Deutsche Welle (German edition)
Wie gut ist der Corona-Impfstoff von AstraZeneca?
Billig, einfach zu lagern - AstraZenecas Corona-Vakzin galt als Hoffnungsträger. Doch Thrombose-Fälle und Einschränkungen sorgen für Verunsicherung. Wie wirksam ist der Impfstoff? Ist er für alle Altersgruppen geeignet?
Da gehen die Einschätzungen auseinander: In einigen Ländern wird der Impfstoff nur für ältere Gruppen empfohlen ( wobei unterschiedliche Altersgrenzen genannt werden), während die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Europäische
Arzneimittel-Agentur (EMA) vorerst keine Altersbegrenzung vorsehen. Zwar räumte die EMA in einem Statement am 7. April ein, dass vor allem jüngere Frauen von seltenen Nebenwirkungen betroffen seien, dennoch aber der Nutzen die Risiken überwiege. Die WHO argumentiert in einer aktuellen
Mitteilung, dass ein Zusammenhang zwischen AstraZenecaImpfungen und auftretenden Thrombosen zwar plausibel, aber nicht bestätigt sei. Es bedürfe noch weiterer Studien, um eine mögliche Verbindung zwischen Impfung und etwaigem Risiko zu untersuchen.
Im Mutterland des von der Universität Oxford sowie dem britisch-schwedischen Konzerns AstraZeneca entwickelten Impfstoffs "Vaxzevria" beurteilt man die Lage anders: Künftig soll das Präparat in Großbritannien möglichst nur noch über 30-jährigen Erwachsenen vera
breicht werden, wie die britische Impfkommission entschied. Die Begründung: Laut der Behörde MHRA wurden bei landesweit mehr als 20 Millionen AstraZeneca-Impfungen 79 Fälle von gefährlichen Blutgerinnseln verzeichnet. 19 Menschen seien verstorben. (Stand 8. April 2021)
In Deutschland wird der Corona-Impfstoff des britischschwedischen Herstellers Astrazeneca nur noch Menschen ab 60 Jahren empfohlen, allerdings mit der Einschränkung, dass auch Jüngere - insbesondere Hochrisikopatienten - nach ärztlichem Rat oder eigenem Ermessen weiterhin mit Astrazeneca geimpft werden können. Eine Entscheidung, die für Verwirrung sorgte, schließlich hatte die Ständige Impfkommission (STIKO) in Deutschland zunächst empfohlen, nur Menschen bis zu einem Alter von 64 Jahren mit AstraZeneca zu impfen, "wegen der fehlenden Datenlage".
Zu einer noch anderen Einschätzung kamen die Niederlande. Nachdem zunächst die AstraZeneca- Impfungen für Menschen unter 60 Jahren ausgesetzt wurden, hat das Land die Verabreichung am 6. April vorerst aufgrund von neuen Hirnvenen- und Sinusvenenthrombosen bei jüngeren Frauen komplett gestoppt. richtet von 86 ThromboseFällen, die über die Datenbank "EudraVigilance" in Europa bis zum 22. März erfasst wurden. Diese Fälle stehen rund 25 Millionen verabreichten Impfdosen gegenüber. 18 der 86 Fälle endeten laut EMA tödlich. Aktuellere Zahlen auf europäischer Ebene liegen nicht vor. Einzelne Mitgliedsstaaten haben bereits aktuellere Erhebungen.
Spezifische Risikofaktoren könne man laut EMA nicht erkennen. Der Nutzen übersteige weiterhin die Risiken einer Impfung mit AstraZeneca.
Auch andere Experten hatten zuvor betont, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen Impfungen und Thrombosen bisher nicht einwandfrei festgestellt worden sei. Für Bedenken gesorgt hatte, dass es sich teils um eine spezielle, eher seltene Form der Blutgerinnsel im Gehirn handelte, und nicht um gewöhnliche Thrombosen.
Als entscheidend für die Frage, ob der AstraZenecaImpfstoff das Thrombose-Risiko nun erhöht oder nicht, könnte sich der Hinweis von Wissenschaftlern aus Greifswald herausstellen: Dem Team um Transfusionsmediziner Andreas Greinacher zufolge soll der bei jedem dritten, Übelkeit bei jedem fünften Geimpften auf.
Die meisten Nebenwirkungen seien leichter und mittelschwerer Ausprägung und würden innerhalb weniger Tage nach der Impfung verschwinden. Nach der zweiten Dosis seien die gemeldeten Nebenwirkungen milder und weniger häufig. Bei Menschen über 65 Jahren sollen die Nebenwirkungen allgemein milder und seltener sein.
Zum Vergleich: Bei den Impfstoffen von BioNTech/Pfizer sowie Moderna treten laut RKI Schmerzen an der Einstichstelle bei über 80 Prozent der Geimpften auf. Abgeschlagenheit (BioNTech/Pfizer: 47 Prozent, Moderna: 65 Prozent) und Kopfschmerzen (BioNTech/ Pfizer: 42 Prozent, Moderna: 59 Prozent) sind auch keine Seltenheit. Deutlich seltener als bei der Impfung mit AstraZeneca kommt es bei den Impfungen zu Fieber als Nebenwirkung (BioNTech/Pfizer: vier Prozent, Moderna: 0,8 Prozent).
