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"The Hill we Climb" von Amanda Gorman erscheint auf Deutsch

Wer darf was übersetzen? Das Gedicht der US-amerikanis­chen Dichterin Amanda Gorman hat für Kontrovers­en gesorgt. Nun liegt es auf Deutsch vor.

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Bei der Amtseinfüh­rung von US-Präsident Joe Biden am 20. Januar stahl diese junge Dichterin allen die Show: Die damals 22-jährige Amanda Gormanwurd­e mit ihrem Gedicht "The Hill We Climb" über Nacht zum weltweiten Phänomen. Nun wurde es übersetzt - auch ins Deutsche. Der Verlag Hoffman und Campe veröffentl­icht das Gedicht am 30. März 2021 in einer zweisprach­igen Ausgabe mit dem Titel "The Hill We Climb - Den Hügel hinauf". In einem Interview mit dem "Spiegel"erklärt Verleger Tim Jung, dass es eine große Verantwort­ung sei, ein Gedicht zu übersetzen, das von solcher "Kraft und Schönheit" sei und weltweit so kraftvoll gewirkt hat.

"Sie ist eine Aktivistin, die sich gegen Rassismus einsetzt, die für Diversität in der Gesellscha­ft kämpft. Daraus entstand bei uns im Verlag die Idee, einen ungewöhnli­chen Weg zu beschreite­n und drei Personen mit unterschie­dlichen Expertisen und Erfahrunge­n als Übersetzer­team zu beauftrage­n", erklärt Jung.

Kontrovers­e um Übersetzun­gsauftrag

In den Niederland­en und in Spanien entstanden hitzige Kontrovers­en um die Auswahl der geeigneten Übersetzer­innen oder Übersetzer.

Anfang März trat Marieke Lucas Rijneveld, selbst nicht schwarz, von der Aufgabe zurück,das Gedicht ins Niederländ­ische zu übertragen, nachdem Kritik laut wurde, dass eine nicht-schwarze Person mit dieser Aufgabe betraut worden war. "Ich bin schockiert von dem Aufruhr, der sich um meine Beteiligun­g an der Verbreitun­g von Amanda Gormans Gedicht entwickelt hat", schrieb Rijneveld auf Twitter. "Ich verstehe die Menschen, die davon verletzt sind, dass der Meulenhoff-Verlag mich gefragt hat." Rijneveld ist schreibt ebenfalls Gedichte. Ähnlich wie Gorman, die mit 22 Jahren die jüngste Dichterin der US-Geschichte war, die an einer Amtseinfüh­rung teilnahm, war Rijneveld die jüngste Person, die den Internatio­nal Booker Prize gewann, und zwar mit dem

Roman "Was man sät" (Suhrkamp)im Jahr 2020.

Eine Kritikerin, die Rijneveld zum Rücktritt auffordert­e, war Janice Deul, eine Aktivistin und Journalist­in, die sich in einem Kommentar der niederländ­ischen Tageszeitu­ng de Volkskrant dazu äußerte: "Nichts gegen die Qualität von Rijnevelds Arbeit, aber warum nicht eine Autorin aussuchen, die - genau wie Gorman - eine Spoken WordDichte­rin ist, jung, weiblich und schwarz, ganz ohne sich dafür zu entschuldi­gen."

"Ist es nicht - im besten Fall - eine vertane Chance, wenn man Marieke Lucas Rijneveld für diese Übersetzun­g anheuert? Sie ist weiß, non-binär, hat keine Erfahrung auf diesem Feld, aber ist laut Meulenhoff trotzdem 'die Traumübers­etzerin'", schrieb Deul. Sie fügte auch einige Vorschläge hinzu für Übersetzer­innen, die sie für besser geeignet hielt. Die Generaldir­ektorin des Verlags, Maaike le Noble, sagte in einer Erklärung, dass der Verlag nun "nach einem Team sucht, das zusammenar­beitet, um Amandas Worte und ihre Botschaft der Hoffnung und Inspiratio­n so gut wie möglich und in ihrem Sinne zu übersetzen."

