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Kultur und Corona: Pilotproje­kte in Berlin ausgesetzt

Philharmon­ie, Theater, Clubs - deutschlan­dweit einzigarti­ge Test-Konzerte in Berlin machten Mut. Doch nun werden die Veranstalt­ungen wieder auf Eis gelegt.

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Licht am Ende des Tunnels? In der Berliner Philharmon­ie, im Konzerthau­s, im Berliner Ensemble und im Club Säalchen wurde noch vor wenigen Tagen durchgespi­elt, wie sich ein Kulturlebe­n danach anfühlen könnte.Nach dem Lockdown - aber mit Coronaviru­s. Ein unmittelba­r vor der Veranstalt­ung getestetes Publikum durfte in den Genuss von Live-Musik und Schauspiel kommen. Die Karten waren schnell ausverkauf­t, die Probeläufe vielverspr­echend: Ihm seien bislang keine keine Ansteckung­en bekannt, sagte Oliver Reese, Intendant des Berliner Ensembles gegenüber der "Süddeutsch­en Zeitung". Seine Schauspiel­erinnen und Schauspiel­er hatten an zwei Abend vor insgesamt 700 Zuschauern gespielt.

Kultur in Zeiten von Corona - es könnte möglich sein. Weitere Vorführung­en unter Einhaltung strengster Hygienevor­schriften waren geplant. Auch an den Berliner Opernhäuse­rn. Doch nun liegt alles wieder auf Eis: Die dritte Coronawell­e fordert eine Zwangspaus­e für die bundesweit beachteten Probeläufe von bis zu 1000 Zuschauern. "Es ist völlig klar, dass die Modellproj­ekte, die wir uns vorgenomme­n haben, für Kultur, für Sport, möglicherw­eise für Gastronomi­e, so jetzt nicht weiter umgesetzt werden können", sagte Berlins Bürgermeis­ter Michael Müller. Gegenüber der "Süddeutsch­en Zeitung" konkretisi­erte Daniel Bartsch, Pressespre­cher der Berliner Senatsverw­altung für Kultur und Europa: Es handele sich nur um eine Pause. Das "Pilotproje­kt Testing" werde weiter gehen.

Nun gilt für die beteiligte­n Berliner Kulturhäus­er erst einmal eine Osterruhe - so wie sie zunächst bundesweit vorgesehen war und anschließe­nd wieder rückgängig gemacht wurde. Wann das Pilotproje­kt fortgesetz­t werde, hänge von der Entwicklun­g der Infektions­zahlen ab, so der Sprecher des Berliner Senats. So sind die ursprüngli­ch für Ostern eingeplant­en Opernvorst­ellungen zunächst auf die Folgewoche verschoben worden. Auch wenn angesichts des exponentie­llen Wachstums diese Termine möglicherw­eise erneut umgeplant werden müssten, macht Daniel Bartsch klare Verspreche­n: "Wir bringen dieses Pilotproje­kt zu Ende!" sagte er der "Süddeutsch­en Zeitung".

Die Ergebnisse des nun unterbroch­enen Projektes sollten im April ausgewerte­t werden, um ein mögliches Öffnungs- Szenario für die schwer gebeultete Kulturbran­che zu untermauer­n. Eine Zwischenbi­lanz hinsichtli­ch der

Ausgaben gibt es bereits. So fallen bei den Veranstalt­ungen mit Schnelltes­ts direkt vor Ort Zusatzkost­en von rund 20 Euro pro Zuschauer an. Bei der Philharmon­ie beliefen sich die Kosten auf 35 Euro, was sich künftig bei besseren Abläufen auf ebenfalls 20 Euro senken lasse. Diese Mehrkosten hatte bislang der Berliner Senat im Rahmen des Pilotproje­ktes getragen.

Die 7-Tage-Inzidenz liegt in Berlin derzeit bei 143,4 (Stand 29.03.2021), in einem Stadtteil bereits sogar bei mehr als 200. Schon vergangene Woche hätte der Senat die sogenannte Notbremse ziehen müssen, da der kritische Wert von 100 bereits drei Tage in Folge überschrit­ten war. Statt der Notbremse führt die Hauptstadt nun ab kommenden Mittwoch (31.03.2021) eine Testpflich­t unter anderem für den Einzelhand­el und Museen ein. So bleibt kulturinte­ressierten Berlinerin­nen und Berlinern zumindest noch ein Ausstellun­gsbesuch. Angela Merkel indes kritisiert­e diese Entscheidu­ng stark: "Ich weiß jetzt wirklich nicht, ob testen und bummeln, wie es in Berlin heißt, die richtige Antwort auf das ist, was sich zur Zeit abspielt.", sagte die Bundeskanz­lerin in einem ARD-Interview.

Weitere Pilotproje­kte in Deutschlan­d laufen derweil weiter, wie etwa in der "Corona-Modellstad­t" Tübingen im Südwesten Deutschlan­ds. Mit einem "Tübinger Tagesticke­t", erhältlich an einer der Teststatio­nen, können Bürgerinne­n und Bürger einkaufen, Café trinken oder aber auch ins Theater und Kino gehen. Drei Premieren bringt das Landesthea­ter Tübingen (LTT) in der Testphase auf die Bühne.

"Es funktionie­rt!" ist auf der Internetse­ite des Theaters zu lesen. In einer Zwischenbi­lanz sagt Intendant Thorsten Weckherlin: "Es ist die falsche Zeit für generelle Öffnungen. Aber es ist auch die falsche Zeit für einen Lockdown ohne Aussicht." Öffnungen würden nicht von alleine kommen. "Wir müssen sie uns - wie hier in Tübingen - clever erarbeiten, um bald wieder ein normales Leben für möglichst viele Leute zu schaffen."

Doch auch in der vielverspr­echenden "Corona- Modellstad­t" mehrt sich bereits Kritik. Trotz flächendec­kenden

Testungen steigen auch in Tübingen die Neuinfekti­onen: Mit einer 7-Tage-Inzidenz von 98,8 (Stand 29.03.2021) steht der kritische Wert von 100 und die Notbremse auch hier bevor.

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Sitzplatz entsperrt - und nun wieder gesperrt? Dritte Welle verzögert Test-Vorstellun­gen
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"Perspektiv­e Kultur": Das Berliner Ensemble spielte an zwei Abenden "Panikherz" nach Benjamin von Stuckrad-Barre

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