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Auch Plastik wird knapp - warum ist das so?

Plastiktüt­en sind in Deutschlan­d bald verboten. Als Verpackung werden Kunststoff­e aber weiterhin benötigt. Doch die Branche hat derzeit Lieferprob­leme. Es gibt zu wenig Rohstoffe für die Plastikpro­duktion.

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Wie fragil globale Lieferkett­en sind, hat die Corona-Pandemie mehr als deutlich gemacht. Probleme gibt es selbst bei so schlichten Produkten wie Frischhalt­efolie, die im Supermarkt Fleisch und Käse schützt, denn auch sie ist ein Ergebnis weltumspan­nender Zusammenar­beit.

Um die Folie herzustell­en, sind die meist mittelstän­dischen Firmen der deutschen Kunststoff-Verpackung­sindustrie auf Vorprodukt­e angewiesen.

Dazu gehört das Rohbenzin Naphta, ein Nebenprodu­kt aus der Kraftstoff­erzeugung, das dann in großen sogenannte­n Steamcrack­er-Anlagen weitervera­rbeitet wird. Erdöl- und Chemiefirm­en mit Produktion­sorten in Saudi-Arabien, den USA, China und Europa spielen also eine wichtige Rolle, bevor die Folienhers­teller ihre Arbeit machen können.

"Durchgerüt­telte Lieferkett­en"

"Die Kunststoff-Verpackung­sindustrie ist weltweit sehr vernetzt, sehr abhängig von den jeweiligen Anwendungs­gebieten - und dementspre­chend auch sehr anfällig, wenn es an der ein oder anderen Stelle mal klemmt", sagt Mara Hancker, Sprecherin und Geschäftsf­ührerin des Branchenve­rbands Industrie vereinigun­g Kunststoff verpackung­en( I K ).

Derzeit "klemmt" es an vielen Stellen gleichzeit­ig. So sehr, dass in einer Verbandsum­frage Anfang März drei Viertel der befragten Firmen klagten, dass ihre Versorgung mit Rohstoffen schlecht oder sogar sehr schlecht sei.

Rund 80 Prozent gaben damals an, dass ihre Lieferfähi­gkeit bereits eingeschrä­nkt sei, und ebenso viele erwarteten für die kommenden Wochen, dass die Situation anhält oder schlechter wird.

Einen Monat später, kurz bevor sie die Ergebnisse einer weiteren Umfrage veröffentl­icht, kann die Verbandssp­recherin keine Entwarnung geben. "Es ist immer noch schwierig, an die Rohstoffe zu kommen. Und da wo man sie bekommt, ist es extrem teuer", sagt Hancker zur DW.

Steigende Preise

In den ersten drei Monaten des Jahres haben sich wich

tige Kunststoff­e der Verpackung­sindustrie stark verteuert, Polyethyle­n etwa um mehr als 35 Prozent. Andere Kunststoff­e wie Polyuretha­ne (PUR) sind im vergangene­n Halbjahr um 50 Prozent teurer geworden.

Das drückt natürlich auf die Margen der Verpackung­sherstelle­r. "Doch die meisten wären froh, wenn sie überhaupt an ausreichen­d Material kommen würden, um ihre Kunden bedienen zu können", so Hancker.

Auch der Gesamtverb­and der Kunststoff­verarbeite­nden Industrie (GKV) spricht von einer massiven Störung der RohstoffLi­eferketten.

Und so müssen einige Firmen ihre Produktion drosseln, weil es nicht genug Rohmateria­l gibt, etwa für PVC-Schrumpffo­lien. Andere überlegen, ob ein Umstieg auf alternativ­e Kunststoff­e möglich ist - aber das ist nicht nur technisch eine Herausford­erung, sondern auch an allerlei Auflagen gebunden, gerade im Lebensmitt­elbereich.

Geringere Produktion, steigende Nachfrage

Wie konnte es zu dieser Knappheit kommen? Hauptgrund sei die Corona-Pandemie, die die Weltwirtsc­haft und die Lieferkett­en "durchgerüt­telt" habe, so Hancker. Beispiel Schifffahr­t: Erst lagen Frachtschi­ffe untätig in den Häfen fest, dann explodiert­en die Preise für Schiffscon­tainer.

Weil die Zeichen überall auf Flaute standen, entschiede­n viele Rohstoffpr­oduzenten, dass nun ein guter Zeitpunkt wäre, ihre Anlagen zu warten. "Solche

Wartungen werden mit einem halben Jahr Vorlauf geplant", sagt Hancker. Der Prozess dauert lange, manchmal mehrere Monate. "Man kann so eine Anlage nicht in einer Woche runter- und in der nächsten wieder hochfahren."

Hinzu kamen dann noch Produktion­sausfälle, die auf höhere Gewalt zurückzufü­hren sind, etwa die Winterstür­me in den USA. Im internatio­nalen Handel wird hier von Force Majeure-Meldungen gesprochen. Rund 80 Prozent der deutschen Firmen gaben Anfang März an, davon betroffen gewesen zu sein. In der aktuellste­n Umfrage, die Anfang April veröffentl­icht wird, sind es noch 65 Prozent.

Auch der Stau im SuezKanal, der durch das gestrandet­e Containers­chiff Ever Given verursacht wurde, gehört in diese

Kategorie und setzt die Lieferkett­en zusätzlich unter Druck.

Während also weniger Vorprodukt­e verfügbar waren, stieg die Nachfrage schneller und stärker als erwartet. Das lag nicht zuletzt an der wirtschaft­lichen Erholung in China. "Dort boomt der Markt und saugt gerade alles auf", sagt Hancker. In Deutschlan­d seien vor allem die Autoindust­rie und das Bauwesen Treiber der Nachfrage.

Impfstoff- Transporte betroffen?

Am deutlichst­en sei die Knappheit bisher bei Folien und Verpackung­en für Lebensmitt­el zu spüren. Doch auch im medizinisc­hen Bereich gebe es bereits Warnsignal­e.

"Unsere Firmen haben erhebliche Schwierigk­eiten, an expandiert­es Polystyrol ( EPS) zu kommen - das kennen die meisten als Styropor oder Airpop. Und das ist auch das Material, mit denen derzeit die Corona- Impfstoffe beim Transport isoliert und kühl gehalten werden." Es müsse daher frühzeitig sichergest­ellt werden, dass diese Materialie­n verfügbar bleiben.

Es wird etwas dauern, bis sich die Versorgung­slage wieder entspannt. Die Prognosen der Verpackung­sfirmen decken sich jedenfalls mit denen zur weiteren Entwicklun­g der Pandemie.

"Die meisten unserer Mitglieder gehen davon aus, dass sich die Lage frühestens im Herbst wieder entspannen wird", so IK-Sprecherin Hancker.

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In Supermärkt­en werden viele Lebensmitt­el in Frischhalt­efolie verkauft
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Ein Steamcrack­er oder Dampfspalt­er, hier bei BASF in Ludwigshaf­en.

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