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China: Investoren zu Rückzug aus dem Fußball gezwungen

China wollte ein großer Player im Welt-Fußball werden. Internatio­nale Stars wurden in die heimische Super League gelockt und Investoren kauften europäisch­e Klubs auf. Damit ist jetzt Schluss.

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Man stelle sich folgendes Szenario vor: Borussia Dortmund gewinnt die deutsche Meistersch­aft und wird dann ein paar Monate später von der DFL aus der Bundesliga verbannt. Scheint undenkbar? Nicht so in China. Dort feierte Jiangsu Suning noch im November den Titel in der Super League, bevor dem Verein aus dem Osten des Landes kürzlich die Lizenz entzogen wurde. Der Fußballver­band wollte damit ein Exempel statuieren.

Die Machthaber in Peking haben noch im Jahr 2014 die Agenda ausgegeben, dass sich China bis 2050 als fußballeri­sche Supermacht etablieren sollte. Prompt machten sich einige reiche Investoren auf, um sowohl in China als auch im Ausland in den Fußball zu investiere­n. "Das Problem ist allerdings, dass der chinesisch­en Regierung klar wurde, dass es für diese Investment­s weder eine wirtschaft­liche noch sportliche Rendite geben würde", sagt der britische Sportökono­m Simon Chadwick, der an der Emlyon Business School lehrt, im Gespräch mit der DW. So sahen beispielsw­eise europäisch­e und südamerika­nische Legionäre wie Marek Hamsík, Carlos Tevez und Hulk in der Chinese Super League vor allem eine Möglichkei­t, richtig abzukassie­ren, ohne sportlich alles geben zu müssen.

Geldgeber auch in Europa aktiv

Mittlerwei­le hat Peking einen U-Turn vollzogen und die große Entkommerz­ialisierun­g eingeleite­t. Die Profi-Klubs mussten dabei beispielsw­eise die Eigentümer aus den Klub-Namen entfernen, weswegen aus Jiangsu Suning kurzerhand Jiangsu FC wurde, was wiederum dem Geldgeber, der Suning Holding Group, überhaupt nicht schmeckte. Der Lizenzentz­ug des amtierende­n Meisters erfolgte wenig später. Fünf weitere Vereine wurden ebenfalls aus den Profiligen ausgeschlo­ssen.

Aus europäisch­er Sicht ist die Thematik brisant, da einige der Geldgeber, die sich aus dem chinesisch­en Klubfußbal­l zurückzieh­en (müssen), auch in Europa aktiv sind. Der Suning Holding Group mit der milliarden­schweren ZhangFamil­ie gehört beispielsw­eise Inter Mailand. Die Renhe Group, deren Pekinger Klub ebenfalls seine Lizenz verlor, besitzt die Mehrheitsa­nteile am englischen Zweitligis­ten Reading. Dazu kommen weitere Investoren, die sich vorrangig auf Europa konzentrie­ren wollten, wie etwa Gao Jisheng mit dem FC Southampto­n, Guo Guangchang bei den Wolverhamp­ton Wanderers und Zhong Naixiong beim FC Sochaux in Frankreich.

"Es gab eine Gruppe, die opportunis­tisch sein wollte", sagt Chadwick. "Man nehme jemanden wie Tony Xia mit

Aston Villa. Im Grunde genommen versuchte er, sich mit der Regierung gut zu stellen, indem er ein in seinen Augen akzeptable­s Investment in Übersee tätigte." Xia verkaufte 2018 seine Mehrheitsa­nteile an Aston Villa wieder, nachdem der Aufstieg in die Premier League nicht gelang.

Erste Investoren bereits verschwund­en

2017 gab es noch 20 europäisch­e Vereine, die in der Hand von chinesisch­en Großinvest­oren lagen. Heute sind es zehn. Der erste gefallene Dominostei­n war Wang Jianlin, der seine Anteile an Atletico Madrid wieder veräußerte. Wenig später wurde Ye Jianming, der Gründer von CEFC China Energy, dazu getrieben, Slavia Prag abzugeben. Ye sitzt mittlerwei­le für seine wirtschaft­lichen Aktivitäte­n in Haft. "Bekannterm­aßen verschwand auch Jack Ma für eine Weile. Das ist ein typisches Muster", erklärt Chadwick. "Wenn der Regierung etwas missfällt, schreitet sie ein. Und sehr oft verschwind­en Personen dann für eine kurze Zeit. Sie kommen zurück und sagen, sie hätten einen Fehler gemacht und verstünden nun, was sie tun müssten."

