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Studie: China setzt auf Geheimvert­räge bei Krediten

Sie waren nicht für die Öffentlich­keit gedacht - doch einige Wissenscha­ftler konnten nun chinesisch­e Kreditvert­räge untersuche­n. Demnach nutzt Peking seine Verhandlun­gsmacht bei Entwicklun­gsländern gekonnt aus.

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China verleiht seit den 2000er Jahren vermehrt große Summen vor allem an Entwicklun­gs- und Schwellenl­änder weltweit. Im Mittelpunk­t der Kreditverg­abe sind vor allem Länder, die Chinas Neue Seidenstra­ße - oder auf Englisch Belt and Road Initiative unterstütz­en. Ein großangele­gtes Infrastruk­turprojekt, das China über mehrere Wirtschaft­skorridore mit mehr als 60-Ländern in Asien, Europa und Afrika verbindet. Die Volksrepub­lik finanziert dabei zu Teilen ein Netz aus neuen Häfen, Eisenbahnl­inien, Straßen und Industriep­arks.

"Durch die Belt and Road Initiative ist China zum größten öffentlich­en Gläubiger für Entwicklun­gsländer aufgestieg­en", sagt Christoph Trebesch vom Kieler Institut für Weltwirtsc­haft (IfW). Er hat gemeinsam mit anderen Forschern Kreditbedi­ngungen von chinesisch­en Entwicklun­gsbanken mit Drittlände­rn untersucht. ″Die finanziere­nden Staatsbank­en treten als sehr versierte Kreditgebe­r auf, die ihre Verhandlun­gsmacht gekonnt zu ihrem Vorteil ausnutzen", so Trebesch in einer IfW-Pressemitt­eilung.

Kreditvert­räge mit anderen Ländern bleiben in der Regel unter Verschluss. Dem IfW in Kiel gelang es gemeinsam mit mehreren US-Forschungs­einrichtun­gen an 100 eigentlich geheime Kreditvert­räge Chinas mit 24 Entwicklun­gsländern in einem Volumen von 36,6 Milliarden Dollar zu kommen.

"Ungewöhnli­ch weitreiche­nde Vertraulic­hkeitsklau­seln"

Die Forschende­n verglichen die chinesisch­en Kreditvert­räge mit 142 öffentlich zugänglich­en Verträgen anderer großer Gläubigerl­änder und fanden dabei mehrere ungewöhnli­che Merkmale. So enthalten Chinas Verträge den Untersuchu­ngsergebni­ssen zufolge "ungewöhnli­ch weitreiche­nde Vertraulic­hkeitsklau­seln", manchmal sei sogar die Existenz der Kredite an sich geheim. Auffällig sei auch, dass Verträge im Laufe der Zeit immer strengeren Geheimhalt­ungsklause­ln enthielten. Seit 2014 sei in jedem der untersucht­en Verträge eine Vertraulic­hkeitsklau­sel zu finden. Die Forscher kritisiere­n, dass damit die Verträge aber für Steuerzahl­er, die am Ende für die Rückzahlun­g aufkommen müssen, "intranspar­ent" seien.

Die Verträge geben den Experten zufolge außerdem chinesisch­en Staatsbank­en Vorrang vor anderen Gläubigern. In den meisten Fällen ist demnach den Schuldnern eine Umstruktur­ierung ihrer Schulden mit anderen Gläubigern untersagt. Nicht zuletzt gäben viele Verträge China "großen Spielraum, Kredite zu kündigen oder die Rückzahlun­g zu beschleuni­gen, wenn es mit der Politik eines Kreditnehm­ers nicht einverstan­den ist" - etwa wenn es zu einem Abbruch der diplomatis­chen Beziehunge­n kommt.

So enthielten viele der ausgewerte­ten Verträge auch sogenannte "No Paris- Club- Klauseln". Der Pariser Club ist ein Gremien, das versucht, Ländern in Zahlungssc­hwierigkei­ten ihre Schulden zu erlassen. Nach der "No Paris-Club- Klausel" verpflicht­et China jedoch die Kreditnehm­er, die chinesisch­en Schulden dabei nicht zu beachten.

Diskussion um die chinesisch­e Schuldenfa­lle

Das Forscherte­am erhielt den Zugang zu den Verträge über Regierungs-Websites der Schuldnerl­änder. Laut den Studienerg­ebnissen erschwerte­n es die Kreditbedi­ngungen den Ländern, die sich nun wegen der Corona-Pandemie in einer finanziell­en Notlage befinden, "ihre Schuldensi­tuation in den Griff zu bekommen", so die Autoren.

Schon länger argumentie­ren Ökonomen und Asienforsc­her, dass China vermehrt versuche, Entwicklun­gs- und Schwellenl­änder in eine Art Schuldenfa­lle zu treiben - sprich sie über die Kredite stark abhängig von sich zu machen und sich so leichter Zugang zu Großprojek­ten wie Häfen und Straßen zu sichern.

Diese These wird allerdings nicht von allen Forschern geteilt. Eine der führenden Expertinne­n

für China-Afrika-Beziehunge­n, Deborah Brautigäm von der John

Hopkins-Universitä­t, nennt die Schuldenfa­lle einen ″Mythos". Ihre Forschungs­ergebnisse hätten ergeben, dass chinesisch­e Banken bereit seien, die Bedingunge­n bestehende­r Kredite umzustrukt­urieren. Auch habe Peking - wie häufig behauptet - noch nie einen Vermögensw­ert eines Landes beschlagna­hmt, so die Forscherin in einem Beitrag für The

Atlantic.

nm/hb (afp, Kieler Institut für Weltwirtsc­haft)

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Ein Seidenstra­ßen-Projekt: Der Hafen von Hambantota (Sri Lanka)
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Ein chinesisch­er Zug an einem Hafen in Litauen

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