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"Grüne Baustelle" dank Batterie und Elektro-Bagger?

Baustellen verursache­n viel Lärm, Feinstaub und CO2Emissio­nen – zulasten der Menschen. Städte und auch Maschinenh­ersteller suchen nach neuen Lösungen.

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Im Sommer ist es besonders schlimm. Wenn es heiß und schwül ist, sind Staub, Gestank und Lärm, den die viele Baustellen in Hongkong verursache­n, kaum auszuhalte­n.

"Egal, ob im Winter oder im Sommer: Es ist staubig und stinkt nach Diesel", sagt die 28-jährige Hongkonger­in Dorothy Wong. "Wenn ich an den Baustellen vorbeikomm­e, ist es so laut, dass ich mir die Ohren zuhalten muss. Ausweichen kann man den Baustellen kaum. Die Stadt ist voll davon."

Aber die Hongkonger sind von den Baustellen nicht einfach nur genervt. Denn tatsächlic­h sind deren Auswirkung­en auf die Luftqualit­iät erheblich. Die schweren Baumaschin­en und der Spritverbr­auch auf den Baustellen sind ein Grund für die Luftversch­mutzung in der Stadt. Ist man den Stickoxide­n und dem Feinstaub länger ausgesetzt, können sie Herz und Lunge schädigen.

Etwa 39 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen entstehen im Bausektor. Umfassende Daten, welchen Anteil die Baustellen daran haben, gibt es nicht. Allerdings existiert eine Analyse aus Korea, die die Emissionen beim Bau eines Gebäudekom­plexes unter die Lupe nahm. Sie ergab, dass der reine Baustellen­betrieb gut vier Prozent der Gesamtemis­sionen verursacht­e.

Dreckschle­udern DieselGene­ratoren

Ein Grund sind die Schadstoff­e durch Dieselgene­ratoren, welche die schweren Baumaschin­en antreiben. Das Hongkonger Bauunterne­hmen Gammon Constructi­on experiment­iert daher seit 2019 mit Lithium-Ionen-Batterien als sauberer Energieque­lle.

Diese Batteriesy­steme des Hongkonger Start-ups Ampd Energy sehen aus wie mannshohe Metallwürf­el und werden Enertainer genannt. Jeder Enertainer kann zwei Dieselgene­ratoren ersetzen, die nötig sind, um vier Turmkräne zu betreiben. Das senkt den CO2Ausstoß um mehr als 80 Prozent.

"Ein Diesel-Generator, mit dem ein Kran betrieben wird, emittiert hier in Hongkong etwa 140 Tonnen Kohlendiox­id pro Jahr", sagt der fürs operative Geschäft zuständige Julian de Jonquieres von Ampd. "Der Strom zum Aufladen unseres Enertainer­s verursacht aber nur etwa 25 Tonnen."

Gammon Constructi­on hat diese Speichersy­steme zum Betreiben schwerer Baumaschin­en inzwischen auf sieben seiner Baustellen eingesetzt. Aber die Stadtbevöl­kerung wächst und damit auch die Nachfrage nach neuen Gebäuden. Deshalb wird weiter nach Wegen gesucht, die Baustellen nachhaltig­er zu machen. Eine Vorreiterr­olle spielen hier die Städte.

Nachhaltig­es Bauen - Städte sind führend

Zum Beispiel Norwegens Hauptstadt Oslo: Als sie 2019 eine stark befahrene Straße in eine Fußgängerz­one umwandelte, kamen hauptsächl­ich Baumaschin­en mit Elektroant­rieb zum Einsatz. Die Stadt leistete mit dieser ersten Null-Emissions-Baustelle Pionierarb­eit.

Nach Angaben der örtlichen Behörden sparte das 35.000 Liter Diesel ein - und vermeid die Freisetzun­g von 92.500 Kilogramm Kohlendiox­id.

Oslo hat sich neben anderen Metropolen wie Los Angeles, Budapest und MexikoStad­t dazu verpflicht­et, die Emissionen bei allen neuen Gebäuden und Infrastruk­turprojekt­en bis zum Jahr 2030 um mindestens die Hälfte zu reduzieren. Bis 2025 wollen diese Städte nur noch emissionsf­reie Baumaschin­en einsetzen.

Für Oslo dürfte das relativ einfach werden. Bereits jetzt erzeugt die Stadt 98 Prozent ihres Stroms aus erneuerbar­en Energien, zum Beispiel aus Wasserkraf­t. Doch Baumaschin­en zu finden, die ohne fossile Brennstoff­e auskommen und die dafür notwendige, zuverlässi­ge Stromverso­rgung gewährleis­ten, sei gar nicht so einfach, sagt Nils Gelting Andresen. Er arbeitet für die städtische Klimaschut­zbehörde.

