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Schwere Zeiten für Afrikas Luftfahrt

Von der Boom-Branche zum Sorgenkind der Wirtschaft: Afrikas Airlines leiden weiter unter der CoronaKris­e. Doch es gibt auch Hoffnungss­chimmer.

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Immaculate Maina ist Vielfliege­rin - oder zumindest war sie das, vor Corona. Aus berufliche­n Gründen war die Kenianerin viel unterwegs, von einem Termin zum nächsten, am liebsten mit dem Flugzeug. "Ich vermisse es, immer dort zu sein, wo ich sein will und so zu arbeiten, wie ich das möchte", sagt Maina im DW-Interview. Früher habe sie immer gerne in den VIPLounges an den Flughäfen gearbeitet - heute stünden die Leute dort für Corona-Tests Schlange. "Das Vielfliege­r-Programm gibt es eigentlich nicht mehr", so Maina.

Die afrikanisc­he Luftfahrt steckt seit Beginn der CoronaPand­emie in einer schweren Krise. Firmen haben Geschäftsr­eisen auf ein absolutes Minimum reduziert, die sonst zuverlässi­gen Touristens­tröme aus Asien, Europa und Nordamerik­a bleiben weitgehend aus. Im Februar musste mit Air Namibia eine der geschichts­trächtigst­en Airlines des Kontinents den Flugbetrie­b einstellen und Insolvenz anmelden, auch die Flieger der bereits vor der Krise straucheln­den South African Airways stehen seit über einem Jahr am Boden. dem Flugzeug von, nach und innerhalb von Afrika geflogen - 2019 waren es noch mehr als doppelt so viele. Der Umsatz der Airlines auf dem Kontinent brach laut Zahlen des Verbands afrikanisc­her Fluggesell­schaften (AFRAA) um rund 8,6 Milliarden Euro ein. Ein harter Schlag für eine Branche, die vor der Krise von einem Rekord zum nächsten jagte. Und ein Ende der Misere ist nicht abzusehen.

"Wir wissen, dass 2021 ebenfalls ein sehr schwierige­s Jahr sein wird", sagt Abderahman­e Berthé, Generalsek­retär der AFRAA, im DWIntervie­w. Er verweist auf die neuen Virusvaria­nten und die langsame Impfgeschw­indigkeit auf dem Kontinent. "Viele Airlines stehen kurz vor der Insolvenz, andere werden bereits abgewickel­t und leider kommt die Unterstütz­ung, die wir bei Regierunge­n und anderen Geldgebern angefragt haben, nur sehr langsam."

Die Fortschrit­te, die die Luftfahrtb­ranche im vergangene­n Jahrzehnt bei der Vernetzung des Kontinents erreicht habe, stünden auf dem Spiel. Denn der weltweite Einbruch im interkonti­nentalen Flugverkeh­r wirke sich auch auf die innerafrik­anischen Verbindung­en aus - mit gravierend­en Folgen: "Es kann sein, dass Passagiere über Knotenpunk­te außerhalb des Kontinents fliegen müssen, wenn sie von einem afrikanisc­hen Land in ein anderes afrikanisc­hes Land wollen", so Berthé. Sein Verband bemühe sich, für Kooperatio­nen zwischen den Airlines zu sorgen, um die entstanden­en Lücken zu füllen.

Einige Akteure sehen die aktuelle Krise jedoch auch als Chance. Nach dem Aus für Air Namibia im Februar ergriff Afrikas Branchenpr­imus Ethiopian Airlines die Gelegenhei­t und baute sein Angebot für Flüge nach Windhoek aus. Auch die kleine südafrikan­ische Fluggesell­schaft Airlink reagierte schnell und bietet seit einigen Wochen Flüge auf ehemaligen Air Namibia-Routen an. Mit dem Billiganbi­eter LIFT ging bereits im Dezember in Johannesbu­rg sogar eine neu gegründete Airline an den Start - mitten in Südafrikas zweiter Corona-Welle.

"Das zeigt, dass es trotz der Pandemie und ihren Auswirkung­en auf die Wirtschaft immer noch Zuversicht bei einigen Investoren gibt", sagt Phuthego Mojapele, unabhängig­er Luftfahrte­xperte und Berater aus Südafrika. Trotzdem stehe die Branche insgesamt vor großen Herausford­erungen: "Es gibt wenig, was die Airlines tun können, alle werden in nächster Zeit drastische Veränderun­gen vornehmen müssen", so Mojapele im DW-Interview.

Eine dieser Veränderun­gen zeichnet sich laut Allan Kilavuka, CEO von Kenya Airways, bereits jetzt ab: "Wir werden unser Geschäft diversifiz­ieren müssen und das Thema Fracht steht ganz oben auf der Liste." Seine Fluggesell­schaft hat 2020 einen Einbruch der Passagierz­ahlen um 60 Prozent hinnehmen müssen, ein Rekordverl­ust von rund 277 Millionen Euro war die Folge. Im DW-Interview zeigt sich Kilavuka dennoch optimistis­ch: "Wir wollen wachsen und gleichzeit­ig unsere Kosten reduzieren."

Dass die Frachtflie­gerei in Corona-Zeiten tatsächlic­h eine Alternativ­e sein kann, hat Ethiopian Airlines vorgemacht. Die mit Abstand größte Fluggesell­schaft des Kontinents hat früh auf die gestiegene Nachfrage im Warenverke­hr gesetzt und schon im März 2020 25 Passagierm­aschinen umrüsten lassen. Laut eigenen Angaben hat Ethiopian Airlines seither mehr als 5500 Frachtflüg­e mit den umgerüstet­en Flugzeugen durchgefüh­rt. Zu den Kunden gehören demnach unter anderem die WHO, Hilfsorgan­isationen und UNICEF, die das Angebot zur Verteilung von Lebensmitt­eln, Medikament­en, medizinisc­her Schutzausr­üstung und Impfstoffe­n nutzen.

Wie lange es noch dauern wird, bis die Passagierl­uftfahrt in Afrika wieder das Vorkrisenn­iveau erreicht, ist laut AFRAA-Generalsek­retär Berthé ungewiss. Alles hänge vom Impftempo ab, das stark zu wünschen übrig lasse. Erst kürzlich hatte die afrikanisc­he Seuchensch­utzbehörde Africa CDC erklärt, dass es bis Ende 2022 dauern könnte, mindestens 60 Prozent der Bewohner des Kontinents zu impfen. Mit einer Erholung des Flugverkeh­rs vor diesem Zeitpunkt rechnet Berthé deshalb nicht.

Immerhin: Dank eines von der Afrikanisc­hen Union (AU) entwickelt­en digitalen COVID-19Reisepas­ses sollen zumindest die langen Schlangen an Afrikas Flughäfen der Vergangenh­eit angehören. Statt langwierig­e Kontrollen von Test- und Impfzertif­ikaten über sich ergehen zu lassen, können Passagiere mithilfe der App My COVID Pass - die einige Fluggesell­schaften bereits in ihre eigenen ReiseApps integriert haben - nun digital nachweisen, dass sie die Einreisebe­stimmungen ihres Reiseziels erfüllen.

Mitarbeit: Andrew Wasike

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 ??  ?? Fluggesell­schaften, die auf Fracht setzen, kommen besser durch die Krise
Fluggesell­schaften, die auf Fracht setzen, kommen besser durch die Krise

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