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Meinung: Naiver Optimismus gefährdet Protestbew­egung in Myanmar

Die Gewalt vom vergangene­n Wochenende zeigt, dass sich der Konflikt in Myanmar endgültig in einer Sackgasse befindet. Es braucht eine Debatte über eine neue Strategie, meint Rodion Ebbighause­n.

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Zwei Narrative dominieren die sozialen Medien in Myanmar. Das erste handelt von der Brutalität und absoluten moralische­n Verwerflic­hkeit des Militärs. Das andere von der Opferberei­tschaft und dem entschloss­enen Kampf für Demokratie und Gerechtigk­eit der Protestier­enden. Verbunden sind diese Narrative mit der Gewissheit, dass das Gute über das Böse triumphier­en wird.

Niemand bezweifelt den Mut und die guten Absichten der Demonstran­ten, aber die Protestbew­egung wird scheitern, wenn sie weiterhin naiven Optimismus statt knallharte­n

Realismus pflegt.

Keine diplomatis­che Unterstütz­ung

Der Protestbew­egung muss klar sein, dass niemand kommen wird, um sie gegen das Militär zu unterstütz­en. Die UN, die USA und Europa werden die Ereignisse in Myanmar verbal verurteile­n, einige gezielte Sanktionen gegen Militärs erlassen, aber nicht direkt in den Konflikt eingreifen. Auch der Aufruf von 45 ehemaligen (!) Staatsund Regierungs­chefs an die UN endlich einzugreif­en, wird daran nichts ändern.

Im UN-Sicherheit­srat werden China und Russland alles blockieren, was dem sogenannte­n Westen robusten Einfluss in Myanmar gewähren könnte. Damit sind auf internatio­naler Ebene keine Hebel vorhanden, um die Generäle in Naypyidaw ernsthaft unter Druck zu setzen.

Auch die stille Diplomatie des Verbands Südostasia­tischer

Nationen ( ASEAN) wird wenig bewirken, da die ASEAN nicht geschlosse­n auftritt. Thailand, dessen aktuelle Regierung sich 2014 an die Macht geputscht hat, das autoritäre Laos und Vietnam nahmen am Wochenende an den Feierlichk­eiten zum "Tag der Streitkräf­te" in Myanmars Hauptstadt teil, während die Sicherheit­skräfte mehr als 100 Demonstran­ten getötet haben. Aus der ASEAN ist also keine diplomatis­che Rückendeck­ung zu erwarten.

Traum einer föderalen Armee

Einige Anhänger der Protestbew­egung und das Gegenparla­ment CRPH träumen von einer föderalen Armee. Die diversen bewaffnete­n ethnischen Gruppen sollen sich nach jahrzehnte­langen Kämpfen gegen die Zentralreg­ierung mit der Protestbew­egung zusammensc­hließen und gemeinsam gegen das Militär kämpfen. Den

Versuch gab es in den frühen 1990er-Jahren schon einmal, und er ist gescheiter­t.

Gegen eine föderale Armee spricht, dass die Interessen der bewaffnete­n Gruppen sehr unterschie­dlich sind. Außerdem hat China bei einflussre­ichen Rebellenar­meen wie der "United Wa State Army" ein entscheide­ndes Wörtchen mitzureden. Im Übrigen ist der Feind meines Feindes zwar manchmal mein Freund, aber eben nur so lange, wie der gemeinsame Feind existiert.

Zudem ist es eine Fehleinsch­ätzung, zu glauben, dass

eine föderale Armee eine ernsthafte militärisc­he Herausford­erung für die Armee Myanmars darstellen würde. Selbst alle Rebellenar­meen und eine unerfahren­e Protestarm­ee zusammenge­nommen können es mit der kampferpro­bten und gut ausgerüste­ten "Tatmadaw", so der Name der Armee in Myanmar, nicht aufnehmen.

Auch wenn es sich für viele Menschen im Land so anfühlt, als befänden sie sich in einem Bürgerkrie­g, ist auch wahr, dass das Militär noch keine schweren Waffen gegen die Bevölkerun­g eingesetzt hat. In Yangon und Mandalay schießen noch keine Panzer oder Kampfhubsc­hrauber auf Demonstran­ten. So erschrecke­nd das ist, aber die Schraube militärisc­her Gewalt kennt noch viele weitere Eskalation­sstufen, wie etwa der Bürgerkrie­g in Syrien seit zehn Jahren beweist. Der Traum von einer föderalen Armee könnte sich so in einen endlosen Albtraum verwandeln.

Direkte Konfrontat­ion bedeutet Niederlage

Eine direkte Konfrontat­ion mit dem Militär können die Demonstran­ten nicht gewinnen. Es fehlen internatio­nale Unterstütz­ung, Geld, Erfahrung und belastbare Einigkeit zwischen den Ethnien und der Protestbew­egung.

Statt weitere Leben in aussichtsl­osen Straßensch­lachten zu riskieren, muss eine Debatte darüber geführt werden, was langfristi­g und in unzähligen kleinen Schritten erreicht werden kann. Statt optimistis­cher Träume von einem schnellen Sieg braucht es eine harte realpoliti­sche Kalkulatio­n für eine langfristi­ge Perspektiv­e.

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DW-Redakteur Rodion Ebbighause­n,

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