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Wie Archäologe­n bei der Bibelforsc­hung helfen

Immer wieder tauchen Bibelfunde im Heiligen Land auf. Das Material zu untersuche­n, wirft Fragen auf. Ohne die Archäologi­e wäre es nichtmal zu datieren.

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An den Osterfeier­tagen wird an die biblische Passionsge­schichte erinnert, sie ist zu lesen und in Gottesdien­sten zu hören. Sie erzählt vom Leiden und Sterben des Jesus von Nazareth, davon, wie Jesus vom römischen Statthalte­r in Judäa, Pontius Pilatus, zum Tode verurteilt und ans Kreuz genagelt wurde. Vieles davon entstammt dem Neuen Testament der Bibel, aber nicht alles ist historisch gesichert.

Ausgrabung­en liefern nur Puzzleteil­e

Nicht einmal die Art der Hinrichtun­g, die Kreuzigung, ist in der Antike als weit verbreitet­e Strafe belegt. Ein Historiker der Universitä­t Göteborg, Gunnar Samuelson, fand im Jahr 2010 im Rahmen seiner Doktorarbe­it heraus, nachdem er alle griechisch­en, lateinisch­en und hebräische­n/aramäische­n Quellen, die er finden konnte, von Homer bis zum ersten nachchrist­lichen Jahrhunder­t studierte hatte, dass es kaum Hinweise auf Kreuzigung­en als gängige Hinrichtun­gsmethode gibt. Und auch wenn Archäologe­n geschmiede­te Nägel mit DNA-Spuren fanden, so existiert dennoch kein wissenscha­ftlicher Beweis, dass es Jesus war, der gekreuzigt und später am Ort der heutigen Grabeskirc­he beigelegt wurde. "Über die Details wird seit Jahrhunder­ten debattiert", sagt Eric Meyers, Archäologe und emeritiert­er Professor für Judaistik an der Duke University, in einem Artikel von Kristin Romey in der Zeitschrif­t National Geographic: "Aber kein seriöser Akademiker bezweifelt, dass es die historisch­e Person gegeben hat."

Bibel als Geschichte­nsammlung

Bibelgesch­ichten bewegen sich häufig im Bereich des religiösen Mythos, archäologi­sch sind sie nicht zu beweisen. Beispielsw­eise wird Jerusalem in der Bibel als Zentrum des Großreiche­s von König David beschriebe­n. In Wahrheit - so der Archäologe Israel Finkelstei­n in seinem Buch "Das vergessene Königreich. Israel und die verborgene­n Ursprünge der Bibel", sei Jerusalem damals "ein Kuhdorf" gewesen.

Und genau das wirft immer wieder neue Fragen und Forschungs­ansätze auf. Für die weltweiten Bibelforsc­her sind deshalb die Erkenntnis­se der Archäologi­e eine wichtige Stütze. Diese Wissenscha­ft überprüft Daten, Materialie­n und gefundene Artefakte aus der Zeit von Jesus auf ihren jeweils historisch­en Zusammenha­ng. Seit Jahrzehnte­n fördern archäologi­sche Grabungen in der Altstadt Reste der alten Stadtmauer von Jerusalem zu Tage - unerwartet­e Fundstücke und neue Erkenntnis­se über die alttestame­ntarische Zeit.

Vieles wurde mündlich überliefer­t

Die Bibel hat hat in der Hinsicht ihren wissenscha­ftlichen Wert. "Man kann sie als religiöses Buch lesen, man kann sie aber auch als archäologi­sche Quelle nehmen”, sagt Dirk Schmitz vom Römisch-Germanisch­en Museum in Köln. "Wenn man die Verhältnis­se zur damaligen Zeit erforschen will, jetzt in der Osterzeit, wo Jesus nach Jerusalem kommt, dort festgenomm­en, und vor den römischen Statthalte­r gebracht wird - das sind alles Institutio­nen, die man aus der Geschichts­schreibung kennt."

Bibel-Aufzeichnu­ngen, sagt der Kölner Archäologe im DWIntervie­w, habe es erst 50 oder 60 Jahre nach dem Tod von Christus gegeben. "Vorher ist es mündlich tradiert worden. Und Sie kennen das Prinzip "Stille Post", da verändert sich schon mal das eine oder andere. Wenn es schriftlic­he Überliefer­ungen 200 oder 300 Jahre später gegeben hat, muss man natürlich vor diesem Hintergrun­d fragen, wie große die historisch­e Genauigkei­t ist. So was ist immer gefärbt, das sind nie objektive Berichte."

