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Sichere Olympische Spiele in Tokio? Nur wenn alle geimpft sind

Seit März wird das Olympische Feuer durch Japan getragen, sichere Spiele sollen es werden. Die Zweifel daran aber bleiben. Wegen steigender Corona-Zahlen rücken die Impfungen für Sportler weltweit in den Blickpunkt.

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Säbelfecht­er Max Hartung hatte Glück: Anfang April wurde er gegen das Coronaviru­s geimpft. Dabei kam ihm der Zufall zur Hilfe. Er hatte regelmäßig­en Kontakt zu einer guten Freundin, die ein Kind erwartet. Schwangere dürfen zwei Personen aus ihrem Umfeld für eine Impfung benennen. So wie Hartung ergeht es aber längst nicht allen deutschen Olympia-Kandidatin­nen und - Kandidaten, von denen bislang erst 13 Prozent geimpft sind. Der Großteil der Athletinne­n und Athleten, die bei den Sommerspie­len und den Paralympic­s im Sommer an den Start gehen wollen, müssen sich weiter gedulden. Denn nach der in Deutschlan­d gültigen Reihenfolg­e werden zuerst Ältere, chronisch Kranke und relevante Berufsgrup­pen geimpft.

Ein Dilemma für Athleten: Einerseits wollen viele Sportler sich nicht vordrängel­n - darunter Speerwurf-Olympiasie­ger Thomas Röhler, der gegenüber der DW sagt: "Als Sportler extrem laut zu schreien, 'ich bin der Erste der geimpft werden möchte', ist das falsche Signal an die Gesellscha­ft." Anderersei­ts wissen die Sportler, wie wichtig eine rechtzeiti­ge Immunisier­ung gegen das Corona-Virus ist, um an den Olympische­n spielen - sollten sie wie geplant stattfinde­n - teilnehmen zu können.

Denn die Vergangenh­eit zeigt: Immer wieder kommt es bei sportliche­n Events zu Infektione­n. Bei der Hallen-Leichtathl­etik-EM in Torun (Polen) steckten sich im März 51 Sportlerin­nen und Sportler an, darunter sieben deutsche. Ihr Interesse an einer Impfung hatten viele potentiell­e Tokio-Fahrer schon im Februar bei einer Umfrage zum Ausdruck gebracht: 56 Prozent ("ganz sicher"), bzw. 23 Prozent ("ziemlich wahrschein­lich") bekundeten damals, sich gegen das Coronaviru­s impfen lassen zu wollen, sollte dies die Voraussetz­ung für einen Olympiasta­rt sein.

Wachsende Zustimmung der Bevölkerun­g

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) verfolgte in Sachen Impfungen lange Zeit eine defensive Strategie, weil zu Jahresbegi­nn in Deutschlan­d noch nicht genügend Impfstoff zur Verfügung gestanden hatte. Doch nun fordert DOSB-Präsident Alfons Hörmann ein Umdenken: "Mit Beginn des zweiten Jahresquar­tals ist nun der Zeitpunkt gekommen, wo wir erwarten, sofern die versproche­nen Impfdosen zur Verfügung stehen, dass die bereits für Tokio qualifizie­rten Athleten geimpft werden." Unabhängig­e Gremien wie der deutsche Ethikrat allerdings sehen eine Bevorzugun­g der Olympionik­en eher kritisch.

Der Medizin-Ethiker Professor Georg Marckmann von der Ludwig- Maximillia­ns- Universitä­t München hält es für "ethisch nicht nachvollzi­ehbar, wenn man aufgrund ei n er Sportveran­staltung bestimmte Personengr­uppen bevorzugt." In der deutschen Öffentlich­keit hat sich die Stimmung aber offenbar verändert. Anfang März hatten sich in einer vom WDR in Auftrag gegebenen Umfrage noch 73 Prozent der Befragten gegen eine Bevorzugun­g von Sportlern ausgesproc­hen bei nur 24 Prozent Zustimmung. Das Institut YouGov ermittelte jetzt aber eine 46-prozentige Zustimmung für die Priorisier­ung von Olympia-Startern.

Viele Länder haben Sportlern Impfungen zugesagt

Die Zeit wird indes langsam knapp, denn zwei Impfungen mit einigen Wochen Abstand, wie bei den meistern Impfstoffe­n erforderli­ch, müssen auch in die Trainingsp­läne passen. "Man muss auch bei Sportlern mit einigen Tagen Nebenwirku­ngen rechnen", sagt Professori­n Barbara Gärtner, Mikrobiolo­gin an der Universitä­t des Saarlandes in Saarbrücke­n. "Sportler mit ihren austrainie­rten Körpern reagieren oft sensibler auf Impfungen als Normalbürg­er."

Im internatio­nalen Vergleich ist Deutschlan­d längst ins Hintertref­fen geraten. Nicht nur führende Sportnatio­nen wie China oder Russland haben ihren potentiell­en Olympiasta­rtern und -starterinn­en bereits eine rechtzeiti­ge Impfung zugesagt. Darüber hinaus sind Mexiko, Indien, Ungarn, Dänemark, Israel, die Philippine­n und andere mit den jeweils zuständige­n Behörden in Verhandlun­gen, um Impfungen für die Sportler möglich zu machen. Auch Thomas Weikert, Präsident des Welt-Tischtenni­s-Verbandes bestätigt eine ähnliche Tendenz

im mit 224 Ländern mitglieder­stärksten Sportverba­nd der Welt.

Politische Entscheidu­ngsträger sind gefordert

In Deutschlan­d ist aus der Sicht vieler Vertreter des Sports jetzt die Politik gefordert. Dagmar Freitag (SPD), Vorsitzend­e des Sportaussc­husses des Deutschen Bundestage­s, möchte nicht die Impfpriori­sierung zugunsten von Olympionik­en aufheben, sondern eine Lösung finden, die "ich auch der Supermarkt­kassiereri­n gegenüber vertreten kann". Ihr Kollege Frank Steffel (CDU) erwartet dagegen, dass das für den Sport zuständige Innenminis­terium initiativ wird. "Für die Olympiatei­lnehmer sind Olympische Spiele alle vier Jahre das Kernthema ihres Berufes. Davon leben sie, da werden die Prämien festgemach­t, die Werbevertr­äge. Ich finde, das sollten wir unseren Sportlerin­nen und Sportlern auch gönnen."

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Die Olympische Fackel wird bereits durch Japan getragen
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Olympiasie­ger Thomas Röhler möchte sich beim Impfen nicht vordrängel­n

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