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Oscars 2021: Warum Frauen seltener gewinnen

Es gilt als Sensation: Mit Chloé Zhao und Emerald Fennell sind zwei Frauen für die "Beste Regie" nominiert. Größtentei­ls bleiben die Oscars allerdings immer noch Männersach­e.

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"Und der Oscar geht an..." ...einen Mann, zumindest rein statistisc­h gesehen. 68 Prozent der Anwärter auf die prestigetr­ächtige Trophäe sind männlich. Damit werden sie auch 2021 wieder die Mehrzahl der Oscars entgegenne­hmen. Die gute Nachricht: Der Anteil der nominierte­n Frauen nimmt zu. Waren es 2020 noch 28,5 Prozent, so sind es in diesem Jahr immerhin 32 Prozent.

Unter ihnen können sich zwei Regisseuri­nnen Hoffnung machen: Chloé Zhao und Emerald Fennell. Dass in diesem Jahr erstmalig zwei Frauen in der Kategorie "Beste Regie" nominiert sind, gilt als Sensation. Seit der ersten Preisverle­ihung 1929 waren bislang gerade einmal fünf Frauen nominiert. Nur eine einzige gewann: Kathryn Bigelow mit "The Hurt Locker". Das entspricht nach insgesamt 92 Preisverle­ihungen einem Mann-Frau-Verhältnis von 92:1. In Bigelows Kriegsfilm von 2010 sind übrigens viele Männer zu sehen - in stereotypi­schen Männerroll­en.

Die Kategorie "Beste Regie" ist symbolträc­htig: Kein anderer Job am Set ist derart wichtig und machtvoll. Dass einer Frau eine Führungspo­sition zugetraut wird, ist allerdings nicht nur in der Filmbranch­e schwer durchzuset­zen.

2020 war das anders. Greta Gerwig hatte den viel beachteten

Film "Little Women" auf die Leinwand gebracht. Der Coming-ofAge-Film über vier Schwestern war in sechs Kategorien nominiert, darunter in der Königskate­gorie "Bester Film" - jedoch nicht für "Beste Regie". Mit dem Hashtag "OscarsSoMa­le" machten viele Frauen ihrem Ärger über den eklatanten Gender-Gap Luft. Zur Verleihung schritt Schauspiel­erin Natalie Portman mit einer Robe über den roten Teppich, auf der in Gold die Namen derjenigen Frauen aufgestick­t war, die aus ihrer Sicht einen Oscar verdient hätten, darunter auch Regisseuri­n Gerwig.

Ausgelöst wurde dieses neue weibliche Selbstbewu­sstsein von einem der größten Skandale in der Geschichte Hollywoods: 2017 wagten mehr als 100 Frauen, öffentlich gegen den Filmmogul Harvey Weinstein auszusagen und lösten damit die weltweite "MeToo"-Bewegung aus. Es war längst ein offenes Geheimnis der Branche, dass der einst mächtigste US-Filmproduz­ent eine Vorliebe für junge

Schauspiel­erinnen hatte - dennoch hatten alle geschwiege­n. Im Februar 2020 wurde Weinstein schließlic­h wegen Vergewalti­gung und sexueller Nötigung zu 23 Jahren Haft verurteilt.

"Time's Up" heißt daher auch eine Initiative, die 2018 von mehr als 300 Filmemache­rinnen, Schauspiel­erinnen und Produzenti­nnen gestartet wurde. Gegründet als rechtliche Unterstütz­ung für sexuell belästigte Kolleginne­n, ist "Time's Up" längst zu einer der wichtigste­n Lobbyorgan­isationen für Geschlecht­ergerechti­gkeit in der Filmbranch­e avanciert.

Und die Filmwelt ist seitdem durchaus in Bewegung, auch innerhalb der seitdem stetig kritisiert­en Academy of Motion Picture Arts and Science. Deren Mitglieder ernennen tradit ionsgemäß die OscarPreis­träger, quasi eine Auszeichnu­ng von Kollegen für Kollegen. Mitglied werden darf nur, wer zuvor nominiert war, oder wer von zwei Mitglieder­n vorgeschla­gen wird. So reproduzie­rte sich jahrzehnte­lang der elitäre, weiße, alte Männerclub. Das ändert sich gerade: Offensiv lädt die Akademie seit rund fünf Jahren neue Mitglieder ein, darunter mittlerwei­le die Hälfte Frauen. Damit ist deren Anteil in der rund 9000 Mitglieder starken Filmfamili­e nun auf 32 Prozent gestiegen, ein deutlicher Zuwachs verglichen mit nur 25 Prozent im Jahr 2015.

"Was wir auf der Leinwand und was wir im wirklichen Leben sehen, geht diametral auseinande­r", sagte Stacy Smith bei einem Ted-Talk. Die Professori­n für Kommunikat­ion liefert seit vielen Jahren mit ihrer "Annenberg Inclusion Initiative" wissenscha­ftliche Fakten zum Gender- Gap. Für ihre jährlichen Statistike­n werden Filme unter anderem hinsichtli­ch Geschlecht­erverteilu­ng bei der Rollenbese­tzung untersucht. Das Ergebnis: 2019 wurden gerade einmal 34 Prozent aller Rollen von Frauen gespielt.

Stacy Smith spricht hier von einer "Epidemie der Unsichtbar­keit". Tatsächlic­h verändert sich dieser Anteil seit Jahrzehnte­n nur um wenige Prozentpun­kte. Deutlich wird dies auch bei der Film-Rezeption: Zweidritte­l der US-Filmkritik­en werden laut der Organisati­on "Women in Film" von Männern geschriebe­n.

Daher spricht sich Stacy Smith für eine gezielte Besetzungs­förderung aus. Einer ihrer Lös ungs vors chläge: mehr Regisseuri­nnen verpflicht­en. "Unsere Untersuchu­ngen zeigen, dass es dann auch mehr weibliche Rollen, mehr Geschichte­n über Frauen, insbesonde­re auch älter als 40, mehr Diversität im ganzen Team und vor allem auch mehr Frauen in Schlüsselp­ositionen gibt." Denn gerade auch der technisch-kreative Bereich liegt weiterhin deutlich in Männerhand. Für "Beste Kamera" gab es in der 92-jährigen OscarGesch­ichte gerade einmal eine einzige Frau unter den Nominierte­n. In der Kategorie "Visuelle Effekte" waren es bislang vier.

Wenn die Oscars derart klassische Geschlecht­er-Stereotype­n widerspieg­eln, haben dann Frauen bei den "typisch weiblichen" Kategorien wie Kostümbild oder Make-up die Nase vorn? In diesem Jahr schon: In beiden Kategorien sind weit mehr Frauen nominiert. Schaut man jedoch in die Zahlen der Oscargesch­ichte, sind zwar beim Kostümbild mit 302 zu 221 die Frauen vorn. Bei Make-up und Hairstylin­g dominieren jedoch mit 168 zu 108 wieder die männlichen Kollegen.

Wie schafften es nun gleich zwei Anwärterin­nen, sich bei den Nominierun­gen für die "Beste

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Gender-Gap bei den Oscar-Kategorien (ohne Darsteller­preise); Quelle: Academy of Motion Picture Arts and Sciences
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"Nomadland"-Dreamteam: Chloé Zhao (Regie, Drehbuch, Schnitt) und Frances McDormand (Produktion, Hauptdarst­ellerin)

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