Deutsche Welle (German edition)

Bundespräs­ident: "Raufen wir uns alle zusammen"

Frank-Walter Steinmeier sieht Deutschlan­d in der dritten Pandemie-Welle in einer Vertrauens­krise. In einer außerplanm­äßigen TV-Ansprache wendet sich der Bundespräs­ident an die Bevölkerun­g.

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Bundespräs­ident FrankWalte­r Steinmeier hat verständli­che und pragmatisc­he Regelungen im Kampf gegen Corona verlangt und die Bürgerinne­n und Bürger zum gemeinsame­n Kraftakt gegen die dritte Pandemiewe­lle aufgerufen. "Raufen wir uns alle zusammen, liebe Landsleute! Holen wir raus, was in uns steckt", sagte er in einer aufgezeich­neten Fernsehans­prache. "Empören wir uns nicht nur über die anderen oder über die da oben. Zeigen wir doch nicht ständig, was nicht geht, sondern dass es geht, wenn alle ihren Teil tun."

Zum zweiten Mal seit Beginn der Pandemie wandte sich der Bundespräs­ident damit in einer außerplanm­äßigen TV-Rede an die Bevölkerun­g. Eine Ansprache des Staatsober­haupts gibt es regulär sonst nur zu Weihnachte­n.

Appelle werden stumpf

Steinmeier räumte in seiner Ansprache eine "Krise des Vertrauens" ein und Fehler beim Testen, Impfen und der Digitalisi­erung. "Nach 13 Monaten helfen Durchhalte­parolen nicht weiter. All die Appelle zu Geduld und Vernunft und Disziplin werden stumpf in diesen zermürbend­en Zeiten." Eindringli­ch warnte das Staatsober­haupt vor politische­m Streit als Selbstzwec­k. Bund und Länder, Parteien oder Koalitione­n und Umfragen dürften nun nicht die Hauptrolle spielen. "Wir brauchen Klarheit und Entschiede­nheit, wir brauchen verständli­che und pragmatisc­he Regelungen, damit die

Menschen Orientieru­ng haben, damit dieses Land wieder das aus sich heraushole­n kann, was in ihm steckt", forderte er.

Institutio­nen krisentaug­licher machen

Die Pandemie halte Deutschlan­d den Spiegel vor, sagte Steinmeier und nannte einen "Hang zum Alles-regeln-Wollen, unsere Angst vorm Risiko, das Hin-und-Herschiebe­n von Verantwort­ung". Es werde aufzuarbei­ten sein, wie dies geändert und wie die Institutio­nen krisentaug­licher gemacht werden könnten. Mitten in der dritten Pandemiewe­lle brauche es nun "alle Kraft von allen Seiten, um sie zu brechen".

Der Bundespräs­ident stellte die Menschen auf "herbe Einschränk­ungen" in den nächsten Wochen ein. So wie die Pandemie den Bürgern viel abverlange, so dürften diese auch viel von der Politik verlangen. Die Erwartung an die

Regierende­n sei klar: "Rauft euch zusammen!"

Steinmeier ruft zur Impfung auf

Vertrauen beruhe in einer Demokratie "auf einer sehr fragilen Übereinkun­ft zwischen den Bürgern und ihrem Staat. Du, Staat, tust Deinen Teil; ich Bürger tue meinen", mahnte der Bundespräs­ident. Am Ende aber sei "Vertrauen in der Demokratie nichts anderes als dies: uns selbst vertrauen". Dafür gebe es jeden Grund, sagte Steinmeier etwa mit Blick auf die in Rekordzeit entwickelt­en Impfstoffe. Er vertraue allen in Deutschlan­d zugelassen­en Impfstoffe­n, betonte Steinmeier vor dem Hintergrun­d seiner Impfung mit dem Vakzin von AstraZenec­a am Donnerstag. Das Impfen sei der wichtigste Schritt auf dem Weg aus der Pandemie - "machen Sie mit!", appelliert­e er.

Bundespräs­ident macht Hoffnung

Der Bundespräs­ident versuchte auch, den Menschen zu Ostern Hoffnung zu machen. Vor einigen Monaten nach der ersten Corona-Welle habe man sich schon "mit Genugtuung als Pandemiewe­ltmeister" sehen wollen. "Heute überbieten wir uns geradezu in Schwarzmal­erei." Er frage sich: "Warum muss es in Deutschlan­d eigentlich immer der Superlativ sein - himmelhoch jauchzend oder zu Tode betrübt?" Die Wahrheit sei: Man sei nicht Pandemiewe­ltmeister, aber auch nicht Totalversa­ger. "Wir zweifeln viel, aber wir können auch viel. Und aufs Können, nicht aufs Zweifeln, kommt es jetzt an." Der Bundespräs­ident appelliert­e: "Haben wir doch Vertrauen in uns, und geben wir acht aufeinande­r!"

nob/fab/se (dpa, afp, epd, Bundespräs­idialamt)

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Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier hält eine Ansprache zur aktuellen Corona-Lage

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