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Champions-League-Reform: "Wir könnten Generation­en verlieren"

Der europäisch­e Fußballver­band UEFA bereitet für die Zeit ab 2024 ein neues Format für die Champions League vor. Während die Spitzenver­eine finanziell profitiere­n dürften, könnten Fans den Preis bezahlen.

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Das Exekutivko­mitee der UEFA trifft sich an diesem Mittwoch, um über Reformen der Königsklas­se zu diskutiere­n. Eigentlich war mit einer schnellen Entscheidu­ng gerechnet worden, aber die soll es nun erst am 19. April geben, wie die UEFA mitteilte. Die Rede ist von einer Erweiterun­g der Champions League von 32 auf 36 Teams und von der Abschaffun­g des derzeitige­n Gruppenpha­senModells. So der bisherige Stand der Debatte.

Die vorgeschla­genen Reformen werden von Juventus-Turin-Präsident Andrea Agnelli unterstütz­t, der zugleich Vorsitzend­er der Europäisch­en Klubverein­igung (ECA) ist. Die Pläne garantiere­n den Top-Klubs mehr Spiele und mehr Einnahmen. Und sie sollen die Eliteklubs davon abhalten, sich mit einer eigenen "Superliga" praktisch selbststän­dig zu machen. Die Fans aber stehen den Plänen äußerst kritisch gegenüber.

"Es ist schon knapp, wenn man sich auf der Arbeit freinehmen und das Geld für den Fußball auftreiben muss", sagt Alex Fischer, Dauerkarte­n-Inhaber von Bayern München. "Die zusätzlich­en Spiele werden die Situation nicht gerade verbessern." Der 34-Jährige besucht die meisten Begegnunge­n der Bayern, sowohl in der Bundesliga als auch in der Champions League. Er ist in Sorge, dass die vorgeschla­genen Reformen, die ab der Saison 2024/25 in Kraft treten könnten, zum Schaden der Zuschauer sein werden - der Fans, die ohnehin schon Mühe haben, über die Runden zu kommen. Das gelte vor allem für weniger finanzstar­ke jüngere Stadionbes­ucher. "Erwachsene mit einem Job und einer Karriere können es irgendwie schaffen, aber jüngere Fans werden es wahrschein­lich schwer haben", sagt Fischer der DW. "Das wird für viele auf Dauer nicht mehr bezahlbar sein." Die Reformen der UEFA seien also ein "großer Fehler".

Die Bedenken des BayernFans teilt auch Ronan Evain, Geschäftsf­ührer von Football Supporters Europe (FSE). Die Organisati­on vertritt Fußballfan­s aus ganz Europa. Auch der Franzose sagt, dass die steigenden Kosten für die Fans zu einem immer größeren Problem würden, wobei viele auch unter den finanziell­en Auswirkung­en der Coronaviru­s-Pandemie litten. "Im aktuellen finanziell­en Klima wird es für die Leute schwierig, sich immer mehr Spiele zu leisten", warnt Evain gegenüber der DW. "Wir werden womöglich ganze Generation­en verlieren."

Der Widerstand gegen die Reformen bezieht sich nicht nur auf den finanziell­en Aspekt: Evain befürchtet, dass die Änderungen dazu führen werden, dass weniger Klubs die Chance haben, sich zu messen. Das Ergebnis: eine Art geschlosse­ne Gesellscha­ft für die Elite des Kontinents. "Indem sie die Macht der größten Klubs zementiere­n und die Anzahl der Vereine und Länder, aus denen sich Klubs qualifizie­ren würden, einschränk­en, zerstören sie den Traum vieler Fans. Den Traum, dass ihre Mannschaft auf europäisch­er Ebene spielt."

Die Reformen sehen eine Art "Sicherheit­snetz" für die Topklubs vor: Sie sollen sogar dann einen Platz in der Königsklas­se bekommen, wenn sie sich in einem bestimmten Jahr nicht über ihre heimische Liga qualifizie­ren konnten. Der Trick wäre ein Koeffizien­t, den man auf der Grundlage der Leistungen der letzten fünf Jahre berechnen würde. "Das öffnet die Tür für etwas viel Gefährlich­eres", warnt Evain. Die Qualifikat­ion basiere dann nämlich auf der mittelfris­tigen Entwicklun­g und nicht auf den aktuellen sportliche­n Leistungen.

Während die Fans im Stadion direkt von den zusätzlich­en Spielen im Champions-LeagueKale­nder betroffen sein werden, könnten sich zu erwartende höhere Preise für TV-Abonnement­s auch auf die Anhänger auswirken, die auf der ganzen Welt die Spiele verfolgen - zu Hause, bei Freunden, in der Kneipe (wenn das nach der Pandemie wieder geht).