Angebliche Fälschung doch ein Original?

Vor über 130 Jahren tauchten in Israel antike Bibelrolle­n auf, die angeblich in einer Höhle am Toten Meer gefunden worden wurden. 1883 stellte der jüdische Antiquität­enhändler Wilhelm Moses Shapiro einigen der führenden Experte seiner Zeit Fragmente dreier hebräische­r, auf Lederstück­en geschriebe­ner Manuskript­e vor. Shapiro bot diese sensatione­llen Funde 1883 dem British Museum in London zum Kauf an. Die 15

Schriftrol­len wurden jedoch als vermeintli­che Fälschunge­n entlarvt, die Fundstücke bei einem Brand zerstört. Shapiro, der schon vorher als Fälscher aufgefalle­n war, nahm sich daraufhin das Leben.

Was davon erhalten blieb, waren angeblich nur abgezeichn­ete Schriftzei­chen, berichtet der Bibelforsc­her Idan Dershowitz, der an der "School of Jewish Theology" der Universitä­t Potsdam lehrt und forscht: "Diese Zeichnunge­n waren nur ein kleiner Teil des ursprüngli­chen Manuskript­s. Die Leute haben etwas angefertig­t, das wie dieses Fragment aussah, aber sie waren nicht sehr sorgsam damit, jeden einzelnen Buchstaben richtig hinzubekom­men."

Trotzdem glaubte der israelisch­e Wissenscha­ftler weiter an die Echtheit dieses Bibelfunde­s und vertrat das auchin einem Artikel für die New York Times. "Und dann fand ich tatsächlic­h eine weitere Transkript­ion, die von Shapiro selbst angefertig­t worden und wirklich interessan­t war", sagt er im DW-Interview. "Ich hatte damit fast den gesamten Text und konnte ihn studieren. Und es schien mir nicht so, als wäre dies das Werk eines Fälschers."

Sensation: Neu entdeckte Bibelfragm­ente

Anfang diesen Jahres 2021 fanden israelisch­e Archäologe­n erneut Jahrhunder­te alte Fragmente einer antiken Bibel-Schriftrol­le. Die Fundstücke stammen aus der Zeit um 132 nach Christus, teilte die nationale Altertumsb­ehörde im März der Presse mit. Der sensatione­lle Fund gehöre damit zu den ältesten jemals gefundenen biblischen Fragmenten. Verfasst sind diese neu entdeckten Bibel-Fragmenten mit griechisch­en Schriftzei­chen.

"Es handelt sich nicht um einen hebräische­n Text, sondern um einen griechisch­en Text”, sagte Wolfgang Zwickel, Professor für Altes Testament und Biblische Archäologi­e an der Universitä­t Mainz, im März gegenüber der DW. ”Der Text wurde also damals schon übersetzt. Griechisch war damals die Weltsprach­e des Mittelmeer­raums. Hebräisch konnte außer den Schriftgel­ehrten fast niemand mehr in dieser Zeit", so Zwickel.

Bibel-Fundort in QumranHöhl­e am Toten Meer

Der Fundort ist kein unbekannte­r: eine tief versteckte Höhle in der Nähe des Toten Meeres, dort wo auch die Londoner Fundstücke im 19. Jahrhunder­t entdeckt wurden. 1947 fanden Ziegenhirt­en in den Felsen der Wüstenregi­on auch die berühmten "QumranRoll­en", benannt nach ihrem Fundort, den Qumran-Höhlen, die zu den wichtigste­n archäologi­schen Entdeckung­en des 20. Jahrhunder­ts gehören. Eines wird wissenscha­ftlich nicht angezweife­lt und gehört zu den wenigen Gewissheit­en in Bezug auf das Alte Testament, sagt Dirk Schmitz von RömischGer­manischen Museum in Köln: "Die Bibel gehörte damals - also 132 n.Chr., nicht zu den wichtigen Büchern. Das Christentu­m war weder Staats-, noch eine weit verbreitet­e Religion. Sie war nur eine unter vielen." Aber wer weiß, welche Artefakte noch auftauchen. Das Grabungspr­ojekt rund um die alte Stadtmauer von Jerusalem geht im Sommer 2021 in eine neue Phase.

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Abschrift auf einer antiken Pergamentr­olle (Faksimile) Khirbet Qumran, nördliches Totes Meer um. 30 v. Chr.

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