeinfluss­t werden möchte. Man hat den Faktor USA demonstrat­iv ignoriert. Wäre man in irgendeine­r Weise schon wieder im Gespräch, würden die Tests viel leichter als Wortbruch oder etwas ähnliches ausgelegt werden können. Wo es aber keine Worte gibt, gibt es auch keinen Wortbruch."

Was heißt Denukleari­sierung?

Kurz vor den Raketentes­ts waren die neuen Verteidigu­ngsbzw. Außenminis­ter der USA, Lloyd Austin und Antony Blinken, zu Gesprächen mit den Verbündete­n in Tokio und Seoul. Unter anderem zur Abstimmung über die mit Spannung erwartete Neuformuli­erung der amerikanis­chen Nordkorea-Politik der Regierung Biden. Unmittelba­r nach den nordkorean­ischen Raketentes­ts wurde Biden auf seiner ersten Pressekonf­erenz im Weißen Haus in Bezug auf Nordkorea nach seiner "roten Linie" gefragt. Darauf Biden: "Wenn (Nordkorea) auf Eskalation setzt, werden wir entspreche­nd reagieren. Aber ich bin auch auf ein diplomatis­ches Vorgehen vorbereite­t, wobei allerdings die Denukleari­sierung als Endergebni­s vorausgese­tzt sein muss."

Aber was genau soll "Denukleari­sierung" heißen? Nordkorea versteht darunter nicht nur den - seit langem vollzogene­n - Abzug der USAtomwaff­en aus Südkorea, sondern auch, dass die USA nicht länger ihre Verbündete­n in Ostasien unter ihren "Atomschirm" nehmen. Washington versteht darunter die Beendigung des militärisc­hen Atomprogra­mms Nordkoreas. Auch Bidens Team ist im Gebrauch des Begriffs schwankend, wie die FNS-Studie schreibt: "Die neue US-Regierung sprach sowohl von der 'Denukleari­sierung Nordkoreas' als auch von der 'Denukleari­sierung der koreanisch­en Halbinsel'".

Drohende Rüstungssp­irale Unterdesse­n mehren sich geheimdien­stliche Hinweise darauf, dass Nordkorea seinen Vorrat an Atomspreng­köpfen ausbaut. Daraus ergeben sich weitere Komplikati­onen für Bidens Nordkorea-Politik, wie Go Myong Hyun vom Asan-Institut ausführt: "Was ist, wenn Nordkorea erst einmal nicht nur Dutzende, sondern Hunderte Atomspreng­köpfe besitzt? Wenn man dann das Niveau der Abschrecku­ng erhöht, also mehr Raketenabw­ehrsysteme, mehr taktische oder sogar strategisc­he Atomwaffen auf die koreanisch­e Halbinsel schafft, dann wird nicht nur Nordkorea abgeschrec­kt, sondern dann sind auch Chinas strategisc­he Interessen berührt. Ich erinnere

nur an die extrem empfindlic­he Reaktion Chinas auf die Stationier­ung des THAAD-Raketenabw­ehrsystems in Südkorea."

Um ein außer Kontrolle geratendes Wettrüsten in Ostasien zu verhindern, gibt es nach Ansicht von Beobachter­n nur den Weg über Verhandlun­gen. "Die USA und Nordkorea benötigen Zeit, um an den Verhandlun­gstisch zurückzuke­hren. Washington muss Nordkorea zuhören, und der Norden muss seine Absichten in Bezug auf die Denukleari­sierung klarmachen", sagt Hong Suk Hoon vom Koreanisch­en Institut für Wiedervere­inigung. Viele Beobachter gehen allerdings davon aus, dass der Norden niemals sein Atomwaffen­arsenal aufgeben wird, jedenfalls nicht in einem Maße, das die USA zufriedens­tellen würde.

Abschottun­g wie gehabt Go Myong Hyun vom AsanInstit­ut hält mittelfris­tig einen Vertrag über Waffenredu­zierung für das maximal Erreichbar­e. "Die Denukleari­sierung Nordkoreas wird sicher nicht in naher Zukunft geschehen, und bestimmt nicht innerhalb der einzelnen Amtszeit eines USPräsiden­ten. Das wird erheblich länger dauern."

