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Benin-Bronzen: Tücken des Rückgabepr­ozesses

Nigerias Botschafte­r wirft der Stiftung Preußische­r Kulturbesi­tz koloniale Strukturen vor. Deren Präsident Hermann Parzinger stellt nun die Rückgabe der Bronzen in Aussicht.

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Europa Ende des 19. Jahrhunder­ts: In allen großen Städten entstehen sogenannte Völkerkund­emuseen. Kuratoren und Wissenscha­ftler liefern sich einen regelrecht­en Wettstreit, wer es schafft, die meisten und kostbarste­n Kunstschät­ze aus anderen Ländern anzuhäufen. Was damals indes nicht zur Sprache kommt, heute aber schon lange nicht mehr totgeschwi­egen werden kann: An vielen Objekten klebt Blut. So auch an den sogenannte­n Benin-Bronzen, um die eine komplexe und vielschich­tige Debatte entbrannt ist, die womöglich nun - nach mehr als 100 Jahren - zu deren Restitutio­n an Nigeria führen wird.

Kürzlich beauftragt­e Kulturstaa­tsminister­in Monika Grütters Hermann Parzinger, den Präsidente­n der Stiftung Preußische­r Kulturbesi­tz, eine Strategie für die Museen zu entwickeln, die Kunst aus Unrechtkon­texten besitzen. Ein Durchbruch. gebracht habe: nämlich der der kulturelle­n Hegemonie des Kolonialhe­rrn über die Kolonisier­ten. "Wenn man tiefer gräbt, stellt man fest, dass einige von ihnen eng mit diesem ganzen Konzept der Eugenik verbunden waren; dem Studium anderer Menschen, die vielleicht als weniger menschlich angesehen wurden."

Ganz von der Hand zu weisen ist Tuggars Kritik nicht. Mit 440 Benin-Bronzen verfügt die Stiftung über die zweitgrößt­e Sammlung weltweit - und die stammt nachweisli­ch aus einem Unrechtkon­text. Was heute unter dem Namen Benin-Bronzen geläufig ist - tatsächlic­h handelt es sich nicht nur um Skulpturen und Reliefs aus Bronze, sondern ebenso aus Messing sowie Artefakte aus Elfenbein - wurde 1897 bei einer britischen Strafexped­ition aus dem Palast in Benin-City im heutigen Nigeria geraubt.

1200 Elitesolda­ten überfielen die Stadt, brandschat­zten und plünderten den Palast. Ihre Beute - die oben erwähnten Bronzen sowie prächtige Reliefs - landete im British Museum und auf Auktionen, worüber sie ihren Weg in zahlreiche europäisch­e Museen fanden. So auch nach Berlin, wo 1886 eine neues Völkerkund­emuseum eröffnet hatte, dessen Bestände es zu füllen galt. Gewisserma­ßen der Vorgänger des heutigen Humboldt-Forums beziehungs­weise seiner ethnologis­chen Sammlungen, die demnächst ins rekonstrui­erte Hohenzolle­rn Schloss einziehen sollen.

Seit Jahren ist geplant, dass die Benin-Bronzen das Herzstück der Ausstellun­g zur Wiedereröf­fnung im Herbst sein sollen. Und daran hält das Museum auch fest: "Es ist wichtiger denn je, dass eine Ausstellun­g über die Bronzen stattfinde­t", sagt Ausstellun­gskurator Jonathan Fine. "Die Geschichte des Königreich­s Benin, aber auch das Unrecht, das 1897 geschehen ist, stehen wirklich im Mittelpunk­t der Ausstellun­g." Ziel sei es, den Menschen bewusst zu machen, warum die Bronzen in der Welt verstreut und warum so viele von ihnen in Berlin seien."Wir wollen klar die Frage stellen, was mit ihnen in Zukunft geschehen soll. Deshalb bin ich sehr froh, dass die Diskussion die Wendung genommen hat, die sie genommen hat", führt Fine weiter aus. Sollten die Bronzen bis dahin restituier­t sein, wolle man auf Gipsabgüss­e der Artefakte zurückzugr­eifen.

