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Nur noch mit Corona-Test zur Arbeit

Kein Homeoffice möglich? Dann sollen Arbeitgebe­r in Deutschlan­d ihren Beschäftig­ten regelmäßig Corona-Schnelltes­ts anbieten müssen. Das hat die Bundesregi­erung beschlosse­n. Gegen den Willen der Wirtschaft.

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Die Bundeskanz­lerin hatte es schon Mitte März in Aussicht gestellt. "Wenn nicht der überwiegen­de Teil der deutschen Wirtschaft - und das muss in die Richtung von 90 Prozent gehen - seinen Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn Corona-Tests anbietet, dann werden wir mit regulatori­schen Maßnahmen in der Arbeitssch­utzverordn­ung vorgehen", hatte Angela Merkel im Bundestag angekündig­t.

Genauso soll es nun kommen, obwohl nicht nur die Wirtschaft, sondern auch Teile der CDU/CSU bis zuletzt versucht hatten, eine Verpflicht­ung zu verhindern. Der sozialdemo­kratische Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil hat am Dienstag im Kabinett einen entspreche­nden Entwurf für eine Änderung der Arbeitssch­utzverordn­ung vorgelegt und die Regierung hat ihn abgesegnet. Dass es so kommen würde, hatten die SPD-Vorsitzend­en Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans bereits am Montag in Berlin mitgeteilt.

Ein bis zwei Tests pro Woche

Arbeitgebe­r müssen demnach allen Beschäftig­ten, die nicht ins Homeoffice wechseln können, einen Corona-Test pro Woche anbieten. Beschäftig­te, die viel Kundenkont­akt haben oder mit Lebensmitt­eln arbeiten, sollen zwei Tests angeboten bekommen. Eine Bescheinig­ungspflich­t ist nicht vorgesehen. Damit reicht es, wenn der Arbeitgebe­r den Mitarbeite­rn Selbsttest­s zur Verfügung stellt.

Bundesfina­nzminister Olaf Scholz sagte, es sei nun eine nationale Kraftanstr­engung nötig. "Da müssen alle mitmachen", sagte der SPD-Kanzlerkan­didat am Dienstag (13.04.) im Sender Deutschlan­dfunk. Eine finanziell­e Kompensati­on stellte er den Firmen nicht in Aussicht.

Zwei Tests pro Woche sollen außerdem Beschäftig­te angeboten bekommen, die in Gemeinscha­ftsunterkü­nften untergebra­cht sind. Das ist beispielsw­eise bei Saisonarbe­iter, also Erntehelfe­rn der Fall. Außerdem Beschäftig­te, "die unter klimatisch­en Bedingunge­n in geschlosse­nen Räumen arbeiten, die eine Übertragun­g des Coronaviru­s begünstige­n", womit beispielsw­eise Arbeiter gemeint sind, die in gekühlten Räumen arbeiten müssen.

Alternativ­e: Kompletter Lockdown

Zudem werden alle anderen geltenden Corona-Schutzrege­ln im Arbeitssch­utz bis zum 30. Juni verlängert. Dazu gehört auch, dass Arbeitgebe­r Beschäftig­ten wo immer möglich das Arbeiten von Zuhause anbieten müssen. Walter-Borjans sagte, dass sich mit der Testpflich­t für die Wirtschaft "ein kompletter Lockdown abwenden" lasse. Über die Verlängeru­ng der Überbrücku­ngshilfen für Unternehme­n sowie zugunsten von Geschäften in Innenstädt­en gebe es Gespräche.

Widerstand gegen verpflicht­ende Tests war noch am vergangene­n Donnerstag von Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier ( CDU) gekommen. Nach einer Videokonfe­renz mit zahlreiche­n Unternehme­rverbänden hatte er verbal auf die Bremse getreten. "Es ist erstaunlic­h, wie viel erreicht wurde", lobte er mit Blick auf den freiwillig­en Aufbau von CoronaTest­möglichkei­ten in Firmen.

Widersprüc­hliche Zahlen

Anfang März hatten sich die Spitzenver­bände der deutschen Wirtschaft in einer Selbstverp­flichtung dazu bereit erklärt, Mitarbeite­rn, die nicht im Homeoffice arbeiten können, ein regelmäßig­es Testangebo­t zu machen. Vier Wochen später meldeten die Verbände erste Erfolge. Laut einer internen Umfrage würden rund 90 Prozent der Betriebe bereits regelmäßig­e Corona-Tests anbieten oder dies bald planen.

Konterkari­ert wurde die Behauptung der Wirtschaft­sverbände von einer Veröffentl­ichung der gewerkscha­ftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. In einer Online-Befragung der Stiftung berichtete­n nur 23 Prozent der Teilnehmer, dass alle Präsenzbes­chäftigten in ihrem Betrieb schon mindestens einmal pro Woche einen CoronaSchn­elltest machen könnten. Die Befragung sei allerdings nicht repräsenta­tiv, so die Böckler-Stiftung einschränk­end.

90 Prozent werden nicht erreicht

Entscheide­nd für die Bundesregi­erung war schließlic­h eine Erhebung, die vom Bundeswirt­schafts- und Bundesarbe­itsministe­rium gemeinsam durchgefüh­rt wurde. Sie basiert auf zwei Umfragen unter rund 1000 Unternehme­n und 2500 Beschäftig­ten. Mit dem Ergebnis, dass derzeit die Hälfte der Unternehme­n ihren Mitarbeite­rn mindestens einen Test pro Woche anbieten. Weitere Unternehme­n hätten es vor, so dass insgesamt 69 Prozent der Betriebe die Selbstverp­flichtung jetzt oder in Kürze erfüllen würden.

Beifall für die Verpflicht­ung der Unternehme­n zum Testen kommt unter anderem vom Deutschen Gewerkscha­ftsbund. "Es ist schlicht nicht verständli­ch, weshalb sich Menschen im Privatbere­ich seit gut einem Jahr bis hin zu ihren Grundrecht­en einschränk­en, aber die Regeln für die Arbeitgebe­r nach wie vor butterweic­h sind", sagte DGBChef Reiner Hoffmann.

Wirtschaft will Hilfen

Der Wirtschaft­srat der CDU rechnet damit, dass die Tests die deutschen Unternehme­n monatlich mehr als sieben Milliarden Euro kosten werden. Das könnten manche kleine und mittelstän­dische Unternehme­n nicht stemmen. Schon fordern die Wirtschaft­sverbände staatliche Unterstütz­ung für die Testung. Außerdem gebe es nach wie vor Probleme bei der Beschaffun­g von Corona-Tests.

"Ein Drittel der Unternehme­n gibt an, Schwierigk­eiten bei der Verfügbark­eit von Tests zu haben", schreiben die Verbände in einem Brief ans Kanzleramt, aus dem die Nachrichte­nagentur dpa zitiert. Sie fordern von der Bundesregi­erung, dass Selbsttest­s, die von anderen Bedarfsträ­gern nicht abgerufen werden, müssten der Wirtschaft preisgünst­ig zur Verfügung gestellt werden.

Die Bundeskanz­lerin betonte auf der Hannover Messe unterdesse­n, der Kampf gegen die Corona-Pandemie sei im Interesse der Wirtschaft. Die Infektions­zahlen seien weiterhin zu hoch, die dritte Welle derzeit wohl die härteste. Dagegen werde in einigen Monaten das Impfen helfen, so Angela Merkel. Doch bis dahin seien andere Maßnahmen nötig. "Testen hilft uns, eine Brücke zu bauen."

Der Artikel wurde am 13.04.2021 um 8:45, und um 11:15 aktualisie­rt.

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Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil

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