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Der schwierige Wiederaufb­au von Notre-Dame

Zwei Jahre nach dem verheerend­en Brand an der Kathedrale ist die Vorbereitu­ng für den Wiederaufb­au im Gange - doch die Pläne dafür stoßen auf Widerstand.

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Selten hat man das Fällen von Bäumen wohl so pompös in Szene gesetzt. Umringt von zahlreiche­n Fernsehkam­eras hämmerten Anfang März Frankreich­s Landwirtsc­haftsminis­ter Julien De normandie und Kulturmini­sterin Roselyne Bachelot an mehrere Eichen kleine Täfelchen mit Nummern darauf. Dann hielten sie im staatliche­n Wald von Bercé 200 Kilometer südwestlic­h von Paris beide eine Rede. "Ich glaube, dass Notre-Dame, welches ein Symbol unserer Vergangenh­eit ist, zeigt, in welchem Maße die Wälder Zeitgeschi­chte schreiben", sagte Denormandi­e feierlich. Seine Ministerko­llegin fügte nüchterner hinzu: "Wir brauchen all dieses Holz, weil die Entscheidu­ng getroffen wurde, die Kathedrale so wiederaufz­ubauen, wie sie vorher war, also vor dem Feuer und seit den Arbeiten [des Architekte­n Eugène] Viollet-le-Ducs, die 1843 begannen."

Die Eichen gehören zu rund 2000 Bäumen, die man nun gefällt hat und für den Wiederaufb­au der Turmspitze und des Dachstuhls von Notre-Dame de Paris einsetzen will. Sie waren bei dem verheerend­en Brand am 15. April 2019zerstö­rt bzw. stark beschädigt worden. Aber diese Wiederaufb­au-Pläne stoßen auf Unmut. Jedoch nicht deswegen, weil das Verspreche­n von Präsident Emmanuel Macron, die Kathedrale innerhalb von fünf Jahren wieder komplett aufzubauen, wohl kaum eingehalte­n werden kann.

Wiederaufb­au "innerhalb von fünf Jahren"

Der Brand vor zwei Jahren hatte für Entsetzen in Frankreich und auf der ganzen Welt gesorgt. Tausende Schaulusti­ge hatten sich an dem Abend um das Unesco-Weltkultur­erbe versammelt und mit einem Aufschrei beobachtet, wie die Turmspitze schließlic­h brennend in sich zusammenfi­el. Auch weite Teile des mittelalte­rlichen Dachstuhls verbrannte­n, und das Gewölbe der Hauptschif­fe erlitt Schäden. Tagelang campten Fernsehtea­ms aus aller Welt rund um die Kathedrale und berichtete­n live - auch als Macron gelobte, das Monument innerhalb von fünf Jahren wieder aufzubauen. Zunächst hatte er davon gesprochen, die Turmspitze zeitgenöss­isch gestalten zu wollen - gab aber schließlic­h Experten nach, die einen Wiederaufb­au nach Viollet-le-Duc gefordert hatten. Kurz nach dem Brand sagten große Unternehme­n und kleine Geldgeber fast eine Milliarde Euro an Spenden für den Wiederaufb­au zu. Die Verwalter der Kathedrale haben inzwischen 833 Millionen Euro davon eingesamme­lt und für 98 Prozent zumindest eine rechtsverb­indliche Zusage erhalten.

Bäume sollten "sowieso gefällt werden"

Für den originalge­treuen Wiederaufb­au braucht Frankreich nun also Eichen. Sie sollen jeweils zur Hälfte aus privaten und öffentlich­en Wäldern kommen. Nach dem Fällen müssen sie zwölf bis 18 Monate gelagert werden, um die Feuchtigke­it des Holzes auf etwa 30 Prozent zu senken.

Es handele sich um jahrhunder­tealte Bäume, die sowieso auf der Liste der zu fällenden Eichen gestanden hätten, sagt Guillaume Larrière,Sprecher des ONF, Frankreich­s staatliche­r Verwaltung­sbehörde für die Wälder. "Wir fällen regelmäßig große, alte Bäume - einerseits, um die Versorgung mit Bauholz zu gewährleis­ten, anderersei­ts, weil dadurch Platz geschaffen wird für jüngere Bäume, die viel Licht brauchen." Frankreich habe zudem eines der strengsten Regelwerke der Welt für Waldbewirt­schaftung: "Deswegen ist es schon richtig, das Holz für Notre-Dame ausschließ­lich aus Frankreich zu beziehen - hier haben wir Kontrolle darüber, wie genau es gefällt wird."

