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Keine Oscars in Hongkong - nutzt China seinen Einfluss?
Gleich mehrere Film aus Hongkong haben dieses Jahr Chancen auf einen Oscar. Doch die Preisverleihung wird nicht im Fernsehen gezeigt. Steckt China dahinter?
Zum ersten Mal seit 50 Jahren werden die TV-Sender in Hongkong die Oscar-Verleihung wohl nicht im Fernsehen übertragen. Diese Nachricht weckt Sorgen vor einer zunehmend schärferen Zensur in der Sonderverwaltungszone.
Der Schritt, der diese Woche bekanntgegeben wurde, könnte zum breiteren Vorgehen Pekings gegen reale oder vermeintliche Gegner gehören, fürchten Kritiker. In diesem Fall ist die chinesische Regisseurin Chloe Zhao Zielscheibe der Zensur: Ihr Film "Nomadland" ist für den Oscar in der Kategorie "Bester Film" nominiert. Mehr noch: Chloe Zhao gilt als Favoritin bei der Preisverleihung am 26. April.
Die Aufsichtsbehörde für Medien in Peking habe alle Medienhäuser, die unter staatlicher Kontrolle stehen, angewiesen, die Oscars nicht live zu übertragen und das Ereignis in der nachfolgenden Berichterstattung "herunterzuspielen", berichtete die US-amerikanische Nachrichtenagentur Bloomberg Anfang des Monats.
Die englischsprachige Hongkonger Zeitung "The Standard" vermutete, dass das OscarVerbot in Hongkong eine Reaktion auf Zhaos Kommentare sei. Der Hollywood Reporter zitierte Insider, die mit der chinesischen Industrie vertraut sind: Peking habe seine Kontrolle über USImportfilme verschärft und reagiere auf vermeintliche AntiChina-Kritik von Regisseuren, hieß es da.
Tatsächlich verkündete der größte frei zugängliche Sender in Hongkong, diese Woche, er habe die geplante Ausstrahlung der Preisverleihung abgesagt. Der Sender gilt als Pekingfreundlich. Er gehört in Teilen Geschäftsleuten auf dem chinesischen Festland. Auf seinem en gl i s c h s prac h i gen K a n a l überträgt TVB die Oscars normalerweise jedes Jahr - und zwar ununterbrochen seit 1969.
TVB ließ verlauten, für die Entscheidung gebe es "rein kommerzielle" Gründe. Niemand in Hongkong wolle die Oscars sehen. Diese Behauptung überrascht erst recht, da in diesem Jahr gleich zwei Filme mit Hongkong- Bezug nominiert sind: "Better Days", ein Anti-MobbingFilm des Hongkonger Regisseurs Derek Tsang, hat Gewinnchancen in der Kategorie "Bester
Internationaler Film". Außerdem ist der Dokumentarfilm "Do Not Split" nominiert. Der USamerikanisch/norwegische Film von Anders Hammer hat sich mit der Demokratiebewegung in Hongkong, den Massendemonstrationen und dem brutalen Vorgehen der Polizei gegen die Demonstranten im Jahr 2019 beschäftigt.
Dieser Film könnte der Regierung von Hongkong missfallen haben. Der wahre Grund für die Entscheidung, die Preisverleihung nicht auszustrahlen, könnten allerdings frühere Interviews der "Nomadland"-Regisseurin Chloe Zhao sein, die jetzt aus den Tiefen des Internets hervorgeholt wurden. Darin soll sie sich angeblich kritisch über die chinesische Festlandsregierung geäußert haben, doch ist das Interpretationssache: Vor rund zehn Jahren äußerte sich Zhao gegenüber dem New Yorker Magazin "Filmmaker"; die Inspiration zu ihrem ersten Spielfilm "Songs My Brothers Taught Me" (2015) über ein Mitglied der First Nations in einem Reservat in North Dakota entstamme ihrer eigenen Kindheit, so Zhao damals: "Es erinnerte mich daran, ein Teenager in China zu sein, an einem Ort, an dem überall gelogen wird." Unklar ist, ob Zhao damit ein autoritäres Regime kritisierte - oder es sich um eine Beschreibung der universellen Ängsten von Jugendlichen handelt.
Chloe Zhao gewann erst Ende Februar - als erste asiatische Frau - die Golden Globes als Beste Regisseurin und für den Besten Film. Doch genügte der Internetfund jetzt offenbar, Peking zu verstimmen. Hatten die Medien auf dem chinesischen Festland Zhao zunächst als Nationalheldin gefeiert, ruderten sie jetzt zurück. Die Zensurbehörden in Peking entfernten im staatlich kontrollierten chinesischen Internet die meisten Hinweise auf Zhao und "Nomadland". Nun geht die Sorge um, dass der Film doch nicht in China in die Kinos kommt, obwohl er die Zensurbehörde bereits passiert hatte und ein Kinostart für den 23. April geplant war.
Hu Xijin, der Herausgeber der einflussreichen, staatlich unterstützten Boulevardzeitung "Global Times", kommentierte die Vorgänge so: "Die andauernde Gegenreaktion gegen Zhao ist der Preis, den sie für das, was sie gesagt hat, zahlen muss. Aber ich denke nicht, dass es notwendig ist, den Film aus den Kinos zu nehmen. Um China offen zu halten, muss man in der Lage zu sein, einige Konflikte und Ungereimtheiten auszuhalten", schrieb Hu in einem weit verbreiteten Weibo-Post. Weibo ist der größte chinesische Mikroblogging-Dienst, vergleichbar mit dem US-amerikanischen WhatsApp. "Die chinesischen Zuschauer", so Hu Xijin, "werden selbst entscheiden, wie sie über Zhao und ihre Filme denken. Der Markt entscheidet."
Dennoch bildet Zhao mit "Nomadland" keine Ausnahme. Die Zensurmaßnahmen gegen sie und die Oscars fügen sich offenbar in eine breitere Kampagne der chinesischen Regierung. Sie übt Druck auf Hollywood aus, chinafreundlichere Geschichten zu erzählen und Peking-kritische Regisseurinnen und Regisseure auszuschließen. Ein Teil des Films "Berlin, I Love You" etwa, bei dem der chinesische Künstler Ai Wei WeiRegie führte und in dem er auch mitspielte, wurde aus der finalen Fassung herausgeschnitten. Produzenten und Geldgeber fürchteten einen Gegenschlag der chinesischen Regierung. Die teure VideospielVerfilmung "Monster Hunter"