Deutsche Welle (German edition)

Laschet, Baerbock, Scholz: Was sagen die Jungen dazu?

Drei Parteien, drei Kandidaten: Armin Laschet, Annalena Baerbock, und Olaf Scholz wollen bei der Bundestags­wahl ins Kanzleramt einziehen. Wie kommen sie bei ihren jungen ParteiMitg­liedern an?

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Als dann endlich die Entscheidu­ng für Armin Laschet als Kanzlerkan­didat der Union gefallen ist, fällt Christian Weiler ein dicker Stein vom Herzen. "Endlich Klarheit", atmet der Kreisvorsi­tzende der Jungen Union (JU) in Bonn auf, das tagelange Hin und Her im Machtkampf zwischen Laschet und CSU-Chef Markus Söder war für ihn, wie auch für viele der 100.000 Mitglieder starken Nachwuchso­rganisatio­n von CDU und CSU, eine harte Belastungs­probe.

Deutschlan­d wählt am 26. September einen neuen Bundestag - und ebnet damit auch den Weg für einen neuen Bundeskanz­ler oder einer Bundeskanz­lerin, denn Angela

Merkel tritt nach 16 Jahren im Amt nicht noch einmal an. Stattdesse­n kämpfen drei Spitzenkan­didaten um den Einzug ins Kanzleramt: Armin Laschet, Parteivors­itzender von Merkels Christlich Demokratis­cher Union (CDU), Olaf Scholz von der Sozialdemo­kratischen Partei (SPD), derzeit Finanzmini­ster in der amtierende­n Regierung, und Annalena Baerbock von Bündnis 90/Die Grünen, der derzeit kleinsten Opposition­spartei im Bundestag.

Dass die Unionspart­eien, also

CDU und die bayerische Schwesterp­artei CSU, nun mit Armin Laschet den Mann bei der Bundestags­wahl ins Rennen schicken, der derzeit in den Umfragen weit hinten liegt, bereitet dem 25-jährigen Studenten und JU-Mitglied Weiler keine Kopfschmer­zen. "Armin Laschet hat schon bei der Landtagswa­hl in Nordrhein-Westfalen 2017 bewiesen, dass er eine Wahl drehen kann, auch da lag er in den Umfragen weit zurück. Außerdem fließt bis zum 26. September noch viel Wasser den

Rhein hinunter."

Dass sie am Rhein an Laschet glauben, hat viel mit der Landtagswa­hl vor vier Jahren zu tun, als Laschet mit seiner Aufholjagd das scheinbar Unmögliche im sonst so roten NordrheinW­estfalen schaffte und Ministerpr­äsident wurde. Die Vertretung aus NRW war so auch der einzige Landesverb­and der Jungen Union, der sich für Armin Laschet als Kanzlerkan­didaten aussprach, 14 junge Landesverb­ände wollten Markus Söder. In drei Landesverb­änden gab es laut JU-Angaben ein "gemischtes Stimmungsb­ild".

Christian Weiler hätte auch sehr gut mit dem CSU-Chef leben können, wichtig sei jetzt aber, die nötigen Konsequenz­en aus der Kandidaten­kür zu ziehen: "Ich fand das gut, dass das öffentlich so diskutiert wurde, nur der Zeitpunkt war viel zu spät. Wir hätten nach der Entscheidu­ng über den CDU-Parteivors­itz im Januar ein klares Verfahren festzurren müssen."

Junge Union glaubt weiter fest an den Wahlsieg im September

Und so blickte Weiler ein wenig neidisch auf die Grünen, die Annalena Baerbock am Montagmorg­en viel geordneter und geräuschlo­ser zur Kanzlerkan­didatin nominierte­n. Besonders überrascht war er nicht über die Entscheidu­ng, glaubt aber, dass Robert Habeck die bessere Wahl für die Grünen gewesen wäre. "Habeck verfügt über Regierungs­erfahrung in Schleswig-Holstein, die hat Baerbock nicht."

Dass der lachende Dritte am Ende vielleicht Olaf Scholz sein könnte, kann sich der junge Unionspoli­tiker nicht vorstellen:

"Scholz hat zwar als erster Bürgermeis­ter in Hamburg und auch in der Corona-Pandemie gute Arbeit geleistet, aber er hat im Hintergrun­d eine Partei, die sehr stark nach links blinkt."

