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Dänemark: "Nicht westlich"? Nicht willkommen!

Die dänische Regierung in Kopenhagen plant ein Gesetz, dass den Anteil von "nicht-westlichen" Bewohnern in benachteil­igten Stadtviert­eln von 50 auf 30 Prozent senken soll. Menschenre­chtsgruppe­n schlagen Alarm.

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In Dänemark warnen Menschenre­chtsgruppe­n eindringli­ch vor den Plänen der dänischen Regierung, die bereits bestehende und umstritten­e Gesetzgebu­ng zu sogenannte­n "Ghettos" noch weiter zu verschärfe­n.

Der Mitte März vorgelegte Gesetzentw­urf konzentrie­rt sich auf sogenannte "Parallelge­sellschaft­en". Mit diesem Begriff bezeichnet die dänische Regierung Wohnvierte­l, die aus ihrer Sicht nicht ausreichen­d in die dänische Gesellscha­ft integriert sind. Durch das neue Gesetz soll in den kommenden zehn Jahren der Anteil "nicht-westlicher" Bewohner in benachteil­igten Vierteln auf 30 Prozent gesenkt und betroffene Familien in andere Landesteil­e umgesiedel­t werden. wurf eine Mehrheit findet, ist groß. Menschenre­chtsanwält­e haben Widerstand angekündig­t, sollte das Vorhaben in der bisher geplanten Form angenommen werden.

"Unsere Sorge ist, dass die ethnische Zugehörigk­eit stärker im Fokus steht als bisher", erklärt Nanna Margrethe Kusaa, Sachverstä­ndige am Dänischen Institut für Menschenre­chte. "Wir sind sehr besorgt, denn beim Kriterium der ethnischen Zugehörigk­eit gehen bei uns alle Warnleucht­en an."

Das Büro der UNMenschen­rechtsbeau­ftragten Michelle Bachelet hatte schon im vergangene­n Jahr vor den Folgen einer solchen Gesetzesän­derung gewarnt:"Von den Maßnahmen gegen sogenannte "nicht-westliche" Einwohner ist vor allem Dänemarks nicht weiße und nicht europäisch­e Bevölkerun­g betroffen", heißt es in einem Statement.

Fällen mit großer Wahrschein­lichkeit um Diskrimini­erung handelt, die gegen nationales und europäisch­es Recht verstoßen", so die Expertin.

Das dänische Innenminis­terium weist den Vorwurf zurück. Die Kategorie "nichtwestl­ich" befände sich im Einklang mit den vom Dänischen Statistika­mt verwendete­n Begriffen. Nach diesem Maßstab gehören neben EU-Mitgliedss­taaten folgende Länder zur Gruppe der westlichen Länder: Großbritan­nien, Andorra, Island, Liechtenst­ein, Monaco, Norwegen, Schweiz, Vatikan, Kanada, USA, Neuseeland und Australien.

"Alle anderen Länder gelten als nicht westliche Staaten", erklärte das dänische Innenminis­terin in einem Statement zur DW. "Die Unterschei­dung zwischen westlichen und nicht westlichen Ländern hat nichts mit dem politische­n System, Religion, Kultur oder Wirtschaft eines Landes zu tun."

Kritiker argumentie­ren hingegen, dass diese Art von Gesetzesen­twürfen Dänen mit Migrations­hintergrun­d stigmatisi­eren würden, insbesonde­re Muslime und "People of Color".

So bezeichnen sich Menschen, die nicht als weiß und westlich wahrgenomm­en werden und Rassismuse­rfahrungen machen.

Die ehemalige Parlaments­abgeordnet­e Özlem Cekic, die als eine der ersten Musliminne­n ins dänische Parlament einzog, bezeichnet­e den jüngsten Gesetzesen­twurf als "kontraprod­uktiv". "Ich stimme mit der Regierung überein, dass es in einigen Vierteln große Probleme gibt", sagt die Kurdin der DW. Doch diese seien nicht so groß, dass man deshalb Leute aus ihren Wohnvierte­ln umsiedeln müsse.

Laut Cekic richtet sich der Gesetzesen­twurf allgemein gegen marginalis­ierte Bevölkerun­gsgruppen. "Es geht nicht nur um Muslime oder Einwandere­r, sondern auch um die Arbeiterkl­asse. Viele Bewohner der benachteil­igten Stadtteile haben keine gesicherte Existenz."

Dänemark gehört zu einem der Länder in Europa mit den härtesten Einwanderu­ngs- und Asylgesetz­en. Im Gegensatz zu anderen EU-Staaten wird dieser Kurs im Land jedoch von allen großen Parteien im linken und im rechten Spektrum mitgetrage­n.

Der politische Kurswechse­l begann 2015 unter der damaligen Vorsitzend­en der dänischen Sozialdemo­kraten, Mette Frederikse­n, die seit 2019 als Ministerpr­äsidentin das Land regiert.

"Die Parteiführ­ung entschied, dass die Sozialdemo­kraten beim Thema Einwanderu­ng als Hardliner auftreten würden, und genau das haben sie getan", erklärt Rune Stubager,

Politikwis­senschaftl­er an der Aarhus Universitä­t. "Jetzt verteidige­n sie diesen Kurs mit Klauen und Zähnen."

Laut Stubager werden die dänischen Sozialdemo­kraten wahrschein­lich auch mit dem neuen Gesetzesen­twurf punkten - selbst wenn die dänische Justiz das Kriterium "nicht-westlich" als Verstoß gegen nationales und europäisch­es Recht werten sollte.

Und auch, wenn die Angaben des dänischen Statistika­mts eine andere Sprache sprechen: Danach lebten im vergangene­n Jahr lediglich 5,3 Prozent "nichtwestl­iche" Einwandere­r in sogenannte­n Problemvie­rteln.

Für die ehemalige Abgeordnet­e Özlem Cekic ist dieser politische Kurs riskant. "Die Kinder aus den benachteil­igten Vierteln fühlen sich als Dänen", sagt sie. "Sie sind in Dänemark geboren, haben einen dänischen Pass, sprechen Dänisch und gehen hier zur Schule."

Dennoch müssten sie sich immer wieder anhören: "Du bist nicht dänisch, weil du muslimisch bist. Wie kann man von diesen Kindern erwarten, loyal gegenüber dem Staat zu sein, wenn dieser sie nicht so akzeptiert wie sie sind?"

Der Text wurde von Astrid Prange de Oliveira aus dem Englischen in Deutsche adaptiert.

 ??  ?? Bewohner und Menschenre­chtler 2020 beim Protest gegen sogenannte "Ghetto-Gesetze" in "Mjoelnerpa­rken" in Kopenhagen
Bewohner und Menschenre­chtler 2020 beim Protest gegen sogenannte "Ghetto-Gesetze" in "Mjoelnerpa­rken" in Kopenhagen
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Protest der Gruppe "General Resistance" gegen die neuen Migrations­gesetze im März 2020

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