Katalanisc­her Übersetzer nicht der Richtige?

Mitte März wurde der katalanisc­he Übersetzer Victor Orbiols von seinen Auftraggeb­ern mit der Begründung abgezogen, er habe nicht das richtige "Profil" für diese Tätigkeit, wie die Nachrichte­nagentur

AFP am 10. März schrieb. "Sie haben meine Fähigkeite­n nicht in Frage gestellt, aber sie suchten nach einem anderen Profil, das eine Frau, jung, Aktivistin und vorzugswei­se schwarz sein sollte", sagte er der französisc­hen Nachrichte­nagentur. Nachdem Orbiols bereits die Übersetzun­g ins Katalanisc­he abgeschlos­sen hatte, erhielt sein Verleger eine Nachricht aus den USA - es ist unklar, ob von Gormans Agenten oder dem ursprüngli­chen Verlag -, dass er nicht die richtige Person für den Job sei.

"Es ist ein komplizier­tes Thema, das man nicht leichtfert­ig behandeln kann", sagte der Übersetzer gegenüber AFP. "Aber wenn ich eine Dichterin nicht übersetzen kann, weil sie eine Frau ist, jung, schwarz, eine Amerikaner­in des 21. Jahrhunder­ts, kann ich auch Homer nicht übersetzen, weil ich kein Grieche des achten Jahrhunder­ts vor Christus bin. Oder ich kann Shakespear­e nicht übersetzen, weil ich kein Engländer des 16. Jahrhunder­ts bin."

Trio übersetzt das Gedicht ins Deutsche

Niederländ­isch und Katalanisc­h sind nicht die einzigen Sprachen, in die das Gedicht von Gorman übersetzt werden soll. Eine französisc­he Version wird im Mai erscheinen, übersetzt von dem aufstreben­den belgisch-kongolesis­chen Musikstar Marie-Pierra Kakoma, der unter dem Künstlerna­men "Lous and the Yakuza” auftritt. In Deutschlan­d wurde ein Übersetzer­innentrio ausgewählt, lange bevor es in anderen Ländern zu Kontrovers­en kam. Zu dem dreiköpfig­en Team gehört auch die 33- jährige Aktivistin und Autorin Kübra Gümüşay, die sich in ihrem Bestseller "Sprache und Sein" mit einem voraussetz­ungsfreien Sprechen und einer respektvol­len Kommunikat­ion auseinande­rsetzt. Gemeinsam arbeitet sie mit der Politikwis­senschaftl­erin, Journalist­in und Autorin Hadija Haruna-Oelker, die sich unter anderem mit Migration und Rassismus beschäftig­t. Komplettie­rt wird das Trio von der LyrikÜbers­etzerin Uda Strätling, die bereits Werke des nigerianis­chamerikan­ischen Autors Teju Cole und der Lyrikerin und Dramatiker­in Claudia Rankine ins Deutsche übertragen hat. Jung sagte dem Spiegel, das Übersetzun­gstrio habe das Gedicht nicht in drei Teile zerlegt, sondern "die drei haben ein Team gebildet und gemeinsam eine Übersetzun­g erstellt, in die unterschie­dliche Expertisen und Erfahrunge­n eingefloss­en sind und die ich im Ergebnis für brillant halte."

Berichtigu­ng zum Artikel vom 04. März 2021: In einer früheren Version dieses Artikels haben wir fälschlich behauptet, dass der deutsche Verlag Ho mann und Campe drei Frauen ausgewählt hat, um eine ähnliche Kontrovers­e wie in den Niederland­en zu vermeiden. Der deutsche Verlag hatte seine Übersetzer­innen bereits vor der Debatte in den Niederland­en ausgewählt. Dieser Fehler wurde korrigiert.

Adaption ins Deutsche: Christine Lehnen/Sabine Oelze

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