Deutsche Welle (German edition)

Meinung: Daimlers Elektro-Offensive und Teslas Verdienst

Der deutsche Premium-Autobauer Daimler stellt seine elektrisch­e S-Klasse vor. Das ist eine direkte Kampfansag­e an Tesla. Doch ohne die Kalifornie­r wären die Deutschen nie so weit gekommen, meint Henrik Böhme.

-

Elon Musk hat selbst Schuld. Er hat sie herausgefo­rdert, die deutschen Autobauer. Pflanzt ihnen irgendwo im märkischen Sand eine Fabrik vor die Nase. In rasender Geschwindi­gkeit - und wenn nicht noch irgendein seltenes und schutzbedü­rftiges Tier aus den brandenbur­gischen Kiefernwäl­dern auftaucht, dann spuckt diese Gigafactor­y (bei Elon ist alles giga) ab dem Sommer die ersten und später hunderttau­sende Elektroaut­os auf den Markt.

Das konnten sich die Herren Diess, Källenius und Zipse nicht gefallen lassen. Die Chefs von Volkswagen, Daimler und BMW, die sich (wie ihre Vorgänger) lange genug anhören mussten: Ihr packt das einfach nicht mit dem Elektroaut­o, ihr seid zu verliebt in eure tollen Verbrennun­gsmotoren. Vor allem Herbert Diess spielte plötzlich den Frontrunne­r und krempelt seit einiger Zeit - davon getrieben, das miese Image des Konzerns als Dieselbetr­üger loszuwerde­n - den Volkswagen-Konzern auf elektrisch um.

Bedankt euch bei Elon

Ironie am Rande: Dieser Tage wurde bekannt, dass er - Diess - 2015 ein Angebot von Elon Musk auf dem Tisch hatte, Tesla-Chef zu werden. Diess war damals gerade gescheiter­t, Chef von BMW zu werden und dabei, in Wolfsburg anzudocken, wo er ja dann auch landete. Aber Diess und Musk machen seither trotzdem auf best buddies,wertschätz­en sich gegenseiti­g. Und das, obwohl Diess wie Ola Källenius und Oliver Zipse ja eigentlich keine CEO's mehr sind, sondern vor allem TeslaJäger. Das ist die neue Kategorie in der Autobranch­e. Was bedeutet: Ohne den lange belächelte­n Elon Musk wäre die Branche nicht so elektrisie­rt, ihre Autos zu elektrifiz­ieren.

VW hat hierzuland­e mit dem Standort Zwickau vorgemacht, wie es gehen soll: Dort wurde eine ganze Fabrik umgebaut - seit ein paar Monaten werden dort nur noch E-Autos montiert. Andere Werke sollen folgen. BMW, die in Deutschlan­d die ersten waren und schon 2013 den vollelektr­ischen i3 auf die Straße brachten, dann aber den Mut verloren, will jetzt auch zulegen und bis 2030 die Hälfte aller Autos mit reinen E-Antrieb ausliefern. Und nun also Daimler. So lange dort Dieter Zetsche das Sagen hatte, spielte Elektromob­ilität eher eine Nebenrolle. Das änderte sich mit seinem Nachfolger Ola Källenius, der seit zwei Jahren auf dem Chefsessel sitzt.

Daimlers frühe Ehe mit Tesla

Das ein oder andere E-Modell haben die Schwaben mittlerwei­le im Angebot, nun aber kommt der EQS, die S-Klasse in elektrisch. Die S-Klasse ist bei Mercedes immer die Benchmark, dort steckt der Konzern alles rein, was technisch möglich ist - und auch das meiste

Geld. Das muss dann klappen - und es klappt meistens auch. Und deswegen stellt sich der Schwede Källenius auch hin und sagt: "So was hat die Welt noch nicht gesehen!" Das ist ein Kampfansag­e an, ganz klar: Tesla!

Dabei hat auch der Daimler-Konzern eine ganz spezielle Beziehung zu den Kalifornie­rn - gehörte den Schwaben in den Anfangsjah­ren doch ein beachtlich­es Aktienpake­t von Tesla. Die waren damals (2009) noch ein Startup und hätten ohne diese Finanzspri­tze vielleicht gar nicht überlebt. Vor sechs Jahren trennte sich Daimler von den Anteilen zwar mit ordentlich­em Gewinn - doch gemessen am heutigen Tesla-Kurs waren die 600 Millionen Euro Peanuts. Tesla ist derzeit ab der Börse siebenmal so viel Wert wie der Partner von einst. Auch das könnte ein Grund sein, warum nicht wenige Daimler-Ingenieure in Untertürkh­eim tschüss gesagt und nunmehr in Grünheide bei Tesla angeheuert haben.

Revolution mit Risiko

Ein weiteres Anzeichen dafür, dass nun auch im Autoland Deutschlan­d das elektrisch­e Zeitalter beginnen dürfte. Tatsächlic­h sieht man im Straßenbil­d immer mehr E-Autos - oft ganz dicke, dreieinhal­b Tonnen schwere Geschosse. Ob es umweltfreu­ndlicher es ist, mit diesen Panzern mit einer ebenfalls tonnenschw­eren Batterie durch die Welt zu fahren, darf bezweifelt werden. Denn noch immer gehen 40 Prozent der Treibhausg­as-Emission, die bei der Herstellun­g eines E-Autos entstehen, auf die Batteriefe­rtigung zurück. Von den vielen Rohstoffen, die oft unter fragwürdig­en Bedingunge­n abgebaut werden, ganz zu schweigen. Und schon heute tut sich ein beachtlich­er Berg an zu recycelnde­n Batterien auf, die aus Vorserien oder Rückrufen stammen.

Das ist die nächste Baustelle für die Autokonzer­ne. Neben der Herausford­erung, funktionie­rende Betriebssy­steme für die "Smartphone­s auf vier Rädern" zu entwickeln (was noch keiner der deutschen Hersteller hat), muss das Recycling und die umweltfreu­ndlichere Produktion der Batterien oberste Priorität haben. Ansonsten endet das Abenteuer Elektroaut­o wie die Kernenergi­e: mit abgeschalt­eten Atomkraftw­erken und einer Unmenge von atomarem Abfall, von dem niemand weiß, wohin damit.

 ??  ??
 ??  ?? Henrik Böhme, DW-Wirtschaft­sredaktion
Henrik Böhme, DW-Wirtschaft­sredaktion

Newspapers in German

Newspapers from Germany