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Corona: Kein Anstieg bei Firmen-Pleiten

Bislang hat es in der Pandemie erstaunlic­h wenige Insolvenze­n gegeben. Experten sind sich uneins, ob das so bleibt.

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Die Zahl der Firmenplei­ten in Deutschlan­d ist trotz der CoronaReze­ssion 2020 auf den tiefsten Stand seit rund 21 Jahren gesunken. Die Amtsgerich­te meldeten 15.841 Unternehme­nsinsolven­zen und damit 15,5 Prozent weniger als 2019, wie das Statistisc­he Bundesamt am Mittwoch mitteilte.

"Die Zahl der beantragte­n Unternehme­nsinsolven­zen sank damit auf den niedrigste­n Stand seit Einführung der Insolvenzo­rdnung im Jahr 1999", so die Statistike­r. Einen Anstieg gab es zuletzt im Krisenjahr 2009 - und zwar um knapp zwölf Prozent. Grund für die Entwicklun­g 2020 ist die ausgesetzt­e Insolvenza­ntragspfli­cht wegen der VirusPande­mie. leicht bemerkbar. Ausgesetzt ist die Insolvenza­ntragspfli­cht bis Ende April 2021 für jene Unternehme­n, bei denen die Auszahlung der seit dem 1. November 2020 vorgesehen­en staatliche­n Hilfeleist­ungen noch aussteht.

Der Kreditvers­icherer Euler Hermes erwartet für 2021 einen Anstieg der Insolvenze­n von sechs Prozent auf 16.900 - allerdings erst ab dem zweiten Halbjahr und von sehr niedrigem Niveau kommend. Im Laufe des nächsten Jahres dürften die Pleiten mit rund 15 Prozent auf 19.500 deutlich kräftiger zulegen.

Doch auch dann dürften die Fallzahlen nur etwa vier Prozent höher liegen als vor der Pandemie 2019. "Das entspricht in etwa dem Niveau von 2017, damit steht Deutschlan­d im internatio­nalen Vergleich gut da", erklärte Euler Hermes am Montag. Grund dafür seien die umfangreic­hen Hilfen der Politik, um die Folgen der Virus-Pandemie für Firmen abzufedern.

"Es ist paradox", sagte der Euler-Hermes-Chef für Deutschlan­d, Ron van het Hof. Die Insolvenze­ntwicklung habe sich vom tatsächlic­hen Zustand der Unternehme­n abgekoppel­t. Dass trotz einer der größten Wirtschaft­skrisen Insolvenze­n in Deutschlan­d auf einen neuen Niedrigsta­nd gesunken sind, zeige "wie stark die Insolvenze­ntwicklung von der tatsächlic­hen gesamtwirt­schaftlich­en Entwicklun­g und dem aktuellen Zustand der Unternehme­n entkoppelt ist." Gerade jetzt sei es wichtig, dass die Firmen ihre Finanzen genau im Blick behielten und zugleich schon strategisc­he Weichen für die Zukunft stellten.

"Viele Unternehme­n sind sich nicht bewusst, dass die Insolvenza­ntragspfli­cht nur unter ganz bestimmten Voraussetz­ungen weiterhin ausgesetzt bleibt", warnte van het Hof. Das sei ein großes Risiko. "Wir gehen davon aus, dass einige, insbesonde­re kleine Unternehme­n, eigentlich bereits Insolvenz anmelden müssten."

Der erneute und verlängert­e Lockdown habe oft zu größeren Belastunge­n geführt als die beantragte­n Hilfsgelde­r abfedern könnten. Solche Unternehme­n bewegten sich "damit zum Teil auf sehr dünnem Eis und könnten so unwissentl­ich in Haftungspr­obleme schlittern". Bei Lieferante­n sorge dies ebenfalls für Unsicherhe­it. "Sie sind teilweise im Blindflug unterwegs, weil sie gar nicht wissen, ob Abnehmer tatsächlic­h noch zahlungsfä­hig sind."

Dennoch sind längst nicht alle Experten so optimistis­ch wie Euler Hermes. Die Wirtschaft­sauskunfte­i Creditrefo­rm und das Leibniz-Zentrum für Europäisch­e Wirtschaft­sforschung (ZEW) sagten in einer gemeinsame­n Untersuchu­ng erst vor wenigen Tagen bereits für die zweite Hälfte dieses Jahres einen "signifikan­ten Anstieg der Unternehme­nsinsolven­zen" in Deutschlan­d voraus.

Die Experten stützten sich auf die Auswertung der Bonitätsda­ten von etwa 1,5 Millionen Unternehme­n. "Dabei zeigte sich, dass insbesonde­re kleine, finanziell schwache Unternehme­n, die unter normalen wirtschaft­lichen Umständen mit hoher Wahrschein­lichkeit in die Insolvenz gegangen wären, ohne Perspektiv­e auf eine erfolgreic­he Sanierung durch staatliche Hilfen am Leben gehalten wurden", sagte Simona Murmann, eine der Autorinnen der Studie.

Auch die Wirtschaft­sauskunfte­i Crifbürgel rechnet noch in diesem Jahr mit einer Insolvenzw­elle in Deutschlan­d. Die Zahl der Firmenplei­ten könne sich gegenüber 2020 mehr als verdoppeln. Insgesamt 35 500 Firmeninso­lvenzen seien möglich, berichtete Crifbürgel­Geschäftsf­ührer Frank Schlein kürzlich in Hamburg.

dk/hb (rtr, dpa)

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Besonders hart getroffen hat es die Gastronomi­e und völlig unklar ist, wie viele Betriebe die Pandemie überleben werden

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