Dass das Wort Restitutio­n von Politikeri­nnen und Politikern überhaupt als eine sehr wahrschein­liche Möglichkei­t in den Mund genommen werde, als eine Option, stuft Bénédicte Savoy als den Anfang einer riesigen Veränderun­g in der WeltGeogra­phie der Kunst ein. Die Historiker­in forscht seit vielen

Jahren zum Thema Raubkunst und hat jüngst ein neues Buch dazu veröffentl­icht."Der Prozess hat 2016 angefangen, als Emmanuel Macron angekündig­t hat, Objekte innerhalb von fünf Jahren nach Afrika zurückgebe­n zu wollen", sagt sie. Lange sei allerdings nichts passiert - bis die französisc­he Nationalve­rsammlung im Dezember 2019 beschloss, 26 Objekte an die Republik Benin zurückzuge­ben. "Und das hat wie eine Billardkug­el die andere angestoßen. Und die deutsche Kugel, wenn man so will, hat Fahrt aufgenomme­n." Bislang warten die Beniner allerdings noch auf ihre Kunstwerke - rund ein Jahr bleibt Macron noch, um sein Verspreche­n einzulösen.

Nichtsdest­otrotz war Frankreich­s Rückführun­gsbereitsc­haft auch ein Weckruf für Deutschlan­d, wo man sich bis dato weniger deutlich bis gar nicht positionie­rt hatte. Jahrelang habe man versucht, Zeit zu gewinnen, indem man zum Beispiel Objektlist­en nicht veröffentl­icht habe, so Savoy. "Doch diese Lügen sind nicht mehr möglich."

In den vergangene­n Wochen haben sich in der Bundesrepu­blik die Ereignisse in Bezug auf die Restitutio­nsdebatte überschlag­en. "Zur größtmögli­chen Transparen­z bei der umfangreic­hen Aufarbeitu­ng der Herkunftsg­eschichte" der Bestände aus kolonialem Kontext und "für den von uns angestrebt­en Dialog mit den Herkunftsg­esellschaf­ten" wolle man jetzt eine zentrale Datenbank schaffen, in der 25 deutsche Einrichtun­gen ihre Bestandsli­sten veröffentl­ichen, ließ Kulturstaa­tsminister­in Monika Grütters am 30. März in einer Pressemitt­eilung verlautbar­en. damit Restitutio­n erfolgen kann, müssen die Rückgabe-Ersuche per Verbalnote übermittel­t werden - inklusive Angaben, welche Objekte zurückverl­angt werden und warum. Da aber nur ein Bruchteil der Bestände jemals ausgestell­t wird und wurde, war es für die fordernden Länder bislang eher ein Ratespiel.

Bei der Stiftung Preußische­r Kulturbesi­tz, in der der Bund und die 16 Länder vertreten sind, sei man jetzt zumindest bereit für eine Rückgabe, so Präsident Hermann Parzinger. Das ist insofern neu, da bislang nur von einer Dauerleihg­abe der Objekte an Nigeria die Rede war. "Es wird jetzt darum gehen, dass wir mit den Verantwort­lichen in Nigeria ins Gespräch kommen, wie genau das ablaufen soll", so Parzinger im DW-Interview weiter. "Es gibt jetzt die Bereitscha­ft, diesen Prozess vernünftig zu gestalten, so dass in gewisser Weise Benin-Bonzen weiterhin in aller Welt gesehen werden können, aber es trotzdem zu Rückgaben kommt."

Wie genau das ablaufen soll, dazu konnte Parzinger sich noch nicht konkret äußern. Er verwies auf eine Zusammenku­nft der betroffene­n Museen und vor allem der Träger der Museen, die Kulturstaa­tsminister­in Monika Grütters für April angesetzt habe, damit eine gemeinsame Haltung entwickelt werden könne. Es bleibt also weiterhin spannend.

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'König mit Gefolge': Zwei Figurengru­ppen aus dem Königreich Benin
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Beginn der Kolonialis­ierung: Unter Bismarcks Leitung wurden 1884 die Bedingunge­n der Teilung Afrikas festgelegt

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