Am 9. April teilte die EMA mit, sie untersuche, ob es bei fünf aufgetretenen Fällen des Kapillarlecksyndroms einen Zusammenhang zu einer Impfung mit dem AstraZeneca-Vakzin gibt. Die sehr selten auftrereicher, dass sie sich nicht oder eher nicht mit dem AstraZenecaWirkstoff impfen lassen würden. Wie in der YouGov-Umfrage erzielten andere Impfstoffe bessere Resultate.
Dem gegenüber stehen allerdings Meldungen, wonach sich viele Menschen auf frei gewordene Impftermine mit dem AstraZeneca- Präparat melden. In Deutschland gab es beispielsweise am Osterwochenende einen regelrechten Ansturm auf AstraZenecaImpfangebote von Menschen, die älter als 60 sind.
Fast 200.000 Impfungen wurden allein im Gebiet Nordrhein, das zum Bundesland NRW gehört, kurzfristig vergeben. Knapp 100 Millionen Zugriffe auf die Buchungsseite habe man registriert, teilte die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein mit. Viele Menschen ziehen das statistisch geringere Risiko einer Impfung mit AstraZeneca der Gefahr einer möglichen Corona-Infektion vor.
Für andere Menschen ist der AstraZeneca- Impfstoff jedoch ein weniger attraktiver Impfstoff, da seine statistische Wirksamkeit etwas unter der von anderen Präparaten wie BioNtech/Pfizer liegt.
AstraZeneca musste die Angabe der Wirksamkeit seines Wirkstoffs leicht nach unten korrigieren: Der Impfstoff des britisch-schwedischen Konzerns schützt zu 76 statt 79 Prozent vor einer Corona-Infektion mit Symptomen, teilte das Unternehmen auf seiner Webseite mit (25. März). Dies bedeutet, dass unter den Probanden einer geimpften Gruppe 76 Prozent weniger Erkrankungen auftraten als unter denen einer Kontrollgruppe, die ein Placebo erhielten. Allerdings liegt der Wert bei den über 65-Jährigen mit 85 Prozent deutlich höher. Gegen schwere Erkrankungen von COVID-19 seien die Vakzine zu 100 Prozent wirksam, so AstraZeneca.
Kurz zuvor hatte das vom USSeuchenexperten Anthony Fauci geführte Nationale Institut für Allergien und Infektionskrankheiten (NIAID) Zweifel an der Wirksamkeit des AstraZeneca-Impfstoffs angemeldet. Durch "veraltete Informationen" sei ein "unvollständiges Bild der Wirksamkeit vermittelt" worden, teilte die Behörde mit. In den USA ist AstraZeneca bislang nicht zugelassen. AstraZeneca hatte daraufhin neue Daten angekündigt. An der neuen Studie nahmen 32.449 Probanden teil, zwei Drittel seien geimpft worden, teilte der Pharmakonzern mit.
Frühere Studien zeigten, dass die Wirksamkeit auf 82 Prozent steigt, wenn eine zweite Dosis zwölf oder mehr Wochen nach der ersten Dosis verabreicht wird. Eine andere Studie kommt auf eine Wirksamkeit von 84 Prozent. Auch hinsichtlich Hospitalisierungen sind die Werte gut:
Eine Studie der Universität von Edinburgh, die als eine der ersten die Wirksamkeit von Corona-Impfstoffen in der realen Anwendung untersuchte, zeigte, dass vier Wochen nach der ersten Impfung mit dem AstraZeneca-Impfstoff das Risiko der Geimpften, wegen COVID-19 ins Krankenhaus zu müssen, um 94 Prozent zurückging. Bei Impfungen mit dem Präparat von BioNTech/Pfizer sinkt das Risiko der Studie zufolge um 85 Prozent.
In mehreren Ländern wurden die Impfungen mit dem Serum des britisch-schwedischen Konzerns zwischenzeitlich wegen des Auftretens der Thrombosen ausgesetzt. Als erstes Land hatte am 7. März Österreich die Impfungen mit einer bestimmten AstraZeneca-Charge gestoppt - dort hatten drei Menschen nach der Impfung eine Thrombose erlitten, eine Person verstarb. Einige Tage später entschied sich auch Dänemark nach einem Todesfall, vorerst das AstraZeneca-Präparat nicht mehr einzusetzen.
Aufgrund dieser und weiterer Fälle von Blutgerinnseln und Thrombosen zogen in der Folge auch Italien, Norwegen, Bulgarien, Rumänien, Island, Estland, Litauen, Luxemburg, Portugal, Slowenien, Zypern, Frankreich, Spanien, Lettland sowie weitere Länder Chargen des Vakzins aus dem Verkehr oder stoppten den Einsatz komplett. Thailand und Indonesien verschoben den Impfstart mit AstraZeneca.
Die meisten Länder erklärten, es handle sich um eine Vorsichtsmaßnahme und man wolle weitere Untersuchungen abwarten. Genau diese wurden von der EMA durchgeführt - die Europäische Arzneimittelbehörde stufte AstraZeneca am 18. März erneut als sicher ein und empfahl die Verwendung. Der Nutzen des Impfstoffs beim Schutz vor einer COVID-19-Erkrankung überwiege "mögliche Risiken", so die EMA. Daraufhin setzten viele Staaten die Impfungen fort - einige Länder wie zum Beispiel die Niederlande riefen allerdings nach weiteren Thrombose-Fällen erneute Stopps aus.
In Deutschland, das die Impfungen ebenfalls ausgesetzt hatte, wird das Vakzin von AstraZeneca seit dem 19. März wieder verimpft - allerdings wie zuvor erwähnt mit Einschränkungen. In mehreren europäischen Ländern ist es ähnlich.