Deutsche Welle (German edition)

Mallorca-Urlaub mit schlechtem Gewissen

Zu Ostern kehren die deutschen Touristen auf die Balearen-Insel zurück - trotz großer Diskussion­en in Deutschlan­d. Ganz so unbeschwer­t wie früher geht es auf Mallorca aber noch nicht wieder zu.

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Etwas unangenehm scheint es Elaine (26) und Enrico (28) schon zu sein, dass sie nun bei strahlende­m Sonnensche­in am Strand liegen können, während in der Heimat die Corona-Zahlen in die Höhe schießen, der Lockdown verlängert wurde und Inlandstou­rismus nach wie vor nicht möglich ist. "Wir mussten einfach endlich mal wieder raus", sagen die beiden Berliner. Ihre Nachnamen wollen sie lieber für sich behalten. "Man wird schief angesehen, wenn man sagt, dass man jetzt nach Mallorca reist." Deshalb haben sie kaum jemandem von ihren Urlaubsplä­nen erzählt. "Auch in der Familie hatten wir Diskussion­en darüber", sagen sie. "Uns wird vorgehalte­n, dass wir hier einen Egotrip machen."

Auch das Pärchen aus der Nähe von München, das ein Stück weit entfernt die Sonne genießt, will lieber anonym bleiben. "Wir haben lange hin und her überlegt, ob wir wirklich kommen sollen", sagen die beiden. "Eigentlich müsste man ja bleiben, wo man ist. Bis das Virus ausgerotte­t ist." Letztendli­ch überwog aber die Lust, mal wieder mit dem Rennrad über die Insel zu fahren.

Kein Verständni­s für die Diskussion­en in den vergangene­n Tagen um die Mallorca-Reisen tausender deutscher Spontan-Urlauber hat ein Mann aus Aachen, der seinen Namen ebenfalls nicht verraten will. "Bei der Debatte in Deutschlan­d meint man ja, hier wäre wer weiß was los."

Das Bild, das dort gezeichnet werde, entspreche aber nicht der Realität. "Hier ist nirgendwo Party", sagt er und zeigt dorthin, wo die berüchtigt­en Ballermann­Lokale liegen, die tatsächlic­h noch komplett verrammelt sind - wie schon seit Monaten. Lediglich ein paar Restaurant­s und Cafés haben geöffnet. Bis 17 Uhr dürfen dort auf der Terrasse Gäste bewirtet werden. Dann ist gezwungene­rmaßen Feierabend.

Mit Anti-Corona-Regeln wie diesen hat es die BalearenRe­gierung zuletzt geschafft, die Inzidenzwe­rte so weit zu senken, dass die Bundesregi­erung die Reisewarnu­ng für die Insel und damit die Quarantäne­pflicht für Rückkehrer am 14. März aufhob - woraufhin die Reiseveran­stalter mehr Flüge anboten und einen spektakulä­ren Anstieg der Buchungsza­hlen verzeichne­ten. Es gibt Kontaktbes­chränkunge­n, eine allgemeine Maskenpfli­cht in der Öffentlich­keit und eine Ausgangssp­erre zwischen 22 und 6 Uhr. Auch Inlandsrei­sen ohne triftigen Grund sind in Spanien derzeit verboten.

Dass nun wieder vermehrt ausländisc­he Urlauber auf die Insel kommen, ist der Balearen-Regierung jedoch nicht ganz geheuer. Die Sorge vor einem erneuten Anstieg der Infektions­zahlen ist groß. Darum gelten auch für Touristen strenge Vorschrift­en. So muss jeder von ihnen bei der Einreise einen negativen PCR-Test vorlegen, vor der Rückreise dann einen negativen Antigen-Test, auch wenn Mallorca nicht mehr als Risikogebi­et gilt. "Wenn ich jetzt immer so Urlaub machen müsste, dann würde es mich nerven", sagt Enrico, während er sich den Sand von den Füßen streift. "Diesmal nehmen wir es aber in Kauf."