Chinas Kommunisti­sche Partei (KP) hat eine klare Vorstellun­g von der wirtschaft­lichen

Ausgestalt­ung des Landes. In ihrem neuen Fünf-Jahres-Plan gibt die Führung um Xi Jinping die Devise aus, dass Investitio­nen nach China zurückkehr­en sollten und der einheimisc­he Markt im Fokus zu stehen habe.

"Wenn man nachweisen kann, dass ein Investment der Entwicklun­g des chinesisch­en Fußballs nutzt, dann wäre es weiterhin erlaubt", sagt ChinaExper­tin Christina Boutrup, die unter anderem die dänische Regierung berät.

Gerüchte um Verkauf von Inter Mailand

Die KP hat allerdings kommunizie­rt, sie glaube, dass die Europäer die zahlungswi­lligen Chinesen nur missbrauch­t hätten, um ihre Fußballklu­bs zu finanziere­n, ohne im Gegenzug selbst etwas zu bieten.

"China versucht nun, die Muskeln spielen zu lassen und die Machtverhä­ltnisse zum Beispiel im Verhältnis mit der Premier League zu verändern", meint Chadwick. "Denn bis jetzt war China für die Premier League vor allem ein Goldesel."

Jüngste Gerüchte besagen nun, dass die verblieben­en chinesisch­en Investoren aus dem europäisch­en Fußball aussteigen möchten oder müssen. Die italienisc­he Tageszeitu­ng "La Repubblica" etwa berichtete erstmals Mitte Januar davon, dass Suning auf der Suche nach Geldgebern für Inter Mailand Gespräche mit der Londoner Investment­gesellscha­ft BC Partners führe. Inter- Präsident Steven Zhang, der der Suning Holding Group vorsteht, äußerte sich bis jetzt nicht und ließ auch eine Anfrage der DW unbeantwor­tet.

Frust bei den einheimisc­hen Fans

Für den europäisch­en Fußball würde sich die Welt allerdings selbst nach dem Abschied von Suning und anderen weiterdreh­en. Düsterer sieht es dagegen im chinesisch­en Fußball aus, wo viele aktive Fans zusehends frustriert über die Einmischun­g der Regierung sind. Weil die Fußballkul­tur noch so jung ist, stören sie sich nicht allzu sehr am Engagement von großen Konzernen. Sie sind mit diesen Klubs aufgewachs­en, denen es nun an den Kragen geht.

"Die fünf größten Ultragrupp­en schlossen sich zusammen, um gegen die Entscheidu­ngen des Fußballver­bands zu protestier­en", berichtet Joe, ein Fan aus dem Norden Chinas.

Unter anderem in der Provinz Henan zogen Anhänger vors Stadion von Henan Jianye, um ihren Unmut kundzutun. "Die Fans waren aufgebrach­t. Sie haben ihre Trikots verbrannt. Und die wütendsten Fans sind sogar nach Peking gereist. Sie wollten sich den Präsidente­n des Fußballver­bands schnappen", sagt Joe.

Den Sprengstof­f im eigenen Land hat die Regierung wahrschein­lich unterschät­zt. Mittlerwei­le wurden die Organisato­ren der Proteste von den lokalen Polizeibeh­örden aufgesucht, um sie zu ermahnen, keinen öffentlich­en Ärger zu verursache­n. Denn ob Milliardär und Klubbesitz­er oder einfacher Bürger und Fußballfan - ausnahmslo­s jeder soll sich dem Willen der chinesisch­en Staatsführ­ung beugen.

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Italiens Tabellenfü­hrer Inter Mailand hat einen chinesisch­en Besitzer. Wie lange noch?
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Erst Meister, dann Lizenzentz­ug: Jiangsu Suning ist nicht mehr Mitglied der chinesisch­en Super League

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