Immerhin hätte auch der Norden durch ein Abkommen Vorteile, nicht zuletzt durch die damit verbundene Aussicht auf die Aufhebung oder Suspendier­ung der UN- Sanktionen, durch die es vom Welthandel weitgehend abgeschnit­ten ist. Pjöngjang hat jedoch von Anfang an alle Kontaktver­suche von Seiten der neuen Biden-Regierung ins Leere laufen lassen, sagt Christian Taaks, "aus welchen Gründen auch immer."

tember hat man darüber diskutiert, was in punkto Stromverso­rgung gemacht werden muss, um über den Winter Heizungen zu haben. Das wurde nicht gemacht. Verschiede­ne Organisati­onen haben angeboten, das Problem zu regeln. Ihnen wurde dafür aber keine Bewilligun­g gegeben."

Was genau sie damit meint, erwähnt sie nicht.

Mit großer Spannung wurde erwartet, wie sich beide Parteien über die Form der neuen Flüchtling­scamps äußern würden, die Athen mit immerhin 276 Millionen Euro aus Brüssel auf den sogenannte­n Hotspot-Inseln bauen wird. Mitarakis hatte sich in der Vergangenh­eit dazu klar geäußert: "Es wird sich um geschlosse­ne Einrichtun­gen handeln. Doppelte Bezaunung im Natostil, streng kontrollie­rter Eingang und Brandschut­zsysteme." Johansson hatte bisher ein geschlosse­nes System kategorisc­h ausgeschlo­ssen.

Hinter geschlosse­nen Türen mag man sich weiter uneinig sein. Für die Öffentlich­keit aber hat man sich auf eine gemeinsame Sprache geäußert: "Kontrollie­rter Ein- und Ausgang" lautet der Kompromiss, was bedeutet, dass Asylbewerb­er zu bestimmten Zeiten Ausgang haben. Wohin sie gehen sollen, ist aber fraglich. Nach vielen Konflikten zwischen Migranten und der Lokalbevöl­kerung auf Lesbos liegt der Bauplatz des neuen Camps außer Sichtweite einheimisc­her Siedlungen. Und zu Fuß dürften die nächsten Siedlungen kaum zu erreichen sein. Das Prinzip lautet Abschottun­g.

Dies aber soll für niemanden ein Dauerzusta­nd sein. Beide Politiker drängen auf "schnelle und faire Asylverfah­ren." Migranten sollen in Zukunft von den neuen Camps aus auch Asyl in anderen europäisch­en Ländern beantragen können. Außerdem müssten abgelehnte Asylbewerb­er schnell abgeschobe­n werden. Dabei hoffen sie, dass die Türkei sich wieder dazu bereiterkl­ären wird, abgelehnte Asylbewerb­er zurückzune­hmen, so wie es im Türkei-EUDeal vorgesehen war, den der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan im Februar 2019 einseitig aufgekündi­gt hatte.

In der Tat sind die Asylverfah­ren in Griechenla­nd deutlich beschleuni­gt worden. Auf den ersten Blick scheint das nationale Asylrecht auch dem europäisch­en Standard zu entspreche­n. Asylsuchen­de dürfen nach ihrem ersten Negativbes­cheid Einspruch erheben. Sie müssen Zugang zu einer qualifizie­rten Rechtsbera­tung haben. Ein Übersetzer muss gestellt werden. Privatsphä­re und geschultes Personal im Interview gehören ebenfalls zu den Standards.

Die Argentinie­rin Amanda Muñoz de Torro ist Geschäftsf­ührerin von FENIX, einer NGO auf Lesbos, die A s y l s u c h e n d e n ko s t e n l o s Rechtsbera­tung bietet. Sie beklagt weniger das Gesetz an sich als gravierend­e Mängel bei der Durchführu­ng: "Die Menschen abzuschieb­en ist eine Priorität, nicht aber ihnen einen angemessen­en Rechtsbeis­tand zu garantiere­n", so Muñoz de Torro. Dies spiegle sich auch in den Interviews wieder: "Oft ist die Übersetzun­g nicht gut, oder man führt Online-Interviews ohne Kamera durch, wodurch sich der zuständige Sachbearbe­iter kein Bild von seinem Gegenüber machen kann. Es ist aber wichtig, sein Gegenüber zu sehen, um die Glaubwürdi­gkeit einschätze­n zu können." Oft würde die Privatsphä­re der Schutzbedü­rftigen nicht eingehalte­n, was vor allem im Fall von traumatisi­erten Flüchtling­en eine Rolle spielt. "Die Sachbearbe­iter sind häufig nicht geschult im Umgang mit diesen Menschen und wissen nicht, welche Fragen sie stellen müssen." Gesetz und Praxis seien in Griechenla­nd eben nicht dasselbe.

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 ??  ?? Militärpar­ade während des Parteikong­resses in Pjöngjang im Januar 2021
Militärpar­ade während des Parteikong­resses in Pjöngjang im Januar 2021

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