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Meinung: Hansi Flick - Abschied aus dem Chaos

Trainer Hansi Flick verlässt den FC Bayern München zum Saisonende. Unser Kommentato­r Tobias Oelmaier kann das gut nachvollzi­ehen. Flicks Nachfolger sollte gewarnt sein ob des ungeklärte­n Machtgefüg­es im Verein.

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Eine große Überraschu­ng war das nicht mehr, was BayernTrai­ner Hansi Flick nach dem Sieg seiner Mannschaft beim VfL Wolfsburg in die Mikrophone sprach: Er habe der Mannschaft mitgeteilt, dass er den Verein nach dieser Saison verlassen würde, nachdem er unter der Woche schon die Klubführun­g mit seinem Wunsch konfrontie­rt hatte. Zu den Gründen wollte er sich nicht äußern, ebenso wenig zu seinen Zukunftspl­änen.

Beides aber liegt auf der Hand. Vor gut anderthalb Jahren war Flick als Notnagel für den geschasste­n Niko Kovac installier­t worden und holte gleich in seiner ersten Saison alle möglichen Titel: die Meistersch­aft, den DFB-Pokal, die Champions League, den deutschen Supercup, den UEFA-Supercup und die Klub-Weltmeiste­rschaft. Er brachte die Altstars Jerome Boateng und Thomas Müller zurück zu alter Stärke, machte Robert Lewandowsk­i zum Weltfußbal­ler und formte Jungstars wie Alphonso Davies oder Jamal Musiala. Die Verstärkun­gen, die er wollte, bekam er jedoch nicht.

Zu unterschie­dlich waren seine Wünsche und das, was ihm Sportdirek­tor Hasan Salihamidz­ic an Personal vorsetzte. Statt Timo Werner, Kai Havertz oder Callum HudsonOdoi verpflicht­ete der Verein Ergänzungs­spieler wie Bouna Sarr, Alvaro Odriozola, Marc Roca oder Douglas Costa, dazu wurden Thiago oder Ivan Perisic abgegeben. Und Boateng oder David Alaba, mit denen Flick nur zu gerne weitergear­beitet hätte, werden im Sommer gehen. Verletzung­en, Coronafäll­e dünnten den Kader aus, in diesem Jahr ist nur noch ein Titel möglich - die Meistersch­aft.

Zuletzt wirkte Flick nur noch genervt, machte aus seinem Unmut auch in TV-Statements und bei Pressekonf­erenzen kein Hehl mehr. Die Medien berichtete­n von heftigen verbalen Auseinande­rsetzungen zwischen Trainer und Sportvorst­and. Und die Vereinsspi­tze duckte sich weg, statt Position zu beziehen. Kein "Hansi, wir wollen weiter mit dir arbeiten", als er als Bundestrai­ner-Kandidat

Nummer eins für die Zeit nach der EM gehandelt wurde. Dahin wird Flicks Weg wohl nun auch gehen.

Diese ungewohnte Stille bei den Bayern-Granden ist wohl dem Umbruch geschuldet, in dem sich die Führungsri­ege derzeit befindet. Vorstandsb­oss Karl-Heinz Rummenigge wird seinen Posten zum Jahresende räumen, ihm folgt Ex-Nationalto­rwart Oliver Kahn. Salihamidz­ic ist ein Protegé von Ex-Präsident Uli Hoeneß, dessen Wort vor allem bei Aufsichtsr­atschef Herbert Hainer noch viel gilt. Kahn wird erst in seine Rolle hineinfind­en müssen, ehe er mutige und autonome Entscheidu­ngen treffen kann.

Diese ungeklärte Situation könnte auch die Suche nach einem Nachfolger für Hansi Flick erschweren. Julian Nagelsmann wird als Wunschkand­idat auf dem Posten gehandelt. Er steht noch bei RB Leipzig unter Vertrag, aber bei einer entspreche­nden Ablösesumm­e wird ihn sein aktueller Arbeitgebe­r bestimmt abgeben. Wer möchte schon einen unzufriede­nen Trainer?

Aber wäre es aus Nagelsmann- Sicht überhaupt klug, schon im Sommer zu wechseln? Wohl kaum! In Leipzig kann er noch weitgehend ungestört werkeln, eine Mannschaft formen und die Bayern ärgern. Gelingt ihm sogar ein Titelgewin­n, wird er zum absoluten Helden. Bei den Bayern ist man das offenbar noch nicht mal mit sechs Titeln in einer Spielzeit. Wer wird sein Ansprechpa­rtner sein, welches Mitsprache­recht hat er bei Spielerver­pflichtung­en? Unter Salihamidz­ic wahrschein­lich kein allzu großes. Deshalb sollte Nagelsmann noch ein paar Jahre warten. Mit 33 hat er noch genug Zeit für so einen Schritt. Denn wer will schon im Chaos arbeiten?

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 ??  ?? DW-Redakteur Tobias Oelmaier: Wer will schon im Chaos arbeiten?
DW-Redakteur Tobias Oelmaier: Wer will schon im Chaos arbeiten?

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