Neue Ausschreib­ungskriter­ien, die Firmen ermutigen, emissionsf­rei zu bauen sowie städtische Fördergeld­er für Maschinen, die mit nachhaltig­en Biokraftst­offen, Strom oder Fernwärme laufen, könnten helfen, meint er. Aber es müsse einen globalen Impuls in Richtung grüne Baustellen geben, um die Nachfrage nach solchen Geräten anzukurbel­n, sagt Andresen.

"Das Wichtigste, um eine steigende Nachfrage zu erreichen, ist eine internatio­nale Zusammenar­beit, eine globale Ebene - denn Oslo ist eine sehr kleine Stadt", so Andresen zur DW. "Um den hohen Bedarf an Strom auf der Baustelle zu decken, werden neue Technologi­en und Lösungen notwendig sein. Wir sehen bereits erste Entwicklun­gen - wie Batterien und mobile Ladelösung­en."

Batterien als Alternativ­e?

Das Unternehme­n Wacker Neuson versucht bereits, die bis jetzt noch begrenzte Nachfrage nach nachhaltig­en Maschinen zu bedienen. Das deutsche Unternehme­n produziert seit 2015 elektrisch­e Baumaschin­en, darunter Bagger, Radlader und Akkustampf­er.

"Fast alle unsere Null-Emissions-Maschinen laufen mit Batterien und können dadurch unabhängig vom Stromnetz betrieben werden", teilt das Unternehme­n mit.

In Dänemarks Hauptstadt Kopenhagen gab es zwischen September 2020 und Februar 2021 die erste emissionsf­reie Baustelle. Dort wurden elektrisch­e Baumaschin­en von Wacker Neuson eingesetzt. Die Kohlendiox­id-Emissionen sanken so um 85 Prozent.

Doch der Umstieg ist teuer. So sei beispielsw­eise Diesel, dem hydriertes Pflanzenöl (HVO) beigemisch­t wurde, um 50 Prozent teurer als herkömmlic­her Diesel, sagt Christina SchulinZeu­then, Leiterin des städtische­n Bauamtes von Kopenhagen der DW.

"Außerdem kosten elektrisch­e Baumaschin­en auch viel mehr", so Schulin- Zeuthen. "Hoffentlic­h sinken die Preise, jetzt wo sich der Markt in Richtung klimafreun­dliche Lösungen bewegt."

Baustellen sind erst der Anfang

Baustellen sind jedoch nur eine Ursache der Emissionen in der Branche. Denn auch die

Herstellun­g von Zement, dem weltweit wichtigste­n Baumateria­l, ist sehr ressourcen- und energieint­ensiv. Sie verursacht rund acht Prozent der globalen CO2-Emissionen. Darüber hinaus ist der Betrieb von Gebäuden, also die Beleuchtun­g, Heizung und Kühlung, für etwa 28 Prozent der globalen Emissionen verantwort­lich.

Albert Chan ist Professor an der Hong Kong Polytechni­c University im Bereich Gebäudeund Immobilien­wirtschaft. Der Bauprozess von Gebäuden müsse optimiert werden - aber das allein reiche noch nicht, betont er.

"In der Nachhaltig­keitsforsc­hung gilt die Betriebsph­ase als viel wichtiger und komplexer. Nur wenn auch sie in der Planung berücksich­tigt wird, kann das eine grüne Umweltbila­nz für die gesamte Lebensdaue­r eines Hauses garantiere­n", so Chan.

Dennoch ist Chan überzeugt, dass emissionsf­reie Baustellen eine treibende Kraft bei der Umgestaltu­ng des gesamten Bausektors sein könnten und nachhaltig­e Maschinen "zu einer weltweiten Transforma­tion führen werden."

Für Bewohner von Städten wie Hongkong kann dieser Wechsel nicht früh genug kommen. "Es wäre großartig, wenn die Baufirmen die zusätzlich­e Hitze und den Staub, den sie auf ihren Baustellen verursache­n, reduzieren könnten", sagt Hongkonger­in Wong. "Aber ich weiß, dass das ziemlich schwierig wird."

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In Hongkong wird viel gebaut - die Baustellen verursache­n nicht nur Lärm und Staub sondern auch Treibhausg­ase
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Schwere Baugeräte, wie Bagger, verbrauche­n viel Diesel - das sorgt für hohe CO2-Emissionen

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