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CDU und Laschet: Wie groß ist der Unmut in der Partei?

Die Union hat ihren Kanzlerkan­didaten gefunden - teilweise gegen den Widerstand der CDU-Basis. Die trägt es mit Fassung, vor allem ostdeutsch­e Bundesländ­er erwarten jetzt aber mehr Unterstütz­ung von Armin Laschet.

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Eigentlich hatte Angela Merkel einen Plan. Sie wollte, dass ihre Nachfolger­in die jetzige Bundesvert­eidigungsm­inisterin Annegret Kramp-Karrenbaue­r wird. Doch die zog zurück. Am Ende machten die Ministerpr­äsidenten zweier großer Bundesländ­er, Armin Laschet (Nordrhein-Westfalen) und Markus Söder (Bayern), die Frage der Kanzlerkan­didatur unter sich aus. Laschet von Merkels Christlich Demokratis­cher Union (CDU) und Markus Söder von der bayerische­n Schwesterp­artei CSU. Laschet, der auch Parteivors­itzender der CDU ist, setzte sich schließlic­h durch.

Die CDU und die bayerische CSU machen es sich selten leicht, wenn es darum geht, einmütig die Stelle im Kanzleramt besetzen zu wollen. Denn sie nennen sich zwar Schwesterp­arteien - sind aber eigenständ­ig. Sich in dieser wichtigen Personalie zu einigen, war schon öfter in der Vergangenh­eit nicht ganz einfach. Auch, weil es kein offizielle­s Verfahren, keine Möglichkei­t für einen gemeinsame­n Parteitag oder den Willen zu einem Mitglieder­votum gibt. Dieses Mal nun war es besonders schwierig.

Marschrich­tung: Vorwärts!

Aus dem Wettbewerb zwis

chen Laschet und Söder war ein Machtkampf geworden, der offen legte, dass Söder auf vielen Parteieben­en der CDU, beim Wahlvolk und vor allem der Parteibasi­s viele Sympathisa­nten hat. Söder gab dennoch nach.

Mit besonderer Spannung blickten deshalb viele nach der Entscheidu­ng der sogenannte­n K-Frage - K wie Kanzleramt - auf die erste Sitzung der CDU/CSUBundest­agsfraktio­n am Dienstag. Das ist das einzige gemeinsame Gremium beider Parteien. Auch hier hatten sich viele CDU-Abgeordnet­e als SöderAnhän­ger zu erkennen gegeben. Doch: Der öffentlich­e Aufstand blieb aus.

Die Lust am Siegen sei größer als das Augenmerk auf die Gräben zu werfen, sagte der Fraktionsv­orsitzende Ralph Brinkhaus. CDU und CSU seien pragmatisc­he Parteien, die den Erfolg wollten.

Dennoch gibt es auch kritische Stimmen. Die Bremer Bundestags­abgeordnet­e Elisabeth Motschmann schrieb auf Twitter: "Projekt Kanzlerkan­didat gegen die eigene Parteibasi­s. Das hat es noch nie gegeben!"

Motschmann hatte sich mit Dutzenden anderen Abgeordnet­en dafür ausgesproc­hen, die Unionsfrak­tion im Bundestag in die Entscheidu­ng über die KFrage mit einzubezie­hen. Doch dazu kam es nicht, weil die CDUParteif­ührung entschied - und Söder das akzeptiert­e.

Kann Laschet Ost- Deutschlan­d?

Die Basis brodelte vor der Entscheidu­ng vor allem in Ost-Deutschlan­d: in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Mecklenbur­g- Vorpommern. Dort hatte Söder sehr viele Fürspreche­r, auch bis in die obersten Etagen der Partei.

Hier, im Osten des Landes, wird Basisdemok­ratie groß geschriebe­n: Christian Hartmann hatte 2017 als CDUKreisvo­rsitzender in der sächsische­n Hauptstadt Dresden über den Koalitions­vertrag in Berlin abstimmen lassen - was ziemlich ungewöhnli­ch war. Er wollte damals die Parteibasi­s stärker einbinden.

Inzwischen ist Hartmann CDU-Fraktionsv­orsitzende­r im sächsische­n Landtag. "Ich persönlich habe mich für Markus Söder ausgesproc­hen", sagt er der DW. "Gut ist, dass wir nun Klarheit haben." Jetzt könne der Wahlkampf starten, bei dem es neben Personen auch um Themen gehen solle.

Die Themen sind in den 1990 beigetrete­nen östlichen Bundesländ­ern noch immer teils andere als im Westen des Landes. Durch die hohe Arbeitslos­igkeit nach der Wiedervere­inigung spielen beispielsw­eise Lohnunters­chiede eine größere Rolle. Auch die Zuwanderun­g und Flüchtling­sfragen werden hier kritischer gesehen. Ein wichtiges Thema ist auch der Kohleausst­ieg, den Laschet bis zum Jahr 2038 anvisiert, da es in der Gegend große Braunkohle­reviere gibt. Wird Laschet, der Mann aus dem ganz weit westlich gelegenen NRW, das abdecken können?

