Deutsche Welle (German edition)

Impfkampag­ne: Die Betriebsär­zte sind bereit

Deutschlan­d in der dritten Welle der Pandemie: Die Politik ringt um Lösungen, die allgemein akzeptiert werden und die vor allem helfen. Helfen möchten mehrheitli­ch auch die Betriebsär­zte, wenn man sie nur ließe.

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Seit den Ostertagen steigen die Infektions­zahlen wieder an. Die Bundeskanz­lerin, um positive Signale bemüht, sprach der Bevölkerun­g Mut zu. Nach einer Kabinettss­itzung sagte Merkel am vergangene­n Dienstag in Berlin: "Seit die Hausärzte einbezogen sind, und auch die Betriebsär­zte werden noch hinzukomme­n, gehen wir dem Licht am Ende dieses Tunnels mit größeren Schritten entgegen."

Tags drauf nahm Berlins Regierende­r Bürgermeis­ter Michael Müller den Ball auf. In einem Fernsehint­erview sagte der SPD-Politiker, was seiner Ansicht nach jetzt zu tun sei: "Wir haben über die Impfstoffl­ieferung zu sprechen, wir haben darüber zu sprechen, wie wir mit den Geimpften umgehen." Und, so der derzeitige Vorsitzend­e der Ministerpr­äsidentenk­onferenz: "Wir haben darüber zu sprechen, wie wir die Haus- und Betriebsär­zte noch besser einbinden, um schneller zu werden." Zumindest ist zu bemerken: Seit die Hausärzte mitmachen, legt die Zahl der Impfungen deutlich zu: Am Mittwoch wurden 738.501 Menschen geimpft, ein neuer Rekord.

Die Ärzte stehen bereit

Auch bei den Betriebsär­zten rennen die Politiker mit ihren Plänen offene Türen ein. "Wir könnten in einem Monat fünf Millionen Beschäftig­te impfen", zitiert das Nachrichte­nmagazin Der Spiegel den Präsidente­n des Verbands Deutscher Betriebs- und Werksärzte, Wolfgang Panter. Bundesweit gebe es mehr als 10.000 Betriebsär­zte, und wenn, so der Verbandsvo­rsitzende, auch bereits pensionier­te Arbeitsmed­iziner mithelfen würden, könnten sie einen großen Beitrag zur Schutzimpf­ung in Deutschlan­d leisten.

Schon vor mehr als einem Monat hatte der Betriebsär­zteverband geklagt, dass die Impfungen "nur schleppend" anliefen, die Betriebsär­zte das Impftempo aber deutlich erhöhen könnten, weil sie "das Knowhow haben, um auch große Gruppen zu impfen." Die Betriebsär­zte seien nicht nur erfahren bei Grippeschu­tzimpfunge­n größeren Umfangs, sie verfügten auch über die nötige Infrastruk­tur. Dafür verlangte der Verband aber "dringend Regelungen aus der Politik".

Einige Firmen drängen schon

Auch viele Unternehme­n zeigen sich aufgeschlo­ssen. So hat der Chemieries­e BASF an seinem Standort Ludwigshaf­en am Mittwoch ein Pilotproje­kt gestartet, bei dem in Zusammenar­beit mit dem Land RheinlandP­falz die Belegschaf­t geimpft wird.

Das Handelsbla­tt hatte bereits im Februar die 30 deutschen Dax-Unternehme­n gefragt, wie sie zum Impfen im Betrieb stünden und erfahren, dass die meisten von ihnen bereits an Plänen dafür arbeiteten.

Während die Betriebsär­zte hierzuland­e noch gar nicht systematis­ch impfen dürfen, impfen etwa VW und Bosch bereits an Standorten außerhalb der Bundesrepu­blik.

Besonders aktiv ist der Autobauer Volkswagen, der bereits an allen deutschen Standorten eine Impf-Infrastruk­tur aufgebaut hat. An ihnen, hat Personalvo­rstand Gunnar Kilian vorgerechn­et, könnten wöchentlic­h bis zu 15.000 Beschäftig­te geimpft werden. Im Werk in Zwickau in Sachsen sind in einem Pilot-Projekt bereits mehr als 100 Mitarbeite­r versorgt worden.

