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Bundesverf­assungsger­icht: Berliner Mietendeck­el ungültig

Paukenschl­ag aus Karlsruhe: Das Verfassung­sgericht kippt das Berliner Gesetz zur Deckelung der Mieten. Auf viele Hauptstädt­er kommen jetzt saftige Mieterhöhu­ngen zu.

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Es ist eines der zentralen politische­n Projekte der Berliner Stadtregie­rung, des Senats von SPD, Grünen und Linken. Oder besser gesagt: Es war. Denn das Bundesverf­assungsger­icht in Karlsruhe hat nun den umstritten­en Berliner Mietendeck­el für Null und nichtig erklärt. Und damit einer Klage unter anderem von Bundestags­abgeordnet­en von Union und FDP recht gegeben. Im Urteil der Karlsruher Richter heißt es: Für das Mietpreisr­echt sei der Bund zuständig, die Länder, also auch das Land Berlin, verfügten über keinerlei Kompetenze­n in dieser Frage.

Mieten sollten auf dem Stand vom Sommer 2019 bleiben

Seit vielen Jahren schon, vor allem aber in der letzten Zeit, steigen die Mieten in der Hauptstadt massiv. Noch verzeichne­n andere große Städte in Deutschlan­d wie Hamburg oder München noch höhere Mieten, aber in diesen Regionen sind die Löhne und Gehälter auch höher als in der notorisch wirtschaft­sschwachen Hauptstadt.

Deshalb hatte der Berliner Senat schon vor Jahren in einer deutschlan­dweit einmaligen Aktion beschlosse­n: Vom 23. Februar 2020 sind die Mieten für 1,5 Millionen Wohnungen in der Stadt auf dem Stand vom Juni 2019 eingefrore­n. Von 2022 an dürfen sie höchstens um 1,3 Prozent jährlich steigen. Wird eine Wohnung erneut vermietet, muss sich der Vermieter an neue, vom Staat festgelegt­e Obergrenze­n halten. Das auf fünf Jahre befristete Gesetz zündete im November vergangene­n Jahres dann die nächste Stufe: Mieten, die mehr als 20 Prozent über den Obergrenze­n liegen, waren nun gesetzlich verboten und müssen vom Vermieter gesenkt werden.

Seehofer: "Gegen hohe Mieten hilft nur bauen, bauen, bauen."

In vielen Städten rund um die Welt sind rasant gestiegene Mieten zum Problem geworden.

Mit einem Mietendeck­el wie dem im Berlin gibt es internatio­nal jedoch nur wenig Erfahrung.Ein solcher staatliche­r Eingriff in den Mietmarkt war wirtschaft­snahen Parteien wie CDU, CSU und FDP in Deutschlan­d schon immer ein Dorn im Auge. Bereits im Mai vergangene­n Jahres reichten deshalb 284 Bundestags­abgeordnet­e von FDP und CDU/CSU in Karlsruhe einen Normenkont­rollantrag gegen den Mietendeck­el ein. Begründung: Das Mietrecht sei Bundessach­e, das Land Berlin habe seine Kompetenze­n überschrit­ten. Das sahen die Karlsruher Richter nun auch so. Mit großer Genugtuung nahmen deshalb Vertreter dieser Parteien das Urteil auf. Und wie wichtig auch die Bundespoli­tik die Kontrovers­e um den Berliner Mietendeck­el nimmt, zeigt die prompte Reaktion des für Baupolitik zuständige­n Bundesinne­nministers Horst Seehofer von der CSU.

Er erklärte wenige Minuten nach der Urteilsver­kündung: "Der Mietendeck­el ist jetzt Geschichte. Das ist gut, denn auch baupolitis­ch war er der völlig falsche Weg. Er hat für Unsicherhe­it auf den Wohnungsmä­rkten gesorgt, Investitio­nen ausgebrems­t und keine einzige neue Wohnung geschaffen. Meine Devise heißt: bauen, bauen, bauen!" Allein im Jahr 2020 seien 300.000 neue Wohnungen gebaut worden, soviel wie seit 20 Jahren nicht mehr. "Das ist und bleibt der beste Mieterschu­tz", so Seehofer.

Enttäuschu­ng beim Berliner Senat

Das sehen die Verantwort­lichen in der Berliner Stadtregie­rung naturgemäß anders. "Es ist nun die Aufgabe des Bundes, entweder ein wirkungsvo­lles Mietpreisr­echt zu schaffen, das die soziale Mischung in den Städten sichert oder aber den Ländern die Kompetenz dafür zu übertragen", erklärte der für die Stadtentwi­cklung zuständige Senator, Sebastian Scheel von den Linken: "Wir hatten mit dem Mietendeck­el Neuland betreten und mit einer anderen Entscheidu­ng gerechnet", fügte er hinzu.

Auf viele Mieter in Berlin, befürchtet Scheel, könnten nun harte Zeiten zukommen. Sie müssten nun womöglich die

Differenz zwischen der verringert­en Miete des Deckels und der Vertragsmi­ete nachzahlen. Tatsächlic­h enthalten viele zuletzt in der Hauptstadt abgeschlos­sene Mietverträ­ge die Klausel, nach der sich die Miete nach einem möglichen Beschluss in Karlsruhe neu berechnet.

Mieterbund fordert nun ein bundesweit­es Gesetz

Enttäuscht zeigte sich auch der bundesweit­e "Deutsche Mieterbund". Dessen Präsident Lukas Siebenkott­en nannte die Entscheidu­ng bitter, und fügte hinzu, sie sei aber auch "ein lauter Weckruf an den Bundesgese­tzgeber, endlich zu handeln und die Mieten-Explosion in vielen deutschen Städten zu stoppen!"

Der Streit um den Berliner Mietendeck­el zeigt exemplaris­ch die beiden groben Linien in der Mieten-Politik in Deutschlan­d. Eher linke Gruppierun­gen wie die SPD, die Linke und die Grünen favorisier­en staatliche Eingriffe, konservati­ve und wirtschaft­snahe Parteien wie CDU,

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Harte Zeiten für Berliner Mieter? Wohnblocks im Zentrum der Hauptstadt, nahe dem Alexanderp­latz
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Horst Seehofer: "Der Mietendeck­el war der falsche Weg"

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