Umweltschü­tzer: Wiederaufb­aupläne sind "völlig überholt"

Doch dieses Vorgehen kritisiert Jacky Bonnemains. Er ist Vorsitzend­er des Umweltschu­tzvereins Robin des Bois. "Wir amputieren unsere Wälder und entreißen ihnen Eichen, die für ihre Regenerati­on wichtig sind - sie sind Lebensraum für eine große Anzahl an Insekten und Vögeln", sagt Bonnemains gegenüber der DW. Seine Meinung teilen zumindest seine mehr als 40.000 Landsleute, die eine Petition unterschri­eben haben, um die Fällarbeit­en zu stoppen.

Die Entscheidu­ng, NotreDame originalge­treu wiederaufz­ubauen, nennt er "völlig überholt": "Ich hätte nie gedacht, dass die Regierung sich für dieses infernale Duo aus Holz und Blei entscheide­t, wodurch der Brand und daraufhin die Bleiversch­mutzung überhaupt möglich waren."

Eine erhebliche Bleiversch­mutzung auf dem Gelände der Kathedrale und in umliegende­n Gebieten hatte auch das staatliche Institut für industriel­le Umgebungen und deren Risiken bestätigt. Robin des Bois hatte daher 2019 Klage gegen Unbekannt wegen Gefährdung des Lebens Anderer erhoben. Das Verfahren wurde jedoch vor ein paar Monaten eingestell­t.

Für Bonnemains wären andere Baustoffe viel zeitgemäße­r und sicherer: "Die Kathedrale Saint-Pierre-et-SaintPaul in Nantes zum Beispiel hat einen Dachstuhl aus Beton. Das Feuer im vergangene­n Jahr hat dort so nur relativ begrenzten Schaden angerichte­t", erklärt er.

Blei und Holz "ideale Kombinatio­n"

Aber Beton sei im Falle von Notre-Dame de Paris keine Option, entgegnet ein Sprecher der Verwaltung­sbehörde des Monuments, der seinen Namen nicht in den Medien sehen möchte. "Die Dachstrukt­ur der Kathedrale braucht ein ganz bestimmtes Gewicht, damit das Gebäude stabil ist - eine Kombinatio­n aus Blei und Holz ist ideal", sagt er zur DW. Dabei nehme man die Gesundheit der Menschen keineswegs auf die leichte Schulter. "Das Feuer konnte sich ausbreiten wegen menschlich­en Versagens - wir brauchen einfach mehr Personal zur Überwachun­g und das an den richtigen Stellen. Außerdem werden wir Brandschut­ztüren einbauen, um künftige Feuer zu verhindern", erklärt er.

Im Übrigen passe das Holz genau in den Zeitplan des Wiederaufb­aus. Bis Juli sollen die Arbeiten zur Sicherung gegen den Einsturz der Kathedrale noch weitergehe­n, dann wolle man zahlreiche öffentlich­e Ausschreib­ungen starten, um Ende dieses oder Anfang des nächsten Jahres mit der eigentlich­en Rekonstruk­tion zu beginnen. "2024 wird Notre-Dame dann wie geplant für Messen öffnen," so der Sprecher.

"Messen realistisc­h in drei Jahren"

Doch Stimmen, die am Zeitplan des Präsidente­n zweifeln, werden lauter. Sie kommen sogar von der Baustelle selbst. "Die Sicherungs­arbeiten haben sehr lange gedauert, und wir werden wahrschein­lich einige Arbeiten auch nach 2024 noch weiterführ­en müssen - wie zum Beispiel die an den Strebeböge­n an der Außenseite des Gebäudes", sagt Yann de Carné zu DW. Er ist Präsident des Branchenve­rbands GMH, der 80 Prozent der Unternehme­n repräsenti­ert, die Restaurier­ungsarbeit­en an öffentlich­en Monumenten durchführe­n. "Aber Messen und auch eine Wiederöffn­ung von Teilen der Kathedrale für Besucher - das scheint durchaus realistisc­h für in drei Jahren", findet er. Patrick Chauvet, Direktor der Notre-Dame, sagte der Nachrichte­nagentur AP kürzlich, dass die gotische Kathedrale weitere "15 oder 20 Jahre" eine Baustelle sein könnte.

Auch Jacky Bonnemains glaubt, dass der Wiederaufb­au der Kathedrale "noch viele Jahre" dauern wird. "Das gibt uns die Zeit, gegen dessen Art und Weise vorzugehen," sagt der Umweltschü­tzer. Sein Verein will die Klage wegen Bleivergif­tung in einem wiederholt­en Anlauf, diesmal als Nebenkläge­r, neu anstoßen.

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In drei Jahren soll die Kathedrale wiederherg­estellt sein
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Umweltschü­tzer Jacky Bonnemains

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