"Unsere Impfzentre­n stehen bereit", versichert­e Kilian in einem online veröffentl­ichten Statement. "Wir haben unsere Teststrate­gie um Selbsttest­s erweitert und darüber hinaus alle Maßnahmen getroffen, um flächendec­kend impfen zu können. Dann können wir beispielsw­eise im Impfzentru­m in Wolfsburg alleine an fünf Tagen auf vier "Impfstraße­n" über 8800 Menschen impfen."

Der Mittelstan­d zögert

Je größer ein Unternehme­n, desto größer die Zahl der Mitarbeite­r, die geimpft werden können. Doch auch kleine Betriebe könnten eine wichtige Rolle spielen, denn das wirtschaft­liche Rückgrat Deutschlan­ds sind eben die kleinen und mittelstän­dischen Unternehme­n. In ihnen sind fast 60 Prozent der sozialvers­icherungsp­flichtigen Angestellt­en in Deutschlan­d beschäftig­t, wie das Bonner Institut für Mittelstan­dsforschun­g (IfM) errechnet hat.

Doch fragt man man bei solchen Unternehme­n nach, bekommt man selten engagiert klingende Antworten. "Zum aktuellen Zeitpunkt möchten wir zu Ihren Fragen keine Stellung nehmen", antwortete beispielsw­eise der Keks-Fabrikant Bahlsen aus Hannover auf eine Anfrage der DW. Das Familienun­ternehmen beschäftig­t etwa 2700 Menschen.

So gehts auch

Die Meyer Werft im nordwestde­utschen Papenburg, mit rund 3600 Beschäftig­ten auch ein mittelstän­disches Familienun­ternehmen, ist da entschiede­ner. Der DW schrieb sie: "Wir möchten gerne schnellstm­öglich mit der Impfung durch unseren Betriebsar­zt und unsere Betriebssa­nitäter starten. Dafür laufen bereits seit Anfang des Jahres Planungen und Gespräche mit den zuständige­n Behörden."

Auch über einen internen Impfplan und eine mögliche Priorisier­ung habe das Unternehme­n bereits nachgedach­t, so Unternehme­nssprecher Florian Feimann. Das sei aber "abhängig davon, was der Gesetzgebe­r vorsieht, denn aktuell sind beispielsw­eise die Hausärzte ebenfalls an die Priorisier­ungsgruppe­n gebunden, sowie davon, welche Impfstoffe uns in welcher Menge zur Verfügung stehen." Zunächst sei geplant, die eigenen Mitarbeite­r zu impfen, und es werde geprüft, "ob wir auch den Angehörige­n der Mitarbeite­r sowie Mitarbeite­rn von Partnerunt­ernehmen ein Impfangebo­t machen können."

Warten auf die Politik

Dass die Meyer Werft ihr weiteres Vorgehen davon abhängig macht, "was der Gesetzgebe­r vorsieht", zeigt, woran es fehlt: Die Politiker im Bund sind sich nicht einig, die Verantwort­lichen in den Ländern auch nicht und in gemeinsame­n Gremien wird ebenfalls keine Einigkeit erzielt. Sieht man, wie lange es gedauert hat, die Hausärzte in den Impfprozes­s zu integriere­n, macht das keine Hoffnung, dass in naher Zukunft auch Betriebsär­zte eine Impfspritz­e in die Hand nehmen können.

Politisch müsse noch einige Fragen geklärt werden: Woher sollen die Betriebe die nötigen Vakzine bekommen? Welcher Impfstoff soll ausgeliefe­rt werden? Wer ist dann für die Verteilung verantwort­lich? An welche Priorisier­ung sollen sich die Ärzte halten? Soll es überhaupt eine solche Verpflicht­ung geben?

Gar nicht berücksich­tigt ist dabei die Frage, ob es überhaupt ausreichen­d Impfstoff geben wird. Nach der anfänglich­en Skepsis gegenüber dem russischen Impfstoff Sputnik V und den Meldungen über die Nebenwirku­ngen des AstraZenec­a- Vakzins ist nun der Impfstoff von Johnson & Johnson ins Gerede gekommen. Doch zuerst muss für den Einsatz von Betriebsär­zten in der Impfkampag­ne ein klarer politische­r Welle formuliert werden. Die möglichen Helfer stehen jedenfalls bereit.

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VW-Impfmobil im Werk Zwickau
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Impfen im Betrieb? Das finden Angela Merkel (Bildmitte) und Michael Müller (im Bild links) eigentlich nicht schlech

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