Deutsche Welle (German edition)
Macht Merkel die Corona-Politik bald allein?
Mitten in der dritten Infektionswelle mit noch zu wenig Geimpften streiten sich Bund und Länder um das KrisenManagement. Wie es in Deutschland nach Ostern in der Corona-Politik weitergeht, ist derzeit offen.
Bund und Länder gemeinsam - so lautet eine Maxime der Corona-Politik in Deutschland. Konkret hieß das bislang: Angela Merkel trifft sich mit den Spitzen der 16 Bundesländer. Gemeinsam beraten sie - zuletzt immer mittels Videokonferenz - ein vom Kanzleramt vorbereitetes Maßnahmen-Papier und machen aus den Maßnahmen mehr oder weniger identische Verordnungen.
Das hat schon immer nicht ganz reibungslos funktioniert und führte bundesweit zu teilweise sehr unterschiedlichen Ergebnissen: Baumärkte auf oder zu, Schulen geöffnet oder nicht. Nun aber scheinen die Vorstellungen noch stärker auseinander zu gehen.
Sonntagabend, bester Sendeplatz: Die Kanzlerin droht in einem langen TV-Interview in der Sendung "Anne Will" einigen Bundesländern. Sollten diese die vereinbarten Maßnahmen weiterhin nicht streng umsetzen, könnte sie ihnen auch ihre Eigenständigkeit einschränken. Heißt: Der Bund würde entscheiden.
Merkel nannte die Anpassung des Infektionsschutzgesetzes als eine Möglichkeit dafür. Bislang ist dort nicht geregelt, welche konkreten Maßnahmen - zum Beispiel eine Ausgangssperre - bei bestimmten Infektionszahlen durchzusetzen sind.
Schnell allerdings ginge das nicht zu ändern, da auch Bundestag und Bundesrat als Länderkammer zustimmen müssten. Bislang wollte die Politik das Gesetz nicht zu starr gestalten, um auch kurzfristig auf die Pandemie regieren zu können. Andererseits gibt es viel Kritik aus dem Bundestag, die Parlamentarier seien beim jetzigen Verfahren zu wenig eingebunden.
Laut Grundgesetz gebe es noch eine zweite Option. "Maßnahmen gegen gemein
gefährliche und übertragbare Krankheiten" könnten auch vom Bund beschlossen werden. Auch hier müsste der Bundesrat mit einbezogen werden, weil zum Beispiel die in der Pandemie so wichtigen Schulfragen Ländersache sind.
zwar ein integratives Lagebild über alle Fähigkeiten, Reserven und Einsatzsituationen aller Beteiligten, ob im Bund, den Ländern und Kommunen oder den Hilfsorganisationen".
An so einem umfassenden Lagebild mangelt es bislang. Eine Vielzahl von Akteuren arbeitet auf den unterschiedlichen Ebenen und in verschiedensten Behörden nebeneinander her. Das BBK will sie an einen Tisch bringen. Am BBK-Sitz in Bonn gibt es bereits ein gut ausgestattetes Lagezentrum. Das könnte die Keimzelle bilden für das geplante Kompetenzzentrum. Von dem sich Schuster auch verspricht, "dass wir bei der Umsetzung von Maßnahmen vom Bund über die Länder bis zu den Kommunen ein konzertierteres Vorgehen erzeugen können".
Grünen- Innenexpertin Mihalic unterstützt zwar grundsätzlich die Initiative Schusters, beklagt aber den weiterhin "engen Zuständigkeitsrahmen". Sie fordert, der Bund müsse auch formal Verantwortung für den Katastrophenschutz übernehmen. "Genau eine solche Konstruktion kennen wir übrigens vom Bundeskriminalamt im polizeilichen Bereich", erklärt Mihalic.
Bubendorfer- Licht von der oppositionellen FDP- Fraktion konstatiert, "es wird höchste Zeit, dass das BBK eine Relevanz bekommt". In einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der DW fordert sie, "das BBK muss endlich seine Rolle als Zentralstelle finden". Zwar habe das föderale System in Deutschland wirkliche Stärken, "aber wenn es um Schnelligkeit, Effektivität und Schlagkraft geht, brauchen wir Koordinierung und jemanden, der den Hut auf hat".
So weit darf der BBKChef nicht gehen - jedenfalls nicht ohne eine Grundgesetzänderung, die dem Bund mehr Kompetenzen in der Katastrophenhilfe gibt. Einstweilen setzt Schuster auf guten Willen. Das BBK wolle Netzwerkmotor, Impulsgeber, Koordinator sein, sagt er bei der Vorstellung seiner Pläne. Ein Grundsatz sei: "In der Krise Köpfe kennen".
Im Übrigen sei für ihn der Kern des Problems gar nicht so sehr die Rechtslage. Der liege "eher in der Frage: Ist das BBK mit seiner Kompetenz hinreichend bekannt und hat es ausreichend Akzeptanz?" Denn schon jetzt darf das BBK auch im Katastrophenfall tätig werden. Allerdings nur, wenn es von den Ländern oder anderen Ministerien angefordert wird im Rahmen der Amtshilfe. "All das, was wir für den Spannungs- und
Verteidigungsfall durchdenken und vorbereiten, ist natürlich zu einem ganz hohen Maß auch für einen Waldbrand, für eine Naturkatastrophe oder für eine Pandemie anwendbar. Es wäre also Unsinn, dieses Know-How nicht zu nutzen", erklärt Schuster.
Immerhin das Gesundheitsministerium hat inzwischen Amtshilfe durch das BBK angefordert: Gemeinsam arbeitet man am Aufbau einer nationalen Reserve Gesundheitsschutz. Die hätte man zwar auch schon nach den Warnungen aus der Risikoanalyse 2012 anlegen können. Aber besser spät als nie.