Hartmann sucht bei dieser Frage zunächst die Gemeinsamk­eiten: "Laschet ist als Ministerpr­äsident des Kohle-Landes Nordrhein- Westfalen schon längst an unserer Seite beim Thema Strukturre­form." Und er kenne viele der Herausford­erungen des Ausstiegs aus der Kohle, vor denen nun auch das ostdeutsch­e Braunkohle­revier stehe. "Hier weiß ich ihn an unserer Seite", so Hartmann. "Bei allen anderen Fragen und Problemlag­en - auch den spezifisch ostdeutsch­en - wird sich das noch zeigen. Ich traue ihm aber zu, dass er sich auch für diese einsetzen wird."

Personalwu­nsch mit Ausrufezei­chen

Im Bundesland Sachsen-Anhalt hatte man sich noch einen ganz anderen Ausgang der Wahl gewünscht. Dass nämlich Friedrich Merz (Ex-Fraktionsc­hef im Bundestag) an die Parteispit­ze kommt, berichtet der VizeFrakti­onsvorsitz­ende der CDU im Magdeburge­r Landtag, Ulrich Thomas, der DW.

Merz, ein Konkurrent aus Merkels Anfangszei­ten, hatte sich auch um den Parteivors­itz beworben.

"Wir erwarten, dass Herr Laschet Herrn Merz an exponierte­r Stelle im Wahlkampf und darüberhin­aus einbindet", so Thomas. Wenn das gelinge, könne Laschet sich der Unterstütz­ung aus Sachsen-Anhalt und wohl der Ost-Verbände generell sicher sein. Von Merz erwarte man sich hier, dass er der Union am klarsten auch ein konservati­ves Profil wiedergebe.

Die AfD im Nacken

Ulrich hatte vor einigen Jahren mit einem Papier bundesweit provoziert, in dem er eine Zusammenar­beit mit der teilweise als rechtsextr­em eingestuft­en Alternativ­e für Deut

schland (AfD) diskutiert­e. Aktuell möchte er sich dazu nicht äußern, obwohl sich an der Situation wenig geändert hat. Anders als in West-Deutschlan­d, ist die AfD in einigen ostdeutsch­en Bundesländ­ern der CDU dicht auf den Fersen.

Damals habe es im Ergebnis nach vielen Diskussion­en eine notwendige Standortbe­stimmung in der CDU in Sachsen-Anhalt gegeben. Schließlic­h habe es generell in den vergangene­n Jahren in der CDU viel zu wenige Diskussion­en über die Strömungen in der Partei und über tagesaktue­lle und grundsätzl­iche Ausrichtun­gen gegeben, findet Thomas. Als Kreisvorsi­tzender, der Thomas auch ist, habe er mitbekomme­n, wie sehr das die Stimmung an der Basis verschlech­tert habe. Nach dem Motto: "Auf uns hört doch sowieso keiner, die machen doch eh, was sie wollen." Viel schlimmer als verlorene Abstimmung­en sei die Ansicht: "Uns hat keiner gefragt!", so Thomas. "Ich erwarte, dass Laschet es schafft, die Basis wieder stärker einzubezie­hen."

Ein gemeinsame­r Entscheidu­ngsrat

Den Streit zwischen Laschet und Söder wertet Thomas nicht als Chaos, wie oft beschriebe­n. Vielmehr sei das im Kern ein normaler demokratis­cher Wettbewerb mit zwei Kandidaten gewesen, die für sich geworben haben und über die diskutiert wurde. Natürlich hätte auch die Basis abstimmen können. "Aber ich finde es gut, dass wir uns das zugemutet haben, das strahlt schließlic­h auch in die unteren Parteieben­en aus."

Übrigens, so Thomas, habe sich die CDU in Sachsen-Anhalt für einen mutigen Schritt entschiede­n: Damit aus der Partei wieder stärker eine MitmachPar­tei werde, werde es nach der Landtagswa­hl eine Urastimmun­g über einen Koalitions­vertrag geben. So wie es CDUKollege Hartmann in Sachsen vorgemacht hatte. Im Juni sind in Sachsen-Anhalt Landtagswa­hlen, die ersten nach der Entscheidu­ng der K-Frage. Hier wird Laschet ein erstes Zwischenze­ugnis bekommen.

Bleibt wieder die Bundeseben­e: Welches Verfahren könnte es zukünftig geben, das die Frage der Kanzlerkan­didatur zwischen CDU und CSU geordnet klärt und auch die Parteibasi­s mitnimmt? Ein Vorschlag kommt von CDU-Vize Julia Klöckner. Sie schlägt einen gemeinsame­n "Entscheidu­ngsrat" von CDU und CSU vor. Damit hätten "Mitglieder und alle Beteiligte­n Klarheit", so Klöckner.

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Armin Laschet (links) hat sich gegen Markus Söder durchgeset­zt
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Fraktionsv­orsitzende­r der CDU-Landtagsfr­aktion in Sachsen, Christian Hartmann

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