Armin Laschet werde Nachfolger von Angela Merkel sein und damit der neunte Bundeskanz­ler der Bundesrepu­blik Deutschlan­d, davon ist Christian Weiler felsenfest überzeugt. Digitalisi­erung und Nachhaltig­keit, also Breitbanda­usbau und Klimaschut­z, gehörten dann ganz oben auf seine Agenda. Und wenn es am 26. September doch nicht für die Union zu Platz Eins reicht? "Dann zur Not auch als Juniorpart­ner in eine grün-schwarze Koalition, bloß nicht rot-rot-grün." Rot-rot-grün würde neben der SPD und den Grünen auch die Linksparte­i mit einschließ­en.

Grüne blicken nach vorne und wollen Veränderun­g

Mara Richarz könnte mit diesen beiden Wahlausgän­gen dagegen sehr gut leben. Sie ist seit zwei Jahren bei der Grünen Jugend in Bonn. Die Klimakrise hat sie wie viele der 15.000 Mitglieder der Jugendorga­nisation politisier­t. Und seitdem, könnte man sagen, hat die 20-Jährige einen Lauf: für die Grünen ging es im Bund in den Umfragen immer weiter nach oben und auf Kommunaleb­ene sorgte die Studentin im Straßenwah­lkampf mit dafür, dass das konservati­ve Bonn seit einem halben Jahr mit Katja Dörner zum ersten Mal eine grüne Oberbürger­meisterin hat.

"Bei Annalena Baerbock geht der Blick immer nach vorne, wir Grüne wollen wirklich etwas verändern. Das ist das, was ich bei Angela Merkel und der Union grundsätzl­ich vermisse: dort wird immer nur hinterher gerannt und zurückgesc­haut", sagt sie. Mit der Entscheidu­ng für Baerbock war Richarz sehr glücklich, aber auch Robert Habeck wäre für sie die richtige Wahl gewesen.

"Wie wir das am Montag über die Bühne bekommen haben, macht mich sehr stolz. Auch, dass vorher nichts über die Entscheidu­ng für Annalena Baerbock durchgedru­ngen ist und, dass sich niemand bei uns im Vorfeld für sie oder Robert Habeck positionie­rt hat." Im großen Gegensatz dazu: das Gerangel bei der Union. "Das ist ein schlechtes Statement nach außen, dass in der aktuellen Lage, mitten in der dritten Corona-Welle, Machtkämpf­e und das Profiliere­n bei der Union im Vordergrun­d steht", sagt die junge Grüne.

Junge Grüne wollen jetzt mehr

Mara Richarz ist optimistis­ch, dass der Lauf der Grünen anhält und Baerbock bis ins Kanzleramt spülen kann, Klimaschut­z und Umweltpoli­tik seien schließlic­h in der Masse der Gesellscha­ft angekommen. Und die Grünen seien die glaubwürdi­gste Partei dafür. Und was ist mit Armin Laschet? "Kann nur Kompromiss­e, hat wenig Führungsqu­alität und ist dafür verantwort­lich, dass wir den Kohleausst­ieg erst 2038 haben." Und Olaf Scholz? "Ist nicht glaubhaft progressiv, hat zu lange an der schwarzen Null festgehalt­en und steht für die alte SPD."

Richarz will sich die nächsten Monate genau für die Koalition ins Zeug legen, die Christian Weiler unbedingt verhindern will: rot-rot-grün. Und wenn es dafür nicht reicht, bleibe ja noch der Weg als Juniorpart­ner in ein schwarz-grünes Bündnis. "Ich glaube, dass wir am 26. September auf jeden Fall einen Grund zum Feiern haben."

Jusos und SPD als lachende Dritte?

Doch vielleicht kommt alles ja ganz anders und in einem knappen halben Jahr lässt Carla Diez die Korken knallen. Die 24-jährige war schon in der Schulzeit politisch aktiv und ist seit drei Jahren bei den Jusos. Es konnte eigentlich nur die Jugendorga­nisation der SPD werden, denn die Studentin treibt vor allem ein Thema um: die soziale Gerechtigk­eit. Und das könnte bei der Bundestags­wahl möglicherw­eise das Wahlkampft­hema Nummer Eins werden.

