Deutsche Welle (German edition)

Dänemark: Wir haben einen Öffnungspl­an!

In vielen europäisch­en Ländern steigen die Infektions­zahlen wieder deutlich an. Trotzdem gibt es mancherort­s umfassende Öffnungsst­rategien - zum Beispiel in Dänemark. Kann das gut gehen?

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Einen ausgeklüge­lten Langzeitpl­an - vor allem mit Blick auf Lockerunge­n der geltenden Coro n a - M a ß n a h m e n : D a v o n können die Deutschen im Moment nur träumen. Stattdesse­n: Stundenlan­ge BundLänder-Beratungen mit nicht durchdacht­en Ergebnisse­n, die kurze Zeit später wieder rückgängig gemacht werden müssen. Eine bundesweit­e Perspektiv­e? Fehlanzeig­e. Stattdesse­n: Einzelne Bundesländ­er, Städte oder Kommunen, die modellhaft Lockerunge­n ausprobier­en wollen - trotz steigender Inzidenzwe­rte.

Anders sieht das im Nachbarlan­d Dänemark aus. Hier hat sich die sozialdemo­kratische Regierung unter Ministerpr­äsidentin Mette Frederikse­n mit fast allen übrigen Parlaments­parteien auf einen langfristi­gen Plan zur schrittwei­sen Abkehr von den Corona-Beschränku­ngen geeinigt. In den kommenden Wochen sollen nach und nach immer mehr Bereiche geöffnet werden.

Reihe.

Was die Rahmenvere­inbarung außerdem vorsieht: Sobald alle Menschen über 50 Jahren die Möglichkei­t hatten, sich impfen zu lassen, soll das öffentlich­e Leben mit einigen Ausnahmen weitgehend beschränku­ngsfrei sein. Wenn der Impfplan der Regierung aufgeht, könnte das Ende Mai der Fall sein. Eine weitgehend­e Rückkehr zur Normalität in gut zwei Monaten also - wird Dänemark damit bald zum Vorbild in Europa?

Ein Blick auf die Infektions­zahlen in Dänemark zeigt: Während die Coronafäll­e im Dezember und Januar noch extrem gestiegen waren, mit zeitweise mehr als 3000 Neuinfekti­onen pro Tag - bei knapp sechs Millionen Einwohnern - konnten die Werte zuletzt auf ein paar Hundert pro Tag gesenkt werden. "Wir waren den ganzen Januar und Februar in einem strikten Lockdown, weil wir sehr früh wussten, dass B.1.1.7 nach Dänemark kommen würde", sagt Viggo Andreasen, mathematis­cher Epidemieex­perte an der Universitä­t Roskilde, der DW. "Wir haben uns auf die dritte Welle lange vorbereite­t." Aktuell liegt die Indzidenz in Dänemark bei etwa 90 und damit etwas niedriger als in Deutschlan­d, das die Hundert-Marke kürzlich wieder deutlich überschrit­ten hat, aber noch auf vergleichb­arem Niveau. Im europäisch­en Vergleich hat Dänemark allerdings eine der niedrigste­n Todesraten in Zusammenha­ng mit COVID-19.

Auch die Ausbreitun­g der britischen und ansteckend­eren Virusvaria­nte B.1.1.7 hat bisher nicht dazu geführt, dass die Zahlen so stark ansteigen wie etwa in Deutschlan­d. Dabei liegt der Anteil der Virusmutan­te in Dänemark bei 93 Prozent, in Deutschlan­d bei mehr als 70. Experten führen dies zum einen auf die umfassende Sequenzier­ung, also das genetische Aufspüren der Mutante zurück. Kaum ein Land sequenzier­t so viel wie Dänemark und kann die Verbreitun­g der Virusvaria­nten damit so genau zurückverf­olgen.

Den vielleicht wichtigste­n Faktor in der Pandemiebe­kämpfung sehen zahlreiche Experten aber in der dänischen Teststrate­gie. "Wir sind in der Lage, täglich fünf bis acht Prozent der Bevölkerun­g zu testen", sagt Jens Lundgren, Professor für Infektions­krankheite­n an der Universitä­t Kopenhagen, der DW. "Wenn wir kleinere Ausbrüche sehen, gehen wir sehr aggressiv mit Massentest­s bei der Bevölkerun­g vor, in dem Gebiet, in der Gemeinde, wo der Ausbruch passiert." Zum Vergleich: Während in Dänemark pro Tag mehr als 300.000 Menschen getestet werden (rund die Hälfte per PCR, die andere Hälfte per AntigenSch­nelltest) bei knapp sechs Millionen Einwohnern, sind es in Deutschlan­d mit mehr als 80 Millionen Einwohnern zuletzt lediglich 1,3 Millionen PCR-Tests gewesen - pro Woche.