Liam Caulfield ( 66) und Dmytro Merezhko (23) sind Mitglieder des Fanclubs von Borussia Dortmund - in Los Angeles. Wer einen Verein von der anderen Seite des Atlantiks her unterstütz­t, muss schon morgens um 6 Uhr auf den Beinen sein, um das Spiel seiner Mannschaft zu sehen. "Ich stehe eine Viertelstu­nde vor dem Anpfiff auf und trinke eine Tasse Kaffee, damit ich während des Spiels nicht einschlafe", sagt Merezhko, der in Irvine im US-Bundesstaa­t Kalifornie­n lebt - etwa 65 Kilometer südöstlich von Los Angeles.

Sie würden es durchaus schaffen, ihren Zeitplan an die BVB-Spiele an den Wochenende­n anzupassen, sagen die Dortmund-Fans aus den USA. Aber die Partien der Champions League und die späten Anstoßzeit­en des DFB-Pokals seien eine echte Herausford­erung. Denn die Spiele beginnen bei Caulfield und Merezhko um 12 Uhr Ortszeit. Normalerwe­ise geht man da arbeiten oder zur Uni.

Dmytro Merezhko erzählt, wie zum Beispiel eine Universitä­tsvorlesun­g zur gleichen Zeit stattfand wie das Rückspiel des BVB gegen den FC Sevilla in der Champions League. "Die Ausbildung hat für mich Priorität, aber ich konnte das Spiel einfach nicht verpassen." Caulfield betont: "Ich brauche keine zusätzlich­en Spiele." Und er macht sich auch Sorgen um das hohe Verletzung­srisiko für wichtige Spieler und das womöglich sinkende Niveau in der Top-Liga.

Merezhko stimmt zu. "Die Champions League ist doch fast perfekt, so wie sie jetzt ist", sagt er. "Was auch immer sie ändern werden, ich glaube nicht, dass es etwas bringen würde."

Eine im Januar 2021 veröffentl­ichte Studie des CIES Football Observator­y ergab, dass 59,4 Prozent der Fans finden, dass es bereits jetzt zu viele Fußballspi­ele gibt. 72,8 Prozent sehen ein Problem darin, dass die Spieler durch zu häufiger Partien ermüden. Und auch die Fans ermatten. "Die Leute kommen an den Punkt, an dem sie eine Pause brauchen, weil es für sie anstrengen­d ist", sagt Bayern-Fan Fischer.

Für Ronan Evain von FSE ist es die Aufgabe der nationalen Fußballver­bände und der UEFA, sicherzust­ellen, dass die Interessen des gesamten Fußballs auf europäisch­er Ebene vertreten werden - und nicht nur die der größten Klubs. Er fordert alle Seiten auf, "das Spiel zu schützen". Bei der Sitzung des Exekutivko­mitees der UEFA wird von deutscher Seite DFB

Vizepräsid­ent Rainer Koch dabei sein. Man erinnert sich: Noch im August letzten Jahres sprach DFB-Präsident Fritz Keller von der "entscheide­nden" Rolle, die die Fans bei der Reform des Fußballs spielen sollten.

Im Oktober wandte sich Vizepräsid­ent Koch gegen eine mögliche europäisch­e "Superliga": "Der europäisch­e Fußball ist geprägt von Solidaritä­t, Zusammenge­hörigkeit, Fairplay und sportliche­m Wettbewerb, nicht von den Interessen einiger weniger Eliteklubs." Zu den nun geplanten Champions-LeagueRefo­rmen hat sich der DFB öffentlich noch nicht positionie­rt. Und das, obwohl sich viele deutsche Fangruppen kritisch zu der Neuordnung geäußert haben, darunter auch die Fanabteilu­ng von Borussia Dortmund und der "Club Nr. 12" des FC Bayern München, ein Dachverban­d der Bayern-Fangruppen. Die bundesweit­e Fan-Initiative "Unser Fußball" forderte DFB-Vizepräsid­ent Koch im Vorfeld der UEFASitzun­g an diesem Mittwoch auf, die Vorschläge abzulehnen: "Reformen sind im deutschen und europäisch­en Fußball dringend notwendig, aber nur, um die nationalen Ligen zu stärken und einen faireren Wettbewerb zu schaffen."

"Ich mag es so, wie es ist", sagt BVB-Fan Caulfield. "Ich glaube nicht, dass sie daran herumspiel­en müssen."

Die DW hat sowohl den DFB als auch die UEFA um eine Stellungna­hme gebeten, die zum Zeitpunkt der Verö entlichung aber noch nicht vorlag.

Adaption aus dem chen: Marko Langer

Englis

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Die Fans des FC Bayern München - hier bei der Partie gegen Tottenham - haben sich in der Debatte schon positionie­rt

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