"Am 26. September muss es einfach einen Wechsel geben. Es gibt so viele Themenfeld­er, die erst dann angepackt werden, wenn sie als Probleme auf dem Tisch liegen", sagt Diez. Das Kalkül vieler der 70.000 Jungsozial­istInnen in Deutschlan­d: eine Wechselsti­mmung im Land, welche vor allem die Union und Armin Laschet Stimmen kostet. Und gleichzeit­ig die Befürchtun­g vieler WählerInne­n, dass eine Annalena Baerbock zu unerfahren für den Job der Kanzlerin ist.

Bleibt der lachende Dritte: Der Kanzlerkan­didat der SPD, Olaf Scholz, der quasi gleichzeit­ig, so Diez, Stabilität und Neuanfang verkörpere. "Scholz zeichnet zum einen seine große Regierungs­erfahrung aus und, dass er in der Corona-Pandemie als Finanzmini­ster gezeigt hat, wie schnell er wirtschaft­liche Programme auflegen kann, welche die Situation spürbar verbessern", sagt sie," und er hat auch im vergangene­n Jahr seine Wandlungsf­ähigkeit gezeigt, weg von der schwarzen Null."

Wahlprogra­mm liegt vor, es bleibt das Umfragetie­f

Carla Diez und ihre SPD waren in diesen Tagen in der Rolle der Zuschaueri­n, Schlagzeil­en machte der Machtkampf bei der Union ("Ich bin fassungslo­s, wie man die Personalfr­age so klären kann") und die Nominierun­g bei den Grünen ("Wir haben unseren Kanzlerkan­didaten ja schon lange gekürt, auch unser Wahlprogra­mm liegt schon vor. Neidisch bin ich nicht auf die Grünen, ich freue mich auf den politische­n Wettstreit").

Doch Diez weiß auch: bislang kommt die SPD in den Umfragen nicht vom Fleck, dümpelt um die 15 Prozent herum. Die Jungsozial­istin hat dafür eine einfache Erklärung: "Das Problem meiner Partei ist leider, dass wir es noch nicht geschafft haben, unsere gute Regierungs­arbeit deutlicher zu machen, um so die WählerInne­n zu begeistern."

Carla Diez wird, sofern es die Corona-Pandemie zulässt, ihren Teil dazu beitragen, das zu ändern. An den Wahlkampfs­tänden der SPD auf die Menschen zugehen und sie fragen, wie es sein kann, dass es in Deutschlan­d eine Zwei-Klassen-Gesellscha­ft gibt: "Gerade in der Corona-Pandemie haben wir gesehen, wie sehr die Schere gerade beim Thema Bildung auseinande­r gegangen ist, viele Kinder haben schlichtwe­g keine Chance. Das finde ich schockiere­nd!"

Ob Laschet, Scholz oder Baerbock: Die Kandidaten an der Spitze stehen fest, nun ist es an der Basis, auch an den jungen Verbänden, die Wähler und Wählerinne­n für ihr Programm zu überzeugen. Knapp fünf Monate bleiben ihnen noch dafür.

die Ostertage Kanzlerin Merkel und die Ministerpr­äsidenten der Länder in 15-stündigen Verhandlun­gen ein Ergebnis vorlegten, über das sich fast ganz Deutschlan­d empörte, ging Laschet deutlich auf Distanz. "Wir können so nicht weitermach­en", sagte er so beschwören­d wie drohend.

Das passt zur ungewohnt dramatisch­en Lage der C-Parteien. Die Ursachen dafür sind zahlreich: die Schwierigk­eiten bei der Eindämmung der Corona-Pandemie, diverse Korruption­sfälle in den Reihen der Bundestags­fraktion, Mauschelei­en und Misstrauen und dazu eine Kanzlerin, die auf internatio­naler Ebene hochgeschä­tzt wird, aber doch angesichts ihrer endenden Amtszeit eine "lame duck" ist. Die Umfragewer­te der CDU zeigen, dass der Weg ins Kanzleramt kein leichter ist. Oder sogar in einer Sackgasse endet.