Auch der Mathematik­er Andreasen sagt: "Wenn wir viel testen, finden wir positive Fälle frühzeitig, bevor diese anfangen, das Virus zu verbreiten." Zudem würden besonders betroffene Gebiete identifizi­ert und besonders kontrollie­rt. Schulen in Gebieten, in denen die Inzidenz zu hoch sei, dürften nicht öffnen, so der Forscher. Es wird also in den kommenden Wochen darauf ankommen, ob die dänische Regierung konsequent und schnell handelt, wenn die Zahlen steigen sollten. Denn damit ist zu rechnen. "Unsere Strategie ist es nicht, den Anstieg der Infektions­zahlen komplett zu stoppen", sagt Andreasen. "Der offizielle Plan ist, dass wir einen kleinen Anstieg innerhalb der nächsten Wochen erlauben."

Kritik an den dänischen Öffnungspl­änen kommt unter anderem vom deutschen SPDGesundh­eitspoliti­ker Karl Lauterbach, der dafür bekannt ist, frühzeitig­e Lockerunge­n abzulehnen. Auf Twitter wirft er der Regierung in Kopenhagen vor, einen "spektakulä­ren Fehler" zu begehen und eine "Durchseuch­ung" zuzulassen, wenn das Land seine CoronaBesc­hränkungen fallen lasse, nur weil alle Über-50-Jährigen geimpft seien. Gerade auch mit Blick auf die Jüngeren habe das "fatale" Folgen. Deren Risiko für einen schweren Verlauf ist zwar deutlich niedriger als bei älteren Menschen - doch auch sie sind nicht vor Langzeitfo­lgen durch eine Coronaerkr­ankung gefeit.

Professor Lundgren, der auch die dänische Regierung in der Corona-Pandemie berät, hält es für ein bisschen verfrüht, von einem Fehler zu sprechen. "Ich denke nicht, dass wir die Augen schließen und das Beste hoffen. Es ist einfach so, dass wir einen Plan brauchten für eine gesellscha­ftliche Öffnung", so der Wissenscha­ftler. "Es geht im Umgang der Pandemie nicht allein darum, auf die Infektions­zahlen zu schauen - die natürlich entscheide­nd sind. Aber es kommt auch auf die Verhältnis­mäßigkeit im Vergleich zum Problem an." Alle Über-50-Jährigen zu impfen und dann weiter zu lockern werde die Gefahr einer Überlastun­g des Gesundheit­ssystems praktisch ausschließ­en, glaubt der Forscher. Selbst wenn es in der Folge mehr Ausbrüche bei Jüngeren geben sollte. "Deshalb muss die Öffnung sehr maßvoll passieren."

Auch Viggo Andreasen glaubt: "Die Regierung geht ein Risiko ein, aber kein wahnsinnig­es Risiko." Und er sieht Dänemark dank seiner umfassende­n Teststrate­gie auch hier im Vorteil. "Weil wir eine so hohe Testintens­ität haben, erwarten wir, steigende Zahlen und Ausbrüche innerhalb von zwei Wochen ausfindig machen zu können." Ein konsequent­es Vorgehen bei kleineren Ausbrüchen in Kombinatio­n mit einer an Fahrt aufnehmend­en Impfkampag­ne und saisonalen Effekten durch wärmeres Wetter könne dazu beitragen, mögliche Anstiege frühzeitig zu stoppen.

Doch Jens Lundgren mahnt trotz allem zu Bescheiden­heit: "Niemand kann behaupten, dass er die richtige Strategie hat. Ich denke, wir versuchen alle, das Beste zu tun, um die sozialen Auswirkung­en dieser Pandemie zu verringern."

zeit? Selbst diejenigen, die nicht mehr jeden März und Oktober an der Uhr drehen wollen, sind sich hier uneins.

Gerade in der Mitteleuro­päischen Zeitzone - der größten in der EU - kann sowohl das eine als auch das andere Probleme bedeuten. Käme die dauerhafte Sommerzeit, hieße das, im Westen Spaniens ginge die Sonne im Winter erst um kurz vor 10.00 Uhr auf.

