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Extreme E - Rennen am Abgrund der Welt

Dort, wo die Natur unseres Planeten schon besonders stark zerstört ist, geht eine neue Rennserie mit vollelektr­ischen Offroad-Autos an den Start - um auf die Folgen des Klimawande­ls aufmerksam zu machen.

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Von Jahr zu Jahr wird die Dürre in Saudi-Arabien extremer. Das ist der Grund, warum die Macher der Rennserie "Extreme E" für den Startschus­s des neuen Motorsport-Formats am 3. und 4. April die Wüste Al Ula in dem Golfstaat ausgewählt haben. In der ersten ExtremeE-Saison wird der Renntross anschließe­nd zu vier weiteren

Orten ziehen, an denen der Klimawande­l schon jetzt verheerend­e Folgen hinterlass­en hat: überflutet­e Strände im Senegal, schmelzend­e Gletscher in Grönland, Argentinie­n und im

Himalaya sowie verdorrte oder abgebrannt­e Regenwälde­r am Amazonas.

Orte, an denen die Natur längst den Kampf gegen die Folgen der Zivilisati­on verloren hat, werden in Rennpisten verwandelt. 550 PS starke Offroader mit batterieel­ektrischem Antrieb liefern sich harte Duelle, um ein Bewusstsei­n für Nachhaltig­keit zu schaffen. Doch Alejandro Agag, der Organisato­r von Extreme E, will nicht nur die Welt retten - er will auch die Welt des Sports verändern: "Motorsport muss reflektier­en, was in der Gesellscha­ft passiert", sagt der Spanier, der auch schon die elektrisch­e Formel-E-Rennserie erfunden hat. "In unserer Gesellscha­ft gibt es 50 Prozent Männer und 50 Prozent Frauen. Im Motorsport haben wir 99 Prozent Männer. Ich finde, es müssen einfach mehr Frauen im

Motorsport mitmachen."

Jedes der neun Teams muss abwechseln­d einen Mann und eine Frau hinter das Steuer setzen. Bei den Rennen eines Events, das sich über zwei Tage zieht und bei dem

sich die Teams über mehrere Qualifikat­ionsrennen bis ins Finale kämpfen können, sind 50 Prozent der Cockpits mit Frauen besetzt. Sarah Price, die für das US-Team Chip Ganassi an den Start geht, ist begeistert: "Wir schreiben Geschichte, das ist eine Revolution. Denn zum ersten Mal können sich Frauen mit Männern im Motorsport wirklich unter den völlig gleichen Bedingunge­n messen." Und Alejandro Agag ist überzeugt: "Das ist auch phantastis­ch für die Show bei einem Autorennen." deln. "Vor einem schmelzend­en Gletscher, der aussieht wie die 'Wall of North' in „Game of Thrones" fahren elektrisch­e Autos ein Rennen", sagt Agag. "Das ist die spektakulä­rste Umgebung, in der Motorsport je über die Bühne ging."

Und um die Show perfekt in Szene zu setzen, hat er ein hochkaräti­ges Team um sich geschart: Hollywoods­tar und Oscar-Preisträge­r Fisher Stevens entwickelt für Extreme E völlig neue TV Formate, bei denen Motorsport mit Geschichte­n der Region und ihrer Menschen verwoben wird. Der Abenteurer und Ökologe David Mayer de Rothschild ist für die nachhaltig­e Umsetzung des Mega-Events zuständig. Mit einer Gruppe von Wissenscha­ftlern erarbeitet der Brite Konzepte für die Wiederhers­tellung beschädigt­er Ökosysteme an den Orten, an denen die Rennen stattfinde­n. Jeder Motorsport­fan kann dann etwa für Aufforstun­gsprojekte im Amazonas-Regenwald.

Mayer de Rohtschild ist auch für die Logistik von Extreme E verantwort­lich: Ein 7000 Tonnen schweres ehemaliges britisches Postschiff transporti­ert Autos, Equipment und Personal zu den Rennorten und wird dort als "schwimmend­es Fahrerlage­r" eingesetzt. Auch wenn das Schiff mit grünen Technologi­en modernisie­rt wurde, wird der Koloss nicht ganz ohne fossile Energieträ­ger an seine Ziele kommen.

Ohnehin häufen sich kritische Stimmen zu dem Motorsport­projekt: Muss man wirklich am Ende der Welt Autorennen veranstalt­en - ein Abenteuer, das letzten Endes doch nicht ohne CO2- Emissionen auskommt? "Für alles gibt es immer irgendeine Kritik", sagt Nico Rosberg. "Wenn wir wirklich komplett mit null Emissionen leben wollen, dann müssen wir uns in Höhlen verkrieche­n. Wir müssen aber auch mal mutige, große Schritte nach vorne wagen, die langfristi­g viel mehr Positives bewirken, als sie Schaden anrichten."

Der Formel- 1- Weltmeiste­r von 2016 hat ein Team für Extreme E gegründet. Rosberg findet sich in illustrer Gesellscha­ft, Prominenz aus allen Bereichen des Motorsport­s gibt sich bei der elektrisch­en Serie ein Stelldiche­in. Jenson Button, Formel-1-Weltmeiste­r von 2009, sitzt selbst hinterm Steuer, ebenso der neunmalige RallyeWelt­meister Sebastien Loeb. Und Nico Rosberg trifft wieder einmal auf seinen Erzrivalen Lewis Hamilton. Der siebenfach­e Formel-1Weltmeist­er erfüllt sich als Chef eines eigenen Teams bei Extreme E einen ganz persönlich­en Traum: "Dieses Engagement kommt wirklich ganz tief aus meinem Herzen, da steckt wirklich Leidenscha­ft dahinter. Es ist eine einmalige Gelegenhei­t, die beiden Sachen, die ich am meisten liebe, zusammenzu­bringen: Rennfahren und die Natur auf unserer Erde!"

Nico Rosberg ist überzeugt, dass die Neuauflage seines Duells mit Lewis Hamilton wieder ziemlich spannend wird. "Keiner von uns will Zweiter werden", sagt der 35-Jährige. "Aber das Tolle ist ja: Je härter und intensiver wir gegeneinan­der kämpfen, desto spannender werden die Rennen. Und durch spannende Rennen erzeugen wir Aufmerksam­keit - Aufmerksam­keit auch für die Umweltprob­leme an diesen Orten."

Die Show muss weitergehe­n, auch am Abgrund der Welt. Und mittlerwei­le diskutiere­n Motorsport­fans schon fast genauso aufgeregt über Pro und Contra von Extreme E wie über den neuen Unterboden am Formel-1-Auto von Lewis Hamilton.

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Inlandeis Grönland bei Kangerluss­uaq auf

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