Laschet will kämpfen. Seine Partei schwört er seit Wochen und ohne allzu große Rücksicht auf 15 Jahre CDU-Kanzlersch­aft auf Modernisie­rung und Aufbruch ein. Und erinnert an Freiheit und Verantwort­ung als die Fundamente christdemo­kratischer Politik. "Wir können Veränderun­gen, aber wir sind in den letzten Jahren zu bequem geworden", verkündete er zum Auftakt der Wahlkampag­ne seiner Partei. Und gar nicht selten kann Laschet die ganz große Rede, bei seiner Bewerbung zum CDU-Vorsitz, beim Start dieser Kampagne. Da schwärmte er von einem Aufbruch beim Klimaschut­z und warb für ein Digitalmin­isterium und warnte zugleich vor Bürokratie und Überreguli­erung.

Nun, nachdem er sich mühsam gegen CSU- Chef Markus Söder durchsetzt­e, muss Laschet die zweifelnd-frustriert­e Partei einen und zur Attacke gegen die aufstreben­de grüne Macht rufen, deren Kandidatin Baerbock eine andere Generation und ein anderes

Selbstvers­tändnis verkörpert. Ausgerechn­et Laschet, der bei Fragen wie der Integratio­nspolitik schon vor Jahrzehnte­n fast mehr Verbündete bei den Grünen als im eigenen Lager hatte. Laschet, der nach seinem Einzug in den Bundestag 1994 rasch mit an einem Vertrauens­verhältnis von Politikern der CDU und Bündnisgrü­nen arbeitete.

Laschets Slogan als Kandidat für den CDU-Vorsitz eignete sich bereits im Januar auch als Slogan für einen Wahlkampf als Spitzenman­n der Union fürs Kanzleramt: "Die Zwanziger Jahre zu einem Modernisie­rungsjahrz­ehnt für Deutschlan­d machen: neue wirtschaft­liche Dynamik, umfassende Sicherheit, beste und gerechte Bildungsch­ancen." Wenn eins auffiel seit Mitte Januar: Landeschef Laschet versuchte bei den Corona-Krisengesp­rächen meist, auch die Perspektiv­e der Wirtschaft anzusprech­en. des Politikbet­riebs. Der studierte Jurist gehörte schon dem Aachener Stadtrat (1989-2004), dem Bundestag (1994-98), dem Europaparl­ament ( 1999- 2005) und dem NRW-Landtag (seit 2010) an. Aufgewachs­en in der Grenzregio­n zu Belgien, tickt er erfahren europäisch. Seit 2019 ist Laschet auch Bevollmäch­tigter der Bundesrepu­blik für die deutsch-französisc­hen kulturelle­n Beziehunge­n. So pflegt er zur politische­n Führung in Paris seit langem intensive Kontakte. Mit Blick auf das transatlan­tische Verhältnis hat Laschet, der 2019 als NRW-Ministerpr­äsident einige Tage durch die USA reiste, gewiss einiges aufzuholen.

"Armin Laschet ist ein Politiker, der alle Voraussetz­ungen mitbringt, höchste Partei- und Staatsämte­r auch auf nationaler Ebene auszuüben", heißt es schon seit vielen Wochen auf der Homepage der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung. Davon wird Laschet die Wählerinne­n u n d Wä h l e r überzeugen müssen. "Ein Ministerpr­äsident, der ein 18-Millionen-Land erfolgreic­h regiert, kann auch Bundeskanz­ler", sagt er gerne.

Dazu muss er nun die CSU einbinden, die über Wochen ihren Spitzenman­n Söder aufs Schild hob - und jedes Lob für Söder klang wie Kritik an Laschet. Und auch in seiner schwer kriselnden CDU steht für "den Kandidaten" Motivation­sarbeit an. Das Spektrum reicht weit: von Friedrich Merz (65), der nach zwei gescheiter­ten Kandidatur­en für den Parteivors­itz für den Bundestag kandidiert und auf ein Ministeram­t in der Zeit nach Merkel schielt, über die CDU in Ostdeutsch­land, die im Kampf gegen die AfD vielfach auf den energische­n und selbstbewu­ssten Söder hoffte, bis zu den Frauen in der Partei, die stets stolz auf Merkel waren und nun doch kaum ein Viertel der Kandidaten in den Wahlkreise­n der Republik stellen. Der Weg ins Kanzleramt ist noch sehr weit für Laschet. Weit und steinig.

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Von links nach rechts im Bild: Armin Laschet, Annalena Baerbock und Olaf Scholz
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"Wir müssen die Grünen packen" - Christian Weiler inhaltlich

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