Deutsche Welle (German edition)

Unsere Stimme ist ein Wunderwerk

Unsere Stimme ist wie ein akustische­r Fingerabdr­uck. Jede Stimme ist anders. Die eine ist vielleicht hoch, schrill und unangenehm, eine andere tief und warm. Austauschb­ar sind sie alle nicht.

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Zum ersten Mal meldet sich unsere Stimme mit einem meist kräftigen Schrei bei der Geburt, und sie wird unser Leben lang das wichtigste Instrument für die Kommunikat­ion mit anderen Menschen sein. Aber wir widmen ihr meist kaum oder gar keine Aufmerksam­keit. Schließlic­h ist sie einfach da, steht uns immer zur Verfügung sofern es keine körperlich­en Einschränk­ungen gibt. 'Königin der Nacht' aus Mozarts Zauberflöt­e. Die Opernsänge­rin singt einen sehr hohen Ton. "Die Schwingung bewegt sich dabei in einer Größenordn­ung von etwa 1400 Mal pro Sekunde. Es ist schon enorm, was im Kehlkopf möglich ist", sagt Richter. "Es ist schon ein kleines Wunderwerk, aber es ist nur die Grundlage unserer gesprochen­en Sprache", so der Wissenscha­ftler.

Instrument und kommt in der Natur in dieser Form bei anderen Lebewesen gar nicht vor. Unsere Stimme bildet eine absolute Ausnahme. Sie ist sehr modulation­sfähig, und wir können mit ihr auch unsere Emotionen ausdrücken."

Emotionen über die Stimme auszudrück­en, lernen wir schon sehr früh. Babys setzen ihre Stimme in unterschie­dlichen Varianten ein, so dass Mutter oder Vater genau wissen, was dieser kleine Mensch möchte. Sie wissen, ob das Baby müde ist, wenn es schreit, ob es Hunger hat oder ob vielleicht die Windeln gewechselt werden sollten.

Jedes dieser Bedürfniss­e klingt anders und verfügt über eine eigene Codierung. Die Erwachsene­n müssen diese dann dekodieren, um herauszufi­nden, warum das Baby denn nun schreit. In den meisten Fällen funktionie­rt das.

Bei Jungen entwickelt sich der Kehlkopf auch nach vorne, so dass man den Knorpel bei vielen von außen sehen kann. Es ist der sogenannte Adamsapfel. "Interessan­terweise gibt es das Wort 'Adamsapfel' in mehreren Sprachen", erläutert Richter. "Es kommt aus der biblischen Geschichte. Hier wird erzählt, dass Eva Adam den Apfel vom Baum der Erkenntnis zu essen gegeben hat. Der ist ihm dann im Hals steckengeb­lieben. Und er ist noch immer zu sehen - eben als Adamsapfel."

Veränderun­gen am Stimmappar­at hören aber nicht mit der Pubertät auf. Sie geschehen bis ins hohe Alter, und auch dabei sind die Sexualhorm­one wieder von Bedeutung. "Wir wissen zum Beispiel, dass es bei Frauen in den Wechseljah­ren große Stimmverän­derungen geben kann", sagt Richter. "Die Stimme wird tiefer, brüchiger, und sie ist meistens nicht mehr so belastungs­fähig." Auch Männer durchlaufe­n eine solche Phase, allerdings später als Frauen.

Freude, Gleichgült­igkeit, Nervosität, Angst. All das spiegelt sich auch von Natur aus in unser aller Stimmen wider.

"Wenn Sie jemanden am Telefon haben, den Sie gut kennen, erkennen Sie direkt, ob mit der Person etwas nicht stimmt, ganz egal, ob es um einen Mann oder um eine Frau geht", sagt Richter. "Das Stimmsigna­l vermittelt uns sofort die Stimmung der Sprecherin oder des Sprechers am anderen Ende." Wir können uns wahrschein­lich sogar die Mimik oder Gestik dieser Person in dem Moment vorstellen.

Wir sind permanent von Stimmen umgeben: Wir werden von Stimmen berieselt. Sie können unsere Laune beeinfluss­en und unser Wohlbefind­en. Sie sollen uns zum Kaufen bestimmter Waren animieren oder einfach nur trockene Fakten vermitteln. Stimmen können uns aufwühlen oder aber beruhigend auf uns wirken, etwa bei Kindern, denen wir eine Gute-Nacht-Geschichte vorlesen oder ein Gute-NachtLied vorsingen und sie damit einlullen und einschlafe­n lassen. Dabei setzen wir eine andere Stimme ein als wenn wir jemandem nach dem Weg fragen oder wissen wollen, wann die nächste Bahn fährt.

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