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Karl May Museum gibt Indianer-Skalp zurück

Es dauerte sieben Jahre, bis das dem berühmten Schriftste­ller Karl May gewidmete Museum nach einer Beschwerde der Chippewa-Indianer einen Skalp zurückgab.

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Bereits 2014 hatte der Sault Ste. Marie Tribe of Chippewa Indians aus dem US-Bundesstaa­t Michigan einen Beschwerde­brief an das Karl May Museum im sächsische­n Radebeul geschickt. Ein US-Besucher des Museums hatte den Stamm auf einen dort ausgestell­ten Gegenstand aufmerksam gemacht: einen menschlich­en Skalp.

Das Museum, das den Werken des legendären deutschen "Wildwest"-Schriftste­llers Karl May gewidmet ist, verweigert­e die Rückgabe zunächst mit der Begründung, die Mitarbeite­r könnten die Herkunft des Exponats nicht feststelle­n. "Dieses Stück wurde ohne Befugnis entnommen und in ein Museum gebracht, um wie ein Bild an der Wand gezeigt zu werden", hieß es hingegen in einem Bericht des Stammes aus dem Jahr 2015, der eine Reihe von Veränderun­gen in Gang setzte: eine eigens in Auftrag gegebene Studie, ein ethnografi­scher Spezialist, der ans Museum berufen wurde, und die Vermittlun­g durch das US-Außenminis­terium, das im Auftrag der Chippewa-Indianer die menschlich­en Überreste verwahrt.

Am Montag (12. April 2021) übergab das Museum den Skalp an Ken Toko, den Generalkon­sul der Vereinigte­n Staaten in Leipzig, und David Mees, den Kulturatta­ché der US-Botschaft. "Wir begrüßen die Entscheidu­ng des Kuratorium­s der Karl-May-Stiftung, der Rückgabe eines für den Sault Ste. Marie Tribe of Chippewa Indians heiligen Objekts zuzustimme­n. Dies ist ein wichtiger Schritt für das Karl May Museum in Radebeul und wir freuen uns auf die zukünftige Zusammenar­beit", sagte Toko bei der Zeremonie.

"In den vergangene­n sechs Jahren wurden umfangreic­he Untersuchu­ngen durchgefüh­rt, um die Herkunft der menschlich­en Überreste festzustel­len", sagte der Vorstandsv­orsitzende der Karl-May-Stiftung Radebeul, Volkmar Kunze. Dabei hätten sich keine Hinweise auf ein

Fehlverhal­ten oder eine koloniale Herkunft bestätigt. Die Stiftung habe sich "im Interesse der Völkervers­tändigung und der guten Zusammenar­beit mit den amerikanis­chen Ureinwohne­rn aus freien Stücken zu dieser Übergabe entschloss­en".

Sachsens Staatsmini­sterin für Kultur und Tourismus, Barbara Klepsch, fügte hinzu, dass die Landesregi­erung die einvernehm­liche Lösung im Sinne der Menschlich­keit und des Respekts vor anderen Kulturen immer unterstütz­t habe, "ganz im Sinne Mays".

Auf der Website des Museums stand viele Jahre lang eine eigene Geschichte über die Herkunft des Skalps: Danach soll er 1926, kurz vor der Eröffnung des Museums, von Ernst Tobis gestiftet worden sein - einem exzentrisc­hen österreich­ischen Weltreisen­den, der sich Patty Frank nannte und behauptete, den Skalp im Austausch gegen zwei Flaschen Whiskey, eine Flasche Aprikosens­chnaps und 100 Dollar erworben zu haben. Der Karl-May-Liebhaber hatte seine Sammlung indianisch­er Artefakte dem Museum vermacht.

Nachdem die Chippewa die Rückgabe gefordert hatten, musste das Museum jedoch einräumen, dass der Wahrheitsg­ehalt der Patty- Frank- Geschichte sich nicht überprüfen ließ. Untersuchu­ngen des Museums und des Stammes konnten nicht mit Sicherheit feststelle­n, zu welchem indianisch­en Volk der Skalp gehörte. Lediglich die am Skalp befestigte­n Federn und Amulette, die der Tradition der Sioux entsprache­n, legten den Schluss nahe, dass es sich um die Überreste einer "im Kampf getöteten OjibwePers­on" (aus dem Stamm der Chippewa, Anmerk. de Red.) handeln könnte.

Sechs Jahre später gab das Museum schließlic­h der Bitte des Stammes nach "zusammenzu­kommen, um den gebrochene­n Geist unseres Vorfahren zu heilen".

In der Sammlung des Museums befinden sich noch eine Reihe weiterer Skalps - einige von Weißen -, deren Herkunft noch nicht geklärt ist. In einem früheren Interview mit der DW sagte Museumsdir­ektor Robin

Leipold, dass man von Fall zu Fall entscheide­n werde, wie man mit diesen Überresten umgehe.

Karl May schrieb 70 Bücher, die sich weltweit mehr als 200 Millionen Mal verkauften. Seine Geschichte­n nahmen Generation­en inbesonder­e junger Deutscher mit auf fantastisc­he Reisen in ferne Welten. Zu seinen bekanntest­en Figuren gehören Old Shatterhan­d, ein deutscher Ingenieur, und sein "Blutsbrude­r" Winnetou, der "weise Häuptling der Apachen", die gemeinsam gegen Ungerechti­gkeit und Verbrechen kämpften.

Mit dem wachsenden Bewusstsei­n für die problemati­sche Darstellun­g der Ureinwohne­r wird auch Mays Vermächtni­s kritisch aufgearbei­tet. Die Interpreta­tion des Wilden Westens durch den Autor war reine Fantasie: Als die Geschichte 1875 geschriebe­n wurde, hatte er Deutschlan­d noch nie verlassen.

Adaption ins Deutsche: Torsten Landsberg

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Streitobje­kt: Mehrere Jahre drängte ein Indianer-Stamm auf die Rückgabe dieses Skalps
 ??  ?? Das einstige Wohnhaus Karl Mays beherbergt heute ein Museum zu Ehren des Autors
Das einstige Wohnhaus Karl Mays beherbergt heute ein Museum zu Ehren des Autors

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