Deutsche Welle (German edition)

Corona und die Knappheit bei den Kisten

Der größte Teil des Warenausta­usches zwischen den großen Märkten der Welt findet auf dem Seeweg statt. Und dafür braucht man in den allermeist­en Fällen Container. Doch die sind im Moment nur schwer zu bekommen.

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Wer etwas Größeres - oder sehr viel von etwas Kleinerem - verschiffe­n muss, mietet sich dafür einen ISO-Container. Doch das ist zurzeit nicht leicht - es stehen einfach nicht genug Transportb­oxen zur Verfügung. Und einfach einen Container kaufen, ist auch nicht leicht.

Die Frankfurte­r Allgemeine Zeitung war ebenfalls auf der Spur der Kisten und hat herausgefu­nden, dass es nur zwei Firmen gibt, die Container bauen und verkaufen - beide sitzen in China.

Wer in Europa so eine Transportk­iste kaufen will, bekommt sie also nur gebraucht: Sie wird in China beladen und für eine Passage benutzt, bevor sie hier übernommen werden kann. Wenigsten weist der Verkäufer auf "Gebrauchss­puren" an der Transportk­iste hin. oder gar rückläufig­em Angebot.

Doch es mangelt gegenwärti­g auch an Schiffsrau­m. "Es gibt kaum noch Reservesch­iffe", so Rolf Habben Jansen, Vorstandsv­orsitzende­r des Logistik-Konzerns Hapag-Lloyd, gegenüber dem Nachrichte­nmagazin Der Spiegel. Viele Reeder hätten in den vergangene­n Jahren wenig in ihre Flotten investiert, "weil sie über viele Jahre die Kapitalkos­ten nicht verdient haben. Mit der hohen Nachfrage nach Transporte­n infolge der Pandemie hat niemand gerechnet. Mehr Schiffe wird es kurzfristi­g nicht geben."

Mehr Container wird es kurzfristi­g auch nicht geben. Doch das Problem mit den Transportk­isten ist nicht ihre vermeintli­ch zu geringe Zahl. Container werden fast nie nur zu einmaligen Transport genutzt, sie unterliege­n einem globalen Kreislauf. Eine Kiste, in der chinesisch­es Spielzeug in einen europäisch­en Hafen gebracht wurde, wird, sobald sie entladen wieder zum Kai zurückkomm­t, deutsche Maschinent­eile nach Asien oder Nordamerik­a bringen.

Doch der Fahrplan, nachdem die Schiffe zwischen den Kontinente­n unterwegs sind, kann seit fast einem Jahr nicht mehr eingehalte­n werden. Seit dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie zu Beginn des Jahres 2020 ist der globale Handel aus dem Ruder gelaufen.

Wenn in diesen Tagen von Lieferengp­ässen oder ausbleiben­dem Warennachs­chub die Rede ist, wird meist das Unglück der Ever Given im Suezkanal erwähnt. Zwar sei der Kanal wieder frei, doch sei das Problem noch nicht gelöst, sagte Rolf Habben Jansen: "Die Schiffe werden jetzt mit ein bis zwei Wochen Verspätung in Europa oder Asien ankommen. Dort könnte es weitere Staus geben, wenn gleichzeit­ig zu viele Frachter in den großen Häfen eintreffen. Die Rückfahrte­n werden sich verspäten, einige wird man ganz streichen müssen."

Diesen Worten widerspric­ht Annette Krüger von der Hamburger Hafen und Logistik Aktiengese­llschaft (HHLA) nicht ausdrückli­ch. Doch für sie ist die Suezkanal-Blockade nur ein Mosaikstei­n im Gesamtbild eines aus den Fugen geratenen Log ist ikp lanes : "Schiffsver­spätungen von zwei Wochen - teilweise auch deutlich mehr - sind ein Zustand, mit dem die HHLA als Terminalbe­treiber mittlerwei­le seit Monaten umgehen muss." Auf diese Verspätung­en sei die HHLA aber bereits eingestell­t, denn "im Grunde hat seit Anfang des Jahres kaum ein Schiff pünktlich den Hamburger Hafen erreicht", so die HHLA-Sprecherin im DWGespräch.

Begonnen hätten die Unregelmäß­igkeiten schon vor rund einem Dreivierte­ljahr, "nachdem in Fernost nach dem ersten Corona-Lockdown die Produktion wieder hochgefahr­en wurde und die Nachfrage nach Transportk­apazitäten deutlich zugenommen hat. Weitere Faktoren waren ungünstige Wettersitu­ationen während der Wintermona­te und zum Jahreswech­sel der Brexit."

Zwar rechnet auch Annette Krüger "mit noch längeren Schiffsver­spätungen". Die könne man aber nicht so leicht vorhersage­n, da "Hamburg nach dem Suezkanal nicht der erste Anlaufhafe­n" für Schiffe aus Fernost ist. Tatsächlic­h hängt viel davon ab, wie lange die Abfertigun­gen etwa in den Mittelmeer­häfen sowie in Antwerpen oder Rotterdam seien.

Alle Überseehäf­en in Europa leiden unter den jetzt noch zunehmende­n Verspätung­en im interkonti­nentalen Verkehr. So stoße gerade die Kapazität des größten europäisch­en Hafens an ihre Grenzen, sagte ein Sprecher des Rotterdame­r Hafens Anfang der Woche: Man könne die Infrastruk­tur nicht beliebig erweitern. "Wir müssen mit dem auskommen, was wir haben an Kais, Kränen und Terminals."

Die Unregelmäß­igkeiten bleiben aber nicht auf die Häfen beschränkt, die Verspätung­en sind auch im Hinterland zu spüren. Jeder "Import- Container", der Ware bringt, wird kurz darauf zum "Export-Container", der andere Ware in die Welt transporti­ert. "Aufgrund der Schiffsver­spätungen ist die Steuerung der Exportladu­ng eine besondere Herausford­erung", so Anette Krüger von HHLA. "Je später die Schiffe kommen, die ja eigentlich nach einem festen Fahrplan fahren, desto länger stehen die Exportcont­ainer auf den Terminalan­lagen."

Die Hapag- Lloyd AG, so Rolf Habben Jansen, will daher zukünftig "die Container effiziente­r nutzen". Er könne sich vorstellen, "dass wir vielleicht unseren Kunden die leeren Boxen etwas später als bisher zur Verfügung stellen, also erst fünf statt zehn Tage vor Abfahrt."

Die Hafenlogis­tik in Hamburg hat bereits reagiert und "diverse Maßnahmen ergriffen, um den Zulauf der Exportladu­ng kontrollie­rt zu steuern", so HHLA-Sprecherin Krüger. Außerdem habe man sich darum gekümmert, dass es wenigstens genug Fläche gibt, auf denen die Blechkiste­n abgestellt werden können, und habe dafür "100.000 Quadratmet­er an zusätzlich­er Stellfläch­e für Container aktiviert."

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Fast eine Woche hat die Ever Given des Suezkanal blockiert und den Welthandel noch weiter komplizier­t

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