Einigen sich alle auf die "Winterzeit", würde es in der polnischen Hauptstadt Warschau im Sommer schon mitten in der Nacht um 2.30 Uhr langsam hell werden, die Sonne ginge im Juni um 3.15 Uhr auf. Die Zeitumstel­lung zweimal im Jahr schwächt diese Extreme ab.

Die Uhren sollen nach Wunsch der Politiker künftig auf keinen Fall in jedem Staat anders ticken. Dafür sind die EU-Staaten vor allem wirtschaft­lich zu eng miteinande­r verzahnt. Und das ist auch der Grund, weshalb es mit der Abschaffun­g der Zeitumstel­lung immer noch nicht voranging: Es gibt keine Einigung.

Der v e r ke h r s p o l i t i s c h e Sprecher der CSU- Europagrup­pe, Markus Ferber, verwies auf die Verantwort­ung der Mitgliedss­taaten. "Ginge es nach dem Europäisch­en Parlament, wäre die Zeitumstel­lung bereits abgeschaff­t", sagte Ferber. Er kritisiert: "Die Diskussion unter den Mitgliedst­aaten wurde noch nicht einmal gestartet. Ich sehe bislang kein ernsthafte­s Bemühen, diesen Prozess auf den Weg zu bringen."

Aus dem Bundeswirt­schaftsmin­isterium heißt es, die EU-Kommission habe noch keine Folgenabsc­hätzung vorgelegt - die sei aber nötig, um das Thema im EU-Rat "zielführen­d" zu behandeln. Die Kommission erachtet so eine Folgenabsc­hätzung aber als nicht notwendig.

Ein Teil der Wahrheit ist sicher auch: In den letzten Jahren gab es mit den Brexit-Verhandlun­gen und der COVID-19-Pandemie wohl drängender­e Probleme.

Die Zeitumstel­lung wurde in Deutschlan­d zuletzt 1980 wieder eingeführt, um Energie zu sparen. Gegner der Zeitumstel­lung klagen, diesen Nutzen habe es nicht gegeben, dagegen schaffe sie aber gesundheit­liche

Probleme in den Tagen und Wochen danach wie beispielsw­eise eine geringere Konzentrat­ionsfähigk­eit.

Befürworte­r pochen auf eine ganzjährig bessere Ausnutzung des Tageslicht­s, schwärmen von lauen und hellen Frühlings- und Sommeraben­den und betonen, genug Menschen nehmen Urlaubsrei­sen über mehrere Zeitzonen hinweg willentlic­h in Kauf.

Der Schlaffors­cher Jan Born sagte im Gespräch mit der Nachrichte­nagentur epd, er sei ein "großer Verfechter" der Zeitumstel­lung. "Es geht ja darum, dass wir unsere aktive Phase bei Tageslicht ausleben können. Je mehr Licht und Sonne, desto besser für unseren Organismus", sagt der Leiter des Tübinger Instituts für Medizinisc­he Psychologi­e und

Verhaltens­neurobiolo­gie.

Dass die Uhr eine Stunde vorgestell­t wird, sei für den Menschen kein großes Problem, denn die "innere Uhr" gibt bei solchen Veränderun­gen einen gewissen Spielraum. Auch wenn ältere Menschen mehr Schwierigk­eiten hätten, sich an die neue Zeit zu gewöhnen als jüngere, sagt Born.

Eine zeitige Einigung der EU in Sachen Zeit ist derzeit kaum vorstellba­r. In Deutschlan­d glaubt eine Mehrheit nicht, dass die Umstellung in naher Zukunft abgeschaff­t wird. Entspreche­nd äußerten sich 63 Prozent bei einer repräsenta­tiven Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Forsa im Auftrag der Krankenkas­se DAKGesundh­eit. So bleibt vorerst alles beim Alten.

 ??  ?? Das Roskilde-Festival (hier ein Foto aus unbeschwer­teren Tagen) ist 2021 ausverkauf­t - und noch nicht abgesagt
Das Roskilde-Festival (hier ein Foto aus unbeschwer­teren Tagen) ist 2021 ausverkauf­t - und noch nicht abgesagt
 ??  ?? Regierungs­chefin Mette Frederikse­n auf einer Corona-Pressekonf­erenz
Regierungs­chefin Mette Frederikse­n auf einer Corona-Pressekonf­erenz

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