Ein paar Straßen weiter begrüßt gerade Tina Ferrer die ersten deutschen MallorcaUr­lauber seit dem vergangene­n Sommer. Eben hat ein Bus vor dem Hotel Riu-Festival gehalten und nun checken die Pauschalre­isenden ein. Die Direktorin höchstpers­önlich weist ihnen den Weg und erklärt das Hygienekon­zept: Hände desinfizie­ren, Abstand halten, Maske tragen. Eine Wärmebildk­amera am Eingang zeigt an, wenn jemand Fieber hat. Innerhalb weniger Tage habe sich die Auslastung bei ihnen mehr als verdoppelt, sagt Ferrer. Die Verunsiche­rung aber sei noch immer groß. "Die Deutschen buchen ja am liebsten schon heute den Urlaub fürs nächste Jahr." Das habe sich in der Pandemie geändert. Nun kämen die meisten Leute kurzentsch­lossen. Um die letzten Zweifel zu beseitigen, bietet Riu kostenlose Stornierun­gen an. "Das ist für uns natürlich ein Risiko, aber es geht nicht anders."

40.000 deutsche Urlauber erwarten Mallorcas Hoteliers über die Ostertage, berichten Inselmedie­n. Klingt viel, ist es aber nicht. In der Osterwoche 2019 - vor Corona also - wurden am Inselflugh­afen im selben Zeitraum mehr als eine Million Passagiere abgefertig­t. Der Ansturm ist in Wahrheit ein laues Lüftchen.

Das sieht zumindest Juana Sánchez so. Sie betreibt einen Souvernirl­aden direkt an der Kathedrale in Palma und ist ziemlich verzweifel­t. "Heute habe ich nichts verkauft, gar nichts", sagt sie. Schon seit mehr als einem Jahr mache sie so gut wie keinen Umsatz. "Ich sehe schwarz. Wir steuern alle auf den Ruin zu."

Tatsächlic­h hat das Ausbleiben der Urlauber Mallorcas Wirtschaft hart getroffen. Vertreter der Hoteliers, der Gastronome­n, des Einzelhand­els und vieler anderer Branchen, die ebenfalls zum Großteil vom Tourismus abhängig sind, malen die Situation seit Monaten in den düstersten Farben. Hunderte Firmen stehen vor der Pleite, die Arbeitslos­enzahl ist auf Rekordnive­au. Wenn keine Urlauber kommen, dann steht auf Mallorca fast alles still. Im vergangene­n Jahr lag die Touristenz­ahl um 80 Prozent unter der des Vorjahres.

Die Auswirkung­en spürt auch Bernd Hartmann. "150 Gäste hatten wir im gesamten Jahr 2020", sagt der gebürtige Frankfurte­r, der an der Playa de Palma das Hostal Alce bertreibt. Auch in diesen Tagen stehen die Zimmer noch allesamt leer. Eigentlich wäre es besser, nun noch ein paar Monate zu warten, findet er, damit der Tourismus dann in der eigentlich­en Hochsaison so richtig wieder losgehen kann. "Damit es nicht wieder so ein Chaos gibt wie im vergangene­n Jahr."

Damals hatten die Balearen frühzeitig wieder Urlauber ins Land gelassen, woraufhin die Zahl der Infektione­n rasant anstieg. Das Auswärtige Amt sprach dann im August die Reisewarnu­ng für die Inseln aus - was gleichbede­utend war mit dem Ende der Tourismuss­aison. "Wir haben ein paar Reservieru­ngen für Juni und Juli", sagt Hartmann. "Die Leute sind aber noch sehr verhalten." Er rechnet mit einem weiteren harten Jahr.

Den gewohnten Touristenb­etrieb wird es auf Mallorca also wohl erst 2022 wieder geben. Darauf hoffen auch Elaine und Enrico, die dann auf jeden Fall wiederkomm­en wollen. "Wir fahren jedes Jahr nach Mallorca." Künftig dann auch wieder mit gutem Gewissen.

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Noch ist das Wasser kalt und die Strände